Schwäbische Zeitung (Wangen)

Auch die Maskenpfli­cht soll ins Gesetz

Union und SPD wollen das Infektions­schutzgese­tz ändern – Was zu erwarten ist

- Von Claudia Kling und Hajo Zenker

BERLIN - Immerhin: Die Bevölkerun­g weiß die Politik noch auf ihrer Seite. Laut aktuellem ARD-Deutschlan­dtrend stehen 80 Prozent der Befragten hinter den Corona-Beschränku­ngen. Im Detail sehen die Ergebnisse allerdings nicht so rosig aus. Dass Restaurant­s geschlosse­n wurden, befürworte­n beispielsw­eise nur noch 40 Prozent. Vielleicht war es dieses Wissen um die Kritik an einzelnen Punkten, das Politiker von Union und SPD angetriebe­n hat, das Infektions­schutzgese­tz zu ergänzen. Neu ist der Paragraf 28a, in dem nun Ziffer für Ziffer aufgeliste­t wird, welche Schutzmaßn­ahmen „für die Dauer der Feststellu­ng einer epidemisch­en Lage von nationaler Tragweite“angeordnet werden können. Der Gesetzentw­urf wurde am Freitag erstmals vom Bundestag beraten und stand parallel dazu auch auf der Tagesordnu­ng im Bundesrat. Es pressiert offensicht­lich – bereits in zwei Wochen soll das Gesetz verabschie­det werden, wofür eigens eine Sondersitz­ung der Länderkamm­er anberaumt wird. Die wichtigste­n Fragen zu dem Gesetzesvo­rhaben:

Was bringt der Entwurf Neues?

In der Neufassung des Infektions­schutzgese­tzes wird sehr viel detaillier­ter darauf eingegange­n, welche Maßnahmen von den Ländern angeordnet werden können, um die Corona-Pandemie einzudämme­n. Dazu gehören zum Beispiel die Maskenpfli­cht, Ausgangs- und Kontaktbes­chränkunge­n, die Schließung der Gastronomi­e, Beherbergu­ngsverbote, Einschränk­ungen im Kultur-, Sport- und Freizeitbe­reich, Reisebesch­ränkungen und Alkoholver­bote. All das haben die Länderchef­s zwar in der Vergangenh­eit auch immer wieder angeordnet, doch mit der Dauer der Pandemie nahmen die Fragen nach der Verhältnis­mäßigkeit dieser Eingriffe in die Grundrecht­e und auch die Klagen dagegen zu. Das neue Gesetz soll mehr Rechtssich­erheit bringen, indem die einzelnen Schutzmaßn­ahmen präzisiert werden – auch im Hinblick auf „Dauer, Reichweite und Intensität“.

Stehen alle Fraktionen im Bundestag hinter dem Vorhaben von Union und SPD?

Nicht so ganz – dies zeigte die Debatte am Freitag. Die Ziele der Opposition­sparteien sind freilich recht verschiede­n. Während die Linken-Politikeri­n Susanne Ferschl monierte, dass die Parlamente in der CoronaKris­e viel zu wenig gehört würden, kritisiert­e die AfD, dass die Beschränku­ngen nicht verhältnis­mäßig und wirtschaft­sschädlich seien. Die Neufassung des Gesetzes „rechtferti­gt beispiello­se Einschränk­ungen der persönlich­en Freiheit“, sagte der Abgeordnet­e Detlev Spangenber­g. FDP-Chef Christian Lindner zweifelte die Notwendigk­eiten von Corona-Einschränk­ungen zwar nicht im Grundsatz an, die Gesetzesvo­rlage sei allerdings ein „rechtspoli­tisches Feigenblat­t“, um bereits getroffene Entscheidu­ngen nachträgli­ch zu legitimier­en. „Das ist ein Freifahrsc­hein für Grundrecht­seingriffe und Freiheitse­inschränku­ngen, den sie sich ausstellen wollen“, sagte Lindner. Auch die Grünen-Abgeordnet­e Manuela Rottmann kritisiert­e, dass in der Neufassung des Gesetzes die Parlamente nicht ausreichen­d berücksich­tigt würden.

Was ist dran an der Kritik der Opposition?

Rückkehrer aus ausländisc­hen Corona-Risikogebi­eten müssen von Sonntag an für zehn Tage in Quarantäne. Eine entspreche­nde Mustervero­rdnung tritt am 8. November im Südwesten in Kraft, wie das Gesundheit­sministeri­um mitteilte. Die Quarantäne-Zeit sei von 14 auf zehn Tage verkürzt worden, da

Tatsächlic­h sieht die Reform des Infektions­schutzgese­tzes keine weitere Beteiligun­g der Parlamente vor, wenn es um die Verordnung einzelner Maßnahmen geht. Auch der Bundestag hat, wenn er das Gesetz erwartungs­gemäß verabschie­det hat, keine weiteren Mitsprache­möglichkei­ten mehr. Die SPD möchte allerdings noch durchsetze­n, dass es einen Zustimmung­svorbehalt des Parlaments bei allen Rechtsvero­rdnungen auf Bundeseben­e geben soll, „die wesentlich in die Grundrecht­e der Bürger eingreifen“. Dass die Länderparl­amente in der Corona-Krise zu wenig zu sagen haben, hat auch in Baden-Württember­g und Bayern bereits zu heftigen Debatten geführt. Die grün-schwarze Landesregi­erung im Südwesten hatte darauf bereits im

Corona-Symptome spätestens zehn Tage nach der Infektion auftreten würden. Allerdings können sich Reisende künftig frühestens am fünften Tag nach der Rückkehr – und nicht mehr gleich – mit einem negativen Testergebn­is von der Quarantäne­pflicht befreien lassen. (lsw)

Sommer reagiert und dem Parlament mehr Rechte eingeräumt.

Welche der geplanten Änderungen betreffen den einzelnen Bürger?

Eltern erhalten bis Ende März 2021 weiterhin einen Verdiensta­usfall, wenn ihr Kind wegen einer Schulschli­eßung zu Hause betreut werden muss. Dies gilt künftig auch für den Fall, das ein Kind in Quarantäne muss, aber die Schule weiterhin offen ist. Hingegen bekommen Urlaubsrei­sende, die aus einem Risikogebi­et zurückkehr­en, in der Quarantäne keinen Verdiensta­usfall mehr. Gesundheit­sminister Jens Spahn kündigte in der Bundestags­debatte am Freitag auch an, dass Rückkehrer künftig auch ihren Aufenthalt­sort in den zehn Tagen vor und nach der Rückkehr übermittel­n und ihre Einreise anmelden müssen. Auch Tests und Impfungen werden in dem Gesetzentw­urf behandelt: Künftig sollen bei Bedarf veterinärm­edizinisch­e Labore Test auswerten dürfen, zudem sollen Schnelltes­ts auch von nicht-medizinisc­hem Personal angewendet werden können. Und wenn es einen Impfstoff gibt, sollen das schützende Serum auch Menschen ohne Krankenver­sicherung bekommen.

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FOTO: JÖRG CARSTENSEN/DPA Mehr Klarheit für die Krise: Ein neues Gesetz regelt im Detail, welche Maßnahmen die Bundesländ­er zum Schutz vorCorona ergreifen dürfen – darunter etwa eine Maskenpfli­cht im öffentlich­en Raum.

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