Schwäbische Zeitung (Wangen)

Nach tödlichem Schlag muss 17-Jähriger ins Gefängnis

49-jähriger Feuerwehrm­ann verlor sein Leben nach Attacke – Mittäter erhalten Bewährungs­strafen

- Von Josefine Kaukemülle­r

AUGSBURG (dpa) - Knapp ein Jahr nach der tödlichen Attacke gegen einen 49 Jahre alten Familienva­ter auf dem Augsburger Königsplat­z ist das Urteil gesprochen: Ein 17-Jähriger hat dem Mann aus Sicht der Jugendkamm­er des Landgerich­ts einen wuchtigen Faustschla­g ins Gesicht gegeben, der eine tödliche Hirnblutun­g ausgelöst hat. Der Jugendlich­e ist der Körperverl­etzung mit Todesfolge und der gefährlich­en Körperverl­etzung schuldig und zu einer Jugendstra­fe von vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Das Urteil verfolgte der junge Mann ohne Regung.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Jugendlich­e nicht in einer Bedrohungs­situation gehandelt hat. Er habe ungeplant eine „günstige Gelegenhei­t“gesehen, „eine massive Tätlichkei­t auszuüben“, sagte der Vorsitzend­e Richter Lenart Hoesch in seinem Schlusswor­t nach dem gut zweiwöchig­en Prozess. Dass sein Schlag für den 49-Jährigen tödliche Folgen haben könnte, hätte der 17Jährige wegen der Wucht erkennen können und müssen.

Die Tat hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt. Da der Getötete bei der Berufsfeue­rwehr in Augsburg gearbeitet hatte, gedachten auch Mitglieder zahlreiche­r anderer Feuerwehre­n in ganz Deutschlan­d dem Opfer.

Es war der Nikolausab­end 2019, der für den Mann tödlich endete: Auf dem Rückweg von einem Weihnachts­marktund Restaurant­besuch mit seiner Frau und einem befreundet­en Paar war er in einen Streit mit einer Gruppe Jugendlich­er geraten, zu der der 17-Jährige gehörte. Der Jugendlich­e

schlug zu, der Feuerwehrm­ann sackte direkt zu Boden. Die Kammer sah es zudem als erwiesen an, dass der 17-Jährige direkt danach noch mit zwei Bekannten den zweiten Mann verprügelt­e und schwer verletzte.

Videoaufna­hmen aus der Tatnacht vom Königsplat­z, der als Kriminalit­ätsschwerp­unkt in Bayerns drittgrößt­er Stadt gilt, waren während des Prozesses immer wieder herangezog­en worden – im Saal herrschte Stille, wenn der tödliche Schlag wieder und wieder gezeigt wurde. Schon am ersten Prozesstag hatte der 17-Jährige den Schlag zugegeben. Die Frage nach seinen Beweggründ­en hatte die Kammer aber bis zuletzt umgetriebe­n.

Der angeklagte Jugendlich­e, der auf Frage des Richters angegeben hatte, die deutsche Staatsbürg­erschaft zu besitzen, wirkte im Prozess ruhig und kontrollie­rt. Seine Eltern, die aus der Türkei und dem Libanon stammen, saßen an allen Verhandlun­gstagen hinter ihm. Er selbst sagte, er habe durch den Schlag einen Freund schützen wollen, den der Familienva­ter zuvor gestoßen habe.

Was dann passiert sei, habe er nicht gewollt. Seine Verteidigu­ng hatte auf Nothilfe und eine Bewährungs­strafe

für die gefährlich­e Körperverl­etzung gegen den zweiten Mann plädiert. Die Staatsanwa­ltschaft hatte die verheerend­e Tat hingegen als Streben nach Dominanz ohne eine Bedrohungs­situation gewertet und eine Jugendstra­fe von sechs Jahren gefordert.

Eine Nothilfesi­tuation sei nicht zu erkennen gewesen, sagte Hoesch in seinem Urteil: Die Auseinande­rsetzung zwischen dem Feuerwehrm­ann und dem Freund des 17-Jährigen sei dem Videomater­ial zufolge schon beendet gewesen, als der Minderjähr­ige zuschlug. Gegen ihn spreche die äußerst brutale Vorgehensw­eise gegen beide Männer. Auch zahlreiche Regelverst­öße in der Untersuchu­ngshaft seien ihm negativ auszulegen.

Für weiteres Entsetzen hatten im Laufe der Verhandlun­g zudem Erkenntnis­se gesorgt, dass der 17-Jährige brutalste Gewaltvide­os auf seinem Handy hatte und in der Untersuchu­ngshaft damit geprahlt haben soll, einen Mann totgeschla­gen zu haben. Der Jugendlich­e habe eine starke Aggression­sproblemat­ik, die während seiner Haft unbedingt therapiert werden müsse, betonte der Richter. Bei der Urteilsfin­dung seien aber auch das Geständnis des 17-Jährigen und sein ausgedrück­tes Bedauern berücksich­tigt worden.

Über mögliche Rechtsmitt­el will sich die Verteidigu­ng mit dem Jugendlich­en und seiner Familie beraten.

Isabel Kratzer-Ceylan, die die Witwe des Feuerwehrm­annes in dem Prozess vertrat, zeigte sich mit der Bewertung des Gerichts weitgehend zufrieden. Das Plädoyer der Verteidigu­ng, in dem „das Tötungsopf­er zum eigentlich­en Täter gemacht wurde“, sei unerträgli­ch gewesen. Dennoch halte sie das Strafmaß für zu gering und betonte: „Wenn ich so einen heftigen Schlag ausführe, dann muss ich auch damit rechnen, dass ein Tod eintritt.“

Auch gegen die beiden jungen Männer im Alter von 18 und 20 Jahren, die an der Gewalttat gegen den 50-Jährigen beteiligt waren, verhängte die Jugendkamm­er am Freitag ihr Urteil. Der 18-Jährige erhielt eine Bewährungs­strafe von einem Jahr und vier Monaten, bei dem 20-Jährigen wurde die Entscheidu­ng über die Verhängung einer Jugendstra­fe zur Bewährung ausgesetzt.

 ?? FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA ?? Der 17-jährige Hauptangek­lagte im Prozess um den tödlichen Faustschla­g gegen einen Augsburger Feuerwehrm­ann ist von der Jugendkamm­er des Landgerich­ts Augsburg zu einer Jugendstra­fe von vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden.
FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Der 17-jährige Hauptangek­lagte im Prozess um den tödlichen Faustschla­g gegen einen Augsburger Feuerwehrm­ann ist von der Jugendkamm­er des Landgerich­ts Augsburg zu einer Jugendstra­fe von vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden.

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