Der Festtagsbraten fällt aus
Weil viele Gaststätten geschlossen sind, werden Landwirte in Baden-Württemberg ihre Martinsgänse kaum los
RAVENSBURG - Zum Martinstag am 11. November kommt bei vielen ein Gänsebraten auf den Tisch. „Das ist Tradition wie der Truthahn zu Thanksgiving bei den Amerikanern“, sagt Manfred Haug. Normalerweise macht der Seniorchef des Geflügelhofs Haug in Meßkirch in der Zeit von Anfang November bis Weihnachten das große Geschäft: Seine Weidegänse sind in Restaurants und Hotels dann genauso gefragt wie auf den Wochenmärkten im ganzen Land. Das Problem in diesem Jahr: Weil die Gastronomie wegen der aktuellen Corona-Beschränkungen schließen muss und sich auch privat nur wenige Menschen treffen, fällt der traditionelle Gänsebraten vielerorts aus. Landwirte bleiben deshalb auf ihren Mastgänsen sitzen.
„Viele Betriebe wissen nicht, was sie machen sollen“, sagt Helga Futterknecht, Geschäftsführerin des Geflügelwirtschaftsverbands BadenWürttemberg. Meist bestünden keine Verträge mit den Gaststätten, die Restaurantbetreiber müssten die Gänse also nicht abnehmen. Und auch private Kunden gebe es derzeit nur wenige: „Zu zweit oder alleine isst man ja wochenlang an einer Gans. Außerdem können nur die wenigsten sie überhaupt zubereiten“, so Futterknecht.
Die Gänsemast spielt in der Geflügelwirtschaft eine vergleichsweise geringe Rolle. Rund 600 Betriebe verfolgen den Geschäftszweig in Baden-Württemberg und mästen etwa 20 000 Tiere, wie das Landwirtschaftsministerium auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“mitteilt. Auch in Bayern gibt es rund 20 000 Mastgänse. Bundesweit waren es bei der letzten Zählung im Jahr 2016 329 000 Tiere. Der Großteil der Ware aber kommt per Import aus Osteuropa, meist als Tiefkühlprodukt.
Die geschlachteten Gänse einfach einzufrieren, sei für die hiesigen Landwirte aber keine Lösung, erklärt Helga Futterknecht. Dazu brauche es spezielle Anlagen, sogenannte
Schockgefrierer. „Die haben viele Anbieter nicht, da in den vergangenen Jahren überwiegend frische Ware nachgefragt war.“Das Schlachten hinauszögern sei ebenfalls nicht möglich. „Die Gänse sind jetzt fertig. Wird nicht geschlachtet, werden sie nur fetter“, sagt Futterknecht. Das führe zu zäherem Fleisch und einem stärkeren Geruch der Tiere. Manfred Haug verkauft in der diesjährigen Martinszeit nur etwa halb so viele Gänse wie sonst. Gaststätten, die mit To-go-Angeboten im Geschäft bleiben, und die stabile Nachfrage auf den Wochenmärkten helfen ihm durch den Monat. Die Hoffnungen des Landwirts ruhen jetzt auf dem Weihnachtsgeschäft: „Sollten dann mehr als zwei Familien zusammenkommen dürfen, rechne ich mit einem Boom bei unserem Gänseverkauf.“