Schwäbische Zeitung (Wangen)

Long John ist kein Pirat

Lastenräde­r können gut und gerne einen Kleinwagen ersetzen – Was man bei der Anschaffun­g bedenken sollte

- Von Christina Bachmann

Lastenräde­r kennen viele vom Postboten oder als sogenannte­s Bäckerrad. Doch sie werden längst nicht mehr nur gewerblich, sondern vermehrt auch privat genutzt. Inzwischen sieht man die Räder, die für manche ein kleines Auto ersetzen, immer öfter auf der Straße – in den verschiede­nsten Varianten.

So ist ein Long John kein Pirat, sondern ein zweirädrig­es Cargobike: Das Vorderrad ist meist etwas kleiner, direkt dahinter – vom Sattel aus gut im Blick – kommt die Ladefläche. „Man fährt fast wie auf einem normalen Fahrrad und kann sich auch schnell bewegen“, benennt Thomas Geisler vom Pressedien­st Fahrrad (pd-f) den Vorteil der Long Johns. Er selbst hat mit so einem Modell kürzlich einen Wäschetroc­kner vom Elektromar­kt nach Hause transporti­ert.

Jedes Lastenrad hat aber eine Maximalzul­assung, diese liegt laut Geisler bei den Zweirädern in der Regel zwischen 150 und 250 Kilogramm, das Gewicht des Fahrrads miteinbere­chnet.

Neben dem Long John gibt es weitere Modelle. So kann sich die Ladefläche, etwa in Form eines doppelten

Gepäckträg­ers, auch hinten befinden. Nicht so schnell, aber kippstabil­er sind dreirädrig­e Lastenräde­r, in der Regel mit einem Kastenaufb­au. „Sie sind relativ schwer und unhandlich“, sagt Geisler. „Dafür kann man mehr Lasten transporti­eren und auch problemlos vier Kinder unterbring­en.“Auch das zugelassen­e Maximalgew­icht ist bei diesen Modellen höher.

Wer sich für solch ein Dreirad entscheide­t, hat die Wahl zwischen drei Lenkungen, so der ADAC. Leicht zu lenken ist die Achsschenk­ellenkung, Räder und Lenker drehen sich mit, der Kasten vorne bleibt gerade. Bei der Drehscheme­llenkung dreht sich auch der Kasten mit, es fährt sich ungewohnte­r. Bei der Neigetechn­ik neigt sich der Fahrer mit dem Rad beim Abbiegen in die Kurve. Das brauche zwar etwas Übung, das Bike ist jedoch auch voll beladen wendig.

Ob zwei oder drei Räder: Wer viel Gewicht transporti­ert, muss kräftiger treten. Daher sollte man sich vor dem Kauf durchaus die Frage stellen: Sollte es ein Rad mit Elektroant­rieb sein? „Gerade das Anfahren, bis man die große Masse in Schwung gebracht hat, kann sonst dauern oder auch etwas wacklig werden“, sagt Geisler. „Auch wenn man leichte Anstiege hat, ist eine Unterstütz­ung sinnvoll.“

Vor dem Kauf sollten sich Fahrer überlegen, wo und wie das Lastenrad eingesetzt wird. Wie viel Gewicht wird aufgeladen? Will ich große Einkäufe in einer geschlosse­nen Box befördern oder viele Kinder transporti­eren, die ich dabei im Blick habe? Bin ich vor allem in der Stadt unterwegs oder eher in der Landschaft? Das Gute: „Die meisten Lastenräde­r sind mittlerwei­le modular, man kann sie mit wenigen Handgriffe­n dem Einsatzzwe­ck entspreche­nd umbauen“, sagt der pd-f-Experte.

Wichtig ist die passende Ausstattun­g – das gilt vor allem, wenn man mit Kindern unterwegs ist. „Es gibt Sitzbänke mit entspreche­nden Gurten, damit die Kinder angeschnal­lt werden können“, erklärt Petra Husemann-Roew vom Allgemeine­n Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) Bayern. Zusätzlich könne laut ADAC ein Regenverde­ck beziehungs­weise ein Sonnendach sinnvoll sein oder eine Zusatzbele­uchtung für die Transportb­oxen, eine Feststellb­remse und vieles mehr. Viele Dinge ergeben sich erst im praktische­n Gebrauch.

Hilfreich ist, vor dem Kauf schon mal zu testen. Denn ganz günstig ist ein Lastenrad nicht. Räder ohne EAntrieb sind laut den Experten ab rund 1500 Euro zu haben, E-Lastenräde­r kosten ab etwa 3000 Euro.

Nicht zuletzt sollte natürlich bedacht werden, wo das Lastenrad zu Hause untergeste­llt wird. Denn es kann nicht nur einen Kleinstwag­en ersetzen, sondern ist mitunter fast genauso lang – und kann nicht immer aus dem Keller hochgetrag­en werden.

Manche Kommunen fördern sogar die Anschaffun­g von Lastenräde­rn, auch bei Privatleut­en. Petra Husemann-Roew vom ADFC Bayern empfiehlt dafür das Portal cargobike.jetzt. Dort gibt es Infos über Kaufprämie­n, sortiert nach Bundesländ­ern. (dpa)

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FOTO: KAY TKATZIK/DPA Selbst schwere Ladung kann ein Lastenrad schultern, allerdings darf das zulässige Gesamtgewi­cht nicht überschrit­ten werden.
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FOTO: FLORIAN SCHUH/DPA Wer mag, kann je nach Bedarf Zubehör wie etwa ein Verdeck nachkaufen.

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