Schwäbische Zeitung (Wangen)

Alltag statt Avantgarde

Der BMW iX3 ist elektrisch­er, solider Mainstream aus München – Er kommt im Januar auf den Markt

- Von Thomas Geiger

München entdeckt den elektrisch­en Mainstream: Denn nachdem BMW mit dem innovative­n, aber exzentrisc­hen i3 offenbar mehr Kunden verschreck­t als zur neuen Mobilität bekehrt hat, schicken die Bayern jetzt den zweiten Sturm auf die Straße und geben sich dabei viel konvention­eller. Der iX3, der kurz nach dem Jahreswech­sel zu Preisen ab 66 300 Euro gegen Mercedes EQ C, Audi Q4 e-tron oder VW ID4 antritt, nutzt deshalb keine eigene Akku-Architektu­r mehr und auch kein kostspieli­ges Karbon, sondern den ebenso alten wie bewährten X3 als Basis.

„Power of Choice“nennt BMW diesen Ansatz und hält das Rennen zwischen Verbrenner, Plug-in und EAuto damit weiter offen. Und das ist nicht der einzige Kurswechse­l. Auch bei der Produktion gehen die Bayern neue Wege: Sie bauen den iX3 nicht im amerikanis­chen Spartanbur­g, sondern in Shenyang in China und verschiffe­n ihn von dort erstmals rund um den Globus. Nur um Amerika machen sie erst mal einen Bogen und schließen so einen der wichtigste­n E-Märkte aus. Verstehen muss man das nicht.

Fürs Ego der Entwickler mag das Ende der Avantgarde ein schwerer Schlag sein. Doch für die Kunden ist das kein Schaden. Im Gegenteil: Schließlic­h ist der X3 ein ebenso gefälliges wie gelungenes Auto, dem ein paar blaue Zierelemen­te, der geschlosse­ne Kühlergril­l und die AeroFelgen keinen Abbruch tun. Und wo der i3 innen noch ein bisschen zwischen Bioladen, Designerbo­utique und organische­r Kaffeebar unterwegs war, sitzt man jetzt wieder in der klassische­n BMW-Welt mit vertrauten Materialie­n, gelernten Bedienelem­enten und gewohnten Grafiken auf den riesigen Displays. Auf Wiedersehe­n Avantgarde, willkommen im Alltag.

Dass der iX3, anders als der i3 oder designiert­e Konkurrent­en wie das Tesla Model Y, nicht mehr Platz bietet als die Verbrenner, dass man weiter über einen Mitteltunn­el klettert und sogar ein paar Liter Kofferraum­volumen einbüßt, nimmt man da gerne in Kauf – zumal es deshalb ja an Platz nicht mangelt. Auch in der zweiten Reihe sitzt man kommod und hinter die elektrisch­e Klappe passen noch immer 510 Liter, die mit zwei Handgriffe­n auf 1560 Liter erweitert werden. Nun können die Hinterbänk­ler aussteigen, ohne dass der Vordermann die Tür aufmachen muss.

Am Fahrverhal­ten des iX3 gibt es ohnehin nichts auszusetze­n: 286 kW und 400 Nm stark und mit einer neu komponiert­en Klangwelt nicht mehr ganz so steril wie der i3, beschleuni­gt der iX3 in 6,8 Sekunden von 0 auf 100 und nimmt es so beinahe mit einem X3 3.0i auf. Dass bei 180 km/h schon wieder Schluss ist, mag nur im Quartett-Kartenspie­l stören, weil manche Konkurrent­en flotter fahren. In der Praxis nutzt das keiner, weil sonst die Reichweite schneller schwindet als die Entfernung zum Ziel – dabei halten sich im Alltag ansonsten recht tapfer Werte weit jenseits von 300 Kilometern.

Viel eher genießt man deshalb den Spaß in den Kurven und spielt mit den Fahrprofil­en, die auch Einfluss auf die Rekuperati­on haben. Je nach Setup kann der iX3 dann meilenweit segeln, er passt den Grad der elektrisch­en Verzögerun­g automatisc­h dem Verkehrsge­schehen an, oder er bietet konsequent­es Ein-Pedal-Gefühl und bremst schon beim Lupfen des Fahrpedals so stark, dass die mechanisch­e Bremse kaum mehr gebraucht wird. Nur dass der iX3 als einziges X-Modell ohne Allradantr­ieb auskommen muss, das bringt die Bayern ein wenig in Argumentat­ionsnöte: Konkurrent­en wie der EQ C, der Audi e-Tron, ja sogar bürgerlich­e Elektro-SUVs wie der Skoda Enyaq oder der VW ID4 fahren auf Wunsch auch auf allen vieren.

Dafür will der iX3 an der Ladesäule punkten: Weil er seine Energie an Gleichstro­mstationen zum ersten Mal mit bis zu 150 kW ziehen kann, dauert das Nachladen von 0 bis 80 Prozent nur 34 Minuten und für 100 Kilometer muss man lediglich zehn Minuten einplanen.

Zwar ist der ix3 kein Design-Statement mehr und auch kein technologi­scher Leuchtturm, doch markiert zumindest der Antrieb einen großen Schritt nach vorn. Denn mit dem iX3 lanciert BMW die mittlerwei­le fünfte Generation des E-Antriebs und macht bei Platzbedar­f und Leistungsd­ichte von Motor und Akku noch einmal einen entspreche­nden Sprung. So haben die Bayern erstmals den Motor, das Getriebe und die Leistungse­lektronik in einem Gehäuse integriert und zugleich die Effizienz des Pakets gesteigert: Wo ein

Verbrenner mit einem Wirkungsgr­ad von weniger als 40 Prozent auskommt, reklamiere­n die Bayern für das um 30 Prozent geschrumpf­te EPaket bis zu 92 Prozent.

Auch der Akku wurde weiter verbessert und kann nun bei weniger Platzbedar­f und Gewicht mehr Energie speichern. Um bis zu 20 Prozent wollen die Bayern diese gravimetri­sche Energiedic­hte gesteigert haben und bekommen so im beschränkt­en Bauraum des X3 immerhin eine Kapazität von 80 kWh unter. Die reicht im WLTP-Zyklus für 460 und nach NFZ sogar für 520 Kilometer, stellt BMW in Aussicht.

Zwar ist der ix3 ein vergleichs­weise konvention­eller Stromer und wenn ihm ein paar Monate später der i4 folgt, wird sich der ebenfalls nur marginal vom Vierer unterschei­den. Doch so ganz haben sich die Bayern von der Avantgarde noch nicht verabschie­det. Denn als Dritter im Bunde folgt 2021 noch ein weiteres AkkuAuto, das den Zeitsprung auch im Namen trägt: Mit dem iNext wagt sich BMW wieder in die Zukunft.

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FOTOS: BERNHARD LIMBERGER Der BMW iX3 hat einen geschlosse­nen Kühlergril­l.
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Blaue Zierelemen­te kennzeichn­en den Stromer auf der X3-Basis.
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Auch innen erkennt man im iX3 die klassische BMW-Welt.

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