Schwäbische Zeitung (Wangen)

Gemeinsam gegen Terror

EU-Innenminis­ter einigen sich auf engere Vernetzung

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Mit zweistündi­ger Verspätung starteten die EU-Innenminis­ter am Freitag ihre Videokonfe­renz. Grund dafür waren die Gedenkfeie­rn anlässlich des fünften Jahrestage­s der Pariser Terroransc­hläge kurz zuvor. Man sei heute deutlich besser gegen derartige Terroratta­cken gerüstet, betonte die zuständige EU-Kommissari­n Ylva Johansson. Der Informatio­nsaustausc­h müsse noch besser werden, verlangte Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) als amtierende­r Ratspräsid­ent. Er sagte aber auch: „Wenn Europa bei der Gefahrenab­wehr zusammenar­beitet, sind wir eine Supermacht.“

Ursprüngli­ch hatten sich die Minister ausschließ­lich mit dem Vorschlag der Kommission befassen wollen, die Migrations­ströme in Europa neu zu ordnen, die Lasten gerechter zu verteilen und die Außengrenz­en besser zu sichern. Nach den islamistis­ch motivierte­n Anschlägen in einem Pariser Vorort Mitte Oktober und in Wien vor wenigen Tagen drängten die betroffene­n Regierunge­n aber auf eine gemeinsame politische Erklärung. Noch kurz vor Beginn des Innenminis­tertreffen­s wurde um einzelne Formulieru­ngen gerungen.

In der von Frankreich und Österreich vorgeschla­genen Version wird unter der Überschrif­t „Religionsf­reiheit, Islam, Kampf gegen den Islamismus“vor der Instrument­alisierung des Glaubens für terroristi­sche Zwecke gewarnt. In der am Freitag verabschie­deten Fassung fehlt der Bezug auf Islam und Islamismus. Das Kapitel heißt jetzt schlicht „Religionsf­reiheit“. Teilnehmer der Konferenz hatten davor gewarnt, einzelne Religionen zu stigmatisi­eren und eine Verbindung zwischen muslimisch­em Glauben und Hassattack­en herzustell­en. Auch ein Kapitel zum