Schwäbische Zeitung (Wangen)

Dänemark bekämpft Corona-Variante

Millionen Pelztiere werden gekeult – WHO sieht keine Hinweise auf höheres Risiko

- Von Sigrid Harms und Steffen Trumpf

KOPENHAGEN (dpa) - Mehr als 200 Menschen haben sich in Dänemark bislang mit bei Nerzen aufgetrete­nen Varianten des Coronaviru­s infiziert. Der von den Dänen als besorgnise­rregend eingestuft­e Cluster-5-Virustyp wurde bisher bei zwölf Personen festgestel­lt. Das Land geht nun entschiede­n gegen eine Ausbreitun­g des mutierten Erregers vor – Anlass zur Sorge sehen Experten aber derzeit nicht.

„Man muss vor dieser Variante nicht mehr Angst haben als vor anderen, die zirkuliere­n“, sagte der Leiter der Forschungs­gruppe Evolution von Viren und Bakterien an der Universitä­t Basel, Richard Neher, am Freitag. Auch die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) verwies darauf, dass es keine Hinweise auf erhöhte Risiken gebe.

Für Deutschlan­d hat das Geschehen in Dänemark zunächst keine Folgen. Hierzuland­e gebe es keine Nerzfarmen, deren Haltung als Pelztiere sei verboten, erklärte das FriedrichL­oeffler-Institut. „Besondere Schutzmaßn­ahmen sind daher momentan nicht angezeigt.“

Seit Juni hätten sich mindestens 214 Menschen mit von Nerzen stammenden Varianten von Sars-CoV-2 infiziert, teilte das dänische Gesundheit­sinstitut SSI mit. 200 der Fälle wurden in der Region Nordjütlan­d nachgewies­en. In dieser Region befinden sich besonders viele Nerzfarmen.

Bereits am Mittwoch hatte die dänische Regierung angekündig­t, dass alle Nerze im Land getötet werden sollen – das sind etwa 15 bis 17 Millionen Tiere, Dänemark ist bei der Zucht Weltmarktf­ührer. Zudem wurden nun für sieben norddänisc­he Kommunen mit insgesamt rund 280 000 Einwohnern massive Beschränku­ngen des öffentlich­en Lebens angeordnet: Von Montag an wird der öffentlich­e Nahverkehr eingestell­t, ältere Schüler sowie Studenten sollen Fernunterr­icht erhalten. Bereits ab Samstag müssen alle Lokale schließen, ab Montag dann auch Sporthalle­n, Schwimmbäd­er und Fitnessstu­dios.

Ein Grund für die rigorose Reaktion ist die Befürchtun­g, dass die derzeit entwickelt­en Impfstoffe weniger gut gegen die sogenannte Cluster-5Variante wirken könnten. Das hätten Untersuchu­ngen gezeigt, hieß es vom Gesundheit­sinstitut SSI. Für die Dänen spielt zudem die Sorge mit hinein, zu einem neuen Infektions­Hotspot

zu werden. „Wenn wir jetzt nichts unternehme­n, riskiert Dänemark, das Epizentrum einer neuen Virusvaria­nte zu werden“, sagte Hans Jørn Kolmos, Professor für klinische Mikrobiolo­gie an der Süddänisch­en Universitä­t, der Zeitung „Jyllands-Posten“.

Dänemarks Außenminis­ter Jeppe Kofod wies am Freitag darauf hin, dass man im Kampf gegen Corona lieber einen Schritt zu weit gehe als einen zu kurz. Mit Blick auf die Auswirkung­en für die Branche sagte er: „Das ist keine leichte Entscheidu­ng gewesen, ist aber eine notwendige Vorsichtsm­aßnahme.“Die Nerze sollen innerhalb einiger Wochen getötet werden.

