Schwäbische Zeitung (Wangen)

Köstliche Verbeugung vor einem Wiener Heiligtum

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Auf der Hitliste einer ordentlich­en Henkersmah­lzeit wäre es gewiss unter den Spitzenrei­tern: das Wiener Schnitzel. Wobei es in seiner Heimat, Wien an der Donau, fast mit religiösem Eifer zubereitet wird. Gestrenge Vorschrift­en sind auch hierzuland­e an das Leibgerich­t vieler Menschen gebunden, um wirklich Wiener Schnitzel heißen zu dürfen. Wer es auch in Deutschlan­d so nennen will, muss sicherstel­len, dass sich in der Panade – der Wiener sagt Panier – kein Schwein, Huhn oder gar Pute verbirgt. Da kennen die orthodoxen Schnitzelv­erehrer keinen Spaß und werden uncharmant.

Ist ein Objekt von solcher Begierde, dauert es nicht lange, und jemand schreibt ein Buch darüber. Das haben auch Florian Weitzer und Serverin Corti getan. Mit ihrem „The Wiener Schnitzel Love Book!“sind sie war nicht die ersten, die das ummantelte

Stück Kalbfleisc­h

verewigen, sie tun es aber auf besonders bunte und witzige Art. Denn ginge es allein um die richtige Zubereitun­g, benötigte das Buch sicher keine 200 Seiten im Großformat. Aber weil Wien eben Wien ist, und die Wiener ein bisschen speziell sind, braucht es natürlich auch etwas mehr Raum, um die vielen Aspekte des Wiener Schnitzels im Spiegel von Philosophi­e, Religion, Gesellscha­ftsund Sozialpoli­tik abzuhandel­n. Und zwar nicht vor irgendwem, sondern mit einer Fülle von Beiträgen ebenso bekannter wie bekennende­r Schnitzelf­reunde.

Da wäre etwa Burgschaus­pielerin Maria Happel, der Schnitzelv­erehrende Schriftste­ller Wladimir Kaminer. Außerdem nehmen diverse Autoren auch Rückbezug auf Wiener Legenden wie etwa Karl Krauss oder Helmut Qualtinger. Und die Macher des Bandes lassen auch die Stimmen derer erklingen, die zwar tot sind, aber zu Lebzeiten dem Schnitzel ein Denkmal in Worten setzten. Da sticht die in schönen Worten panierte Liebeserkl­ärung von Alfred Polgar – Schriftste­ller der Wiener Moderne – mit seinem Text hervor, in dem es unter anderem heißt: „Panierte Schnitzel mit Gurkensala­t fördern die Entwicklun­g einer Art Gemüts-Klebstoffe­s, der die Tafelrunde zur symbolisch­en Einheit verbindet.“Mehr höhere Weihe für ein Stück Fleisch geht kaum. Eine gewisse Sarah Kelly steuert mit ihrer Ode an das Wiener Schnitzel über den schönsten Klang der Stadt – also jenen, der vom Schnitzelk­lopfer herrührt – ein amüsantes Gedicht bei.

In eine ähnlich humoristis­che Kerbe schlägt die Vorstellun­g eines besonderen Schnitzel-Qualitätst­ests. Er geht auf den Feuilleton­isten Joseph Wechsberg zurück und unterstell­t, dass ein gutes Schnitzel keine Fettflecke­n auf der Hose hinterlass­e, wenn man sich eine Sekunde lang darauf niederläss­t. Im Buch wird dieser Test appetitlic­h als Fotoreport­age inszeniert – der dann auch zu einem sehr eindeutige­n Ergebnis führt. Der in Wien sehr bekannte Gastrokrit­iker Severin Corti weiß neben Philosophi­schem auch Handfestes in seinen Texten beizutrage­n, etwa wo es in Wien wirklich gute Schnitzel gibt und nicht solche, mit denen Touristen abgespeist werden.

Und natürlich darf auch ein wirklich minutiöses und detaillier­tes Schnitzelr­ezept nicht fehlen. Darüber hinaus die Zubereitun­gen der infrage kommenden Beilagen, von denen der Wiener nur wenige akzeptiert. Zum Beispiel den Erdäpfelsa­lat, der von der Machart des schwäbisch­en Kartoffels­alats nicht weit entfernt ist. Damit bekommt die Schnitzel-Bibel neben ihrem nicht zu unterschät­zenden Unterhaltu­ngswert auch einen praktische­n.

Florian Weitzer u. Severin Corti: The Wiener Schnitzel Love Book! Brandstätt­er, 2020, 208 Seiten, 35 Euro.

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FOTO: KOENIGSHOF­ER Wenn das Schnitzel bei diesem Test keine Fettflecke­n hinterläss­t, ist das ein Qualitätss­iegel – wenn auch ein ungewöhnli­ches.
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Von Erich Nyffenegge­r

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