Unwissenheit schützt vor saftigem Bußgeld nicht
Amtsrichter in Tettnang urteilt über Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz in Friedrichshafener Uferbereichen
FRIEDRICHSHAFEN/TETTNANG – Über mehrere Bußgeldeinsprüche wegen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz und der Allgemeinverfügung der Stadt Friedrichshafen im März und April hat das Amtsgericht Tettnang am Freitagnachmittag entschieden. Über Wochen hatte die Stadt für beliebte Treffpunkte in Uferabschnitten den Aufenthalt untersagt, so im Bereich der östlichen Uferstraße, in den Uferanlagen, auf dem Freizeitgelände in Manzell und dem Fischbacher Fildenplatz.
Die alleinerziehende Mutter von drei Kindern versteht nicht, was ihr da auf der östlichen Uferstraße zwischen dem Ruderclub-Gelände und
TRAUERANZEIGEN der Brücke Richtung Ried widerfahren ist. Sie wollte endlich wieder einmal mit ihren Sprösslingen an die frische Luft und spazieren gehen.
Doch ihr Nachwuchs blieb nicht auf dem Weg, was erlaubt gewesen wäre. Er rannte über die Wiese und zum See, wo sich die Kinder etwa 15 Minuten aufgehalten hatten. Sie folgte ihnen, machte ein paar Fotos. Dass sie sich dort nicht aufhalten durfte habe sie nicht gewusst, sagt sie Richter Oliver Kovatschewitsch. Sie habe zwar die Absperrbänder um die Bänke gesehen und sich nicht hingesetzt (im Gegensatz zu den dort Bier trinkenden Personen), aber kein Verbotsschild für den Uferbereich. Auch an den Bäumen keinen Hinweis über das Aufenthaltsverbot, was möglich
Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. gewesen wäre, wie sie sagt. Sie habe sich nichts dabei gedacht, als ihre Kinder über die Wiese tollten.
Ihren in dieser Zeit (bis zum 19. April) verbotenen Aufenthalt sahen zwei Corona-Streife laufenden Polizeibeamte und belegten sie mit einem Bußgeld über 100 Euro. Vor Gericht widersprach die Polizeibeamtin der Einlassung der Mutter, es seien keine Verbotsschilder aufgestellt gewesen, die den Aufenthalt auf öffentlichen Spiel- und Bolzplätzen und Freizeitgeländen untersagten. Und gerade in einem Bereich habe sich die Frau mit ihren Kindern befunden.
Das sah der Richter nicht so eindeutig. Er stellte das Verfahren ein und gab der Stadtverwaltung mit auf
Psalm 23,1 den Weg, ihre künftige Allgemeinverfügung auf eine andere Rechtsgrundlage zu stellen. Der Frau gab er den Rat, künftig zu schauen was erlaubt sei.
In einem weiteren Fall wehrten sich eine Frau und deren Freund gegen einen ebensolchen Bußgeldbescheid, gegen den auch sie Einspruch eingelegt hatten. Die beiden Ortsfremden hatten auf der Durchfahrt auf dem Fischbacher Fildenplatz Halt gemacht, waren dort spazieren gegangen, ehe man wieder den Rückweg antrat, da es der mit gesundheitlichen Einschränkungen kämpfenden Frau übel und sie immer kurzatmiger wurde.
Sie, die eine Herz-OP hinter sich und eine weitere vor sich hat, hatte sich zum Ausruhen auf einen der großen Steine neben der Hafeneinfahrt gesetzt, als eine Corona-Streife auf sie zukam, um ihr und ihrem Partner mitzuteilen, dass der Aufenthalt in diesem Bereich untersagt und ihr Verhalten eine Ordnungswidrigkeit ist.
„Ich komme nicht von hier und habe nicht gewusst, dass man hier nicht sitzen darf “, habe sie der Polizistin gesagt, betonte die Frau vor Gericht. „Warum haben Sie ihr nichts von Ihrer Krankheit gesagt?“In diesem Fall hätte die Beamtin sicher Verständnis gehabt, und es hätte kein Bußgeld gesetzt, bedeutete ihr der Richter.
Die Einlassung des Paares, sie seien von den Polizeibeamten bestraft worden, die am Ufer auf ausgebreiteten Decken liegenden Personen auf dem Gelände aber unbehelligt gelassen, konnte die Polizistin nicht nachvollziehen. Die Streife erinnerte sich an solche Personen nicht.
Richter Oliver Kowatschewitsch sah erneut Probleme mit der städtischen Allgemeinverfügung – weil den Fildenplatz nicht als darunter fallenden Verbotsbereich. Das Gericht entschied auch hier auf Einstellung des Verfahrens, womit die Einsprecher zwar um die Verfahrenskosten herumkommen.
Das Bußgeld in Höhe von 100 Euro müssen sie jedoch bezahlen. Schwacher Trost: In Ravensburg fängt das dortige Landratsamt mit Corona-Bußgeldern bei 200 Euro an.