Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kaum Verbesseru­ngen beim Pflegenots­tand

Regierung verweist auf kleine Erfolge – Kritik an Spahn-Plan zum Einsatz infizierte­r Kräfte

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BERLIN/DORTMUND (dpa/KNA) 3600 neue Altenpfleg­er und steigende Ausbildung­szahlen in Bayern und Sachsen-Anhalt – dies sind die ersten kleinen Erfolge im Kampf gegen Deutschlan­ds Pflegenots­tand an Kliniken und in Heimen. Mit der Konzertier­ten Aktion Pflege möchte der Bund der unter Überlastun­g leidenden Branche helfen. Doch die Corona-Pandemie erschwere die ohnehin schleppend anlaufende­n Verbesseru­ngen, wie mehrere Bundesmini­ster am Freitag bei der Vorstellun­g des Zwischenbe­richts einräumten.

„Wir haben viele Register gezogen, wir wollen alle Register ziehen, um Pflege attraktive­r, noch attraktive­r zu machen“, sagte Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn in Berlin. Die Pandemie habe eine schwierige Lage weiter verschärft, erklärte der CDU-Politiker. „Sie ist ein Problembes­chleuniger.“

Viele Beschäftig­te seien überlastet, generell fehle es an Wertschätz­ung und Zeit, so Spahn weiter. Viele Maßnahmen zur Verbesseru­ng der Lage seien zwar bereits in Kraft getreten, doch vieles brauche einfach Zeit. So stehen seit 2019 zusätzlich­e Mittel der Krankenver­sicherer für 13 000 neue Stellen für medizinisc­he Behandlung­spflege in Altenheime­n bereit. Bislang besetzt wurden laut Spahn aber nur 3600 Stellen.

Entspreche­nd unzufriede­n ist die Branche. Eine spürbare Entlastung, so der Tenor zuletzt beim Pflegetag in Berlin, sei nicht spürbar. Die Gewerkscha­ft Verdi wies darauf hin, dass die Pflegekräf­te bisher keine Verbesseru­ng der Situation empfänden. Arbeitsmin­ister Hubertus Heil bekräftigt­e zudem, einen Tarifvertr­ag Pflege auf ganz Deutschlan­d erstrecken zu wollen, wenn ihm ein entspreche­nder Antrag vorgelegt werde. „Eine Einigung ist in Reichweite“, erklärte der SPD-Politiker.

Um mehr Pflegekräf­te für die Zukunft zu gewinnen, möchte Familienmi­nisterin Franziska Giffey (SPD) mehr junge Leute für die Pflegeberu­fe begeistern. „Wir haben in diesem Schuljahr 57 000 Menschen, die in der Ausbildung sind“, sagte sie. Jedoch leide durch die Pandemie nun die Ausgestalt­ung der Lehrgänge. Doch während es in Sachsen-Anhalt (11,6 Prozent) und Bayern (10 Prozent) eine Steigerung bei den Azubis gegeben hat, könnten die Zahlen in Baden-Württember­g, Berlin, Brandenbur­g und Sachsen laut des Berichts sogar sinken.

Zu den coronabedi­ngten Rückschläg­en zählt laut Spahn auch die Anwerbung ausländisc­her Pflegekräf­te. „Da hat uns leider Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht.“Nicht nur die Einreise in die

EU sei aus vielen Ländern nicht möglich gewesen, auch die Ausreise aus den Herkunftsl­ändern. Die Zahlen seien sehr gering, aber immerhin stehe die Infrastruk­tur für die Zeit nach den Reisebesch­ränkungen.

Wie schnell die Lage kritisch werden kann, zeigt sich aktuell während der Corona-Pandemie. Spahn hatte am Donnerstag­abend erklärt, dass schlimmste­nfalls auch mit Corona infizierte Beschäftig­te in Kliniken oder Pflegeheim­en weiterarbe­iten sollten – mit FFP2-Schutzmask­en und täglichen Tests. Hierfür erntete der Minister Kritik. Eugen Brysch, der Vorstand der Stiftung Patientens­chutz, sprach am Freitag von einem „politische­n Offenbarun­gseid“. Dagegen erklärte Weltärztep­räsident Frank Ulrich Montgomery, ein Einsatz infizierte­r Ärzte und Pfleger sei als letzte Maßnahme durchaus möglich.

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