WHO-Chefwissen­schaftleri­n Soumya Swaminatha­n wies darauf hin, dass es bereits zahlreiche Mutationen von Sars-CoV-2 gebe. „Es ist zu früh dafür, voreilige Schlüsse zu ziehen, welche Folgen diese neue Mutation für die Übertragun­g, Schwere der Erkrankung, klinische Symptome, Immunantwo­rt oder mögliche Impfstoffw­Wirkung hat.“WHO-Nothilfeko­ordinator Mike Ryan sagte: „Die Belege, die wir haben, weisen nicht darauf hin, dass diese Variante sich in irgendeine­r Form anders verhält.“

Bei Twitter hieß es von der WHO, es sei normal, dass sich Viren über die Zeit verändern. Aber jedes Mal, wenn ein Virus vom Mensch zum Tier und zurück zum Menschen gelange, könne es sich weiter verändern. „Deshalb sind diese Berichte beunruhige­nd.“

Virusexper­te Neher sagte der dpa, es gebe an verschiede­nen Orten in Europa eine weitere Variante, bei der die Erkennung durch Antikörper reduziert sei. Doch keine einzelne Mutation mache einen Impfstoff komplett nutzlos. „So schwarz und weiß ist die Sache nicht.“

Nerze zählen wie Frettchen zu den Tieren, die empfänglic­h für SarsCoV-2

In Griechenla­nd gelten ab diesem Wochenende im Kampf gegen die Corona-Pandemie auch tagsüber rigorose Ausgangsbe­schränkung­en. Die Bürger dürfen ihre Häuser und Wohnungen nur noch verlassen, wenn sie dies über ihr Handy beantragt und per SMS eine Genehmigun­g erhalten haben, wie Ministerpr­äsident Kyriakos Mitsotakis am Donnerstag ankündigte. Die Maßnahme gilt drei Wochen lang. Eine nächtliche Ausgangssp­erre war bereits zuvor für das ganze Land verhängt worden.

sind und es an Artgenosse­n weitergebe­n können. Auch Meldungen über infizierte Katzen auf Nerzfarmen in den Niederland­en gebe es, hieß es vom Friedrich-Loeffler-Institut. Für natürliche Übertragun­gen von Katze zu Katze gebe es aber bisher keine Belege, auch Infektione­n von Katze zu Mensch seien nicht bekannt. Das Ziel der Tötungsakt­ion bei den Nerzen in Dänemark sei vielmehr, „eine nicht unerheblic­he Virusquell­e zu eliminiere­n und die Verbreitun­g aus den Haltungen heraus zu verhindern, insbesonde­re Übertragun­gen auf Menschen“.

Angesichts der steigenden CoronaZahl­en ist in Italien in der Nacht zum Freitag landesweit eine nächtliche Ausgangssp­erre in Kraft getreten. Zwischen 22 und 5 Uhr müssen die Italiener nun zu Hause bleiben.

Außerdem galten ab Freitag für einige Regionen des Landes verschärft­e Maßnahmen, die dem Lockdown aus dem Frühjahr ähneln. Davon betroffen sind unter anderem die nördlichen Regionen Lombardei und Piemont sowie Kalabrien im Süden. (AFP)

 ?? FOTO: MADS CLAUS RASMUSSEN/DPA ?? 15 bis 17 Millionen Nerze werden derzeit in Dänemark gekeult: Diese Züchterin inspiziert­e am Freitag die toten Tiere ihrer Nerzherde, die aus 3000 Nerzmütter­n und ihren Jungen bestand. In dem skandinavi­schen Land hatten sich Menschen mit einer ursprüngli­ch bei Nerzen aufgetrete­nen Variante des Coronaviru­s infiziert.
FOTO: MADS CLAUS RASMUSSEN/DPA 15 bis 17 Millionen Nerze werden derzeit in Dänemark gekeult: Diese Züchterin inspiziert­e am Freitag die toten Tiere ihrer Nerzherde, die aus 3000 Nerzmütter­n und ihren Jungen bestand. In dem skandinavi­schen Land hatten sich Menschen mit einer ursprüngli­ch bei Nerzen aufgetrete­nen Variante des Coronaviru­s infiziert.

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