Kunst, die Fragen aufwirft
Galerie Schloss Mochental zeigt Arbeiten von Cordula Güdemann und ihren Studenten
MOCHENTAL - Museen sind wie Theater und Konzerthäuser auch Bildungseinrichtungen. In Zeiten von Corona werden sie jedoch zu den „Freizeitaktivitäten“gezählt – und geschlossen. Sicherheitskonzepte hin oder her. Um nicht in Vergessenheit zu geraten, öffnen manche Häuser wie das Zeppelin Museum in Friedrichshafen an Samstagen ihren Museumsshop. Anders sieht es mit Galerien aus. Sie gehören zum Einzelhandel und dürfen deswegen nach wie vor geöffnet bleiben. Eine der größten in der Region BodenseeOberschwaben ist die Galerie Schrade in Schloss Mochental nahe Ehingen. Dort sind derzeit Arbeiten der Kunstprofessorin Cordula Güdemann und ihrer Studenten aus 25 Jahren zu sehen. Eine enorm vielseitige Ausstellung, die einen Ausflug lohnt, zumal das ganze Schloss bespielt wird.
Malerei als Haltung – das ist Cordula Güdemann auch als Professorin an der Stuttgarter Akademie wichtig. Ihre Klasse ist seit vielen Jahren Anlaufpunkt für junge Künstler aus aller Welt, besonders aus Asien. „Die Studierenden aus dem Ausland“, sagte Güdemann einmal, „vor allem die, die aus einer ganz anderen Kultur kommen, nehmen viel auf sich, weil sie hier ihre künstlerische Arbeit weiterentwickeln wollen.“Mehr noch aber war und ist Güdemann (1955 im badischen Wehr geboren) an den Wechselwirkungen interessiert. Nach über 25 Jahren beispiellosen Engagements für ihre Studierenden
wird sie 2021 ihre Lehrtätigkeit beenden.
In den neuen Gemälden Cordula Güdemanns, die in Schloss Mochental in der Kapelle und im Erdgeschoss hängen, verschlingt die Farbe alle Figuration. Ein wogendes Meer in Rottönen entsteht, alles ist in Aufruhr. Hier und da blitzen Figuren und Gegenstände auf, um im nächsten Moment wieder im Farbstrudel verschlungen zu werden. Fast gewinnt man den Eindruck, dass Güdemann gegen eine Welt im Ausnahmezustand ankämpft. Ruhiger ist ihre Pinselführung lediglich in kleinformatigen Farbfeldmalereien.
Die Künstlerinnen und Künstler der Klassen Güdemann arbeiten mit unterschiedlichen Medien. Sogar ein Fotograf ist darunter. Der zentrale Ausdrucksträger bleibt allerdings die Malerei. Gegenstand, Figur und Landschaft, Erinnerungen und Gesehenes sind Ausgangspunkt für eine eigenständige Bildsprache. Es sind figurative, gestische sowie abstrakte Positionen zu sehen. „Sogar ein Hauch von Politisierung ist zu entdecken“, sagt Galerist Ewald Schrade.
Beim Menschenbild nimmt Alessia Schuth am deutlichsten die feminine Seite ins Visier. In fragilen Thermoplast-Figuren beschäftigt sie sich mit dem weiblichen Körper. Die mit einer Art Heißklebepistole in die Luft modellierten Skulpturen durchdringen den Raum und sind zugleich so transparent wie die Vogelkäfige in „Rand-Nah“.
Der gebürtige Äthiopier Nigatu Tsehay Molla ist von der Flüchtlingsthematik
so stark geprägt, dass er eine Welt der Gestrandeten, der Versehrten erschaffen hat. In seinen Bildern macht er klar, dass es hier um kein afrikanisches, sondern um ein humanitäres Problem geht. Ob die Anleihen an Max Beckmann eher gewollt sind oder nicht, bleibt offen. Figurativ-expressiv arbeitet auch sein Landsmann Tesfaye Urgessa. Er gehört zu den Senkrechtstartern der Güdemann-Klasse. Seine Frauen und Männer wirken hölzern wie Marionetten auf der Bühne, die er wie ein Regisseur eindrucksvoll in Szene setzt.
Die Corona-Krise brachte in Bezug auf die Tierhaltung und -schlachtung zu Tage, was längst bekannt war, aber keiner wahrhaben wollte. In Verbindung mit der Ausbeutung der Arbeiter, die sich reihenweise mit dem Virus infizierten, war der Aufschrei in der Gesellschaft entsprechend groß. Jinjoo Lee aus Südkorea thematisierte schon vor diesen Ereignissen den brutalen Umgang mit der Kreatur. In „Zum Hof“etwa werden Schweine in einer idyllischen Berglandschaft in eine Scheune getrieben. Über allem schwebt ein Schild mit „Peking Express - 24 hours open“.
Ganz anders tritt Stefan Knaus auf. Mit kindlicher Freude entwirft er mit Blei- und Filzstift Menschmaschinen und Maschinenmenschen, Tierroboter und technische Geräte. Dabei verbindet er die Frage über die Fremdbestimmung menschlichen Lebens mit comicartigen Elementen.
Welche magischen Welten entstehen, wenn sich Fernöstliches mit der deutsche Romantik verbindet, zeigt wiederum der Chinese Xianwei Zhu. Er ist mittlerweile für seine Landschaften bekannt, die sich „zwischen dem inhaltsleeren Naturbild asiatischer (Tusch)-Malerei und der symbolischen Seelenlandschaft eines Caspar David Friedrich lokalisieren lässt“, schreibt Günter Baumann treffend im Katalog.
Ein letztes Beispiel noch: Der Inklusionskünstler Friedrich Zirm nimmt in der Güdemann-Klasse eine besondere Stellung ein. Er macht sich zum Kunstobjekt und seinen Rolli zum Medium. Mit eisernem Willen, der sich über den gelähmten Körper hinwegsetzt, schafft er fragile Zeichnungen und drastische Installationen.
Was die 22 Künstlerinnen und Künstlern eint? Sie stellen die gewohnte Wahrnehmung infrage – mal sanft, mal witzig, mal radikal. „Dabei geht es nicht einfach um Narration, sondern es geht ihnen darum, ihre Motive und Themen so ins Bild, in die Zeichnung, in die Objekte, in den Raum zu bringen, dass sie möglichst viel assoziieren und Fragen aufwerfen“, erklärt Cordula Güdemann in einem Katalogbeitrag. Eine Ausstellung ist also mehr als nur ein Freizeitspaß. Und ohne Kunst ist die Welt eindeutig ärmer.
Die Ausstellung in Schloss Mochental wird bis 22. November verlängert. Öffnungszeiten: Di.-Sa. 13-17 Uhr, So. und Fei. 11-17 Uhr. Café und Besenmuseum sind geschlossen.