Merkel spricht bei Lindauer Friedenstagung
In der Inselhalle steht die Zentrale für eine digitale Tagung mit mehr als 600 Teilnehmern in aller Welt
LINDAU - Ein außergewöhnliches Format in Corona-Zeiten und im Mittelpunkt die Inselhalle Lindau: Eine Tagung mit mehr als 600 Teilnehmern, die sich aus aller Welt digital treffen. Mit dabei sind Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und UNGeneralsekretär Antonio Guterres.
Merkel spricht ein Grußwort zur Eröffnung der ersten Versammlung über Frauen, Glauben und Diplomatie, die am Dienstag in Lindau begonnen hat. Aus Termingründen hat die Kanzlerin es in ihrem Büro in Berlin aufgezeichnet. Das fällt aber keinem Teilnehmer auf, denn die sind nicht in der Inselhalle, sondern sehen die Botschaft daheim. Ebenso die Reden von Guterres und Vertretern verschiedener Religionsgruppen, die sich live aus Japan, Saudi-Arabien oder Nigeria zu Wort melden. Denn wegen Corona findet diese Tagung komplett digital statt.
Einig sind sich alle Verantwortlichen, dass das Thema „Frauen, Glauben und Diplomatie“unter dem Motto „Keeping Faith, Transforming Tomorrow – Den Glauben bewahren, das Morgen verwandeln“überaus wichtig ist. Denn Friedensprozesse sind erfolgreicher, wenn Frauen eine wichtige Rolle spielen. So betont Kanzlerin Merkel in ihrem Grußwort: „Wir wissen: Frieden ist nur dann nachhaltig, wenn Frauen am Friedensprozess beteiligt sind.“
UN-Generalsekretär Guterres hofft auf eine Zukunft, in der Glaube und Feminismus untrennbar sind. Michelle Müntefering, Staatsministerin für internationale Kulturpolitik, warnte vor Bestrebungen, Frauenrechte zurückzudrängen. Dagegen müssten sich weltliche und religiöse Organisationen stemmen: „Religion und Chancengleichheit sind kein Widerspruch, sondern sollten Hand in Hand gehen.“
Margot Käßmann, frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), erklärt, Frauen setzten Macht anders ein als Männer. Sie bemühten sich um Transparenz und wollten überzeugen. „Und trotzdem sind Frauen in Führungspositionen weiterhin in der Minderheit.“Das müsse sich ändern. Azza Karam, vor einem Jahr in Lindau gewählte Generalsekretärin von Religions for Peace, ergänzte, das Geschlecht bestimme nicht die Führungskompetenz. Frauen und Männer sollten gemeinsam führen, das stärke die Gesellschaft.
Sarah van Bentum hat für die Lindauer Stiftung Friedensdialog im Kontakt mit Religions for Peace in New York die Tagung inhaltlich vorbereitet. Es gebe zwar viele Frauenkonferenzen zu Frauenthemen, doch das Besondere dieser Tagung sei, dass Frauen und Männer gemeinsam reden. Sie hofft, dass das Treffen der Diplomatie neue Wege eröffnet, um im Krisenfall mit der Hilfe von Frauen Lösungen zu finden.
Wie wichtig das nicht nur in entfernten Teilen der Welt ist, spricht Merkel an, die die islamistischen Terroranschläge in Frankreich, Wien und Dresden erwähnt: „Die Ereignisse der letzten Zeit zeigen eindrücklich, wie wichtig auch der Dialog zwischen den Religionen ist. Wir dürfen Extremisten keinen Raum lassen, die in ihrer menschenverachtenden Verblendung Religion dazu missbrauchen, Zwietracht zu säen und unser friedliches Zusammenleben zu untergraben.“
Bedauerlich ist aus Sicht der Veranstalter vor allem, dass dieses Format keine direkte Beteiligung der Lindauer zulässt. Allerdings kann jeder die Veranstaltung im Netz verfolgen. Und die Lindauer und andere Menschen der Region sind aufgerufen, am Mittwoch ab 18.30 Uhr Kerzen ins Fenster zu stellen, um die Friedensarbeit von Frauen in aller Welt zu würdigen. Wer seine Kerze fotografieren und das Bilder unter den Hashtag #rfppeacelight in sozialen Netzwerken veröffentlicht, trägt zu einem Zeichen des Friedens bei.
Bis Freitag laufen Vorträge und einige Diskussionen im Livestream: https://wfd2020.ringforpeace.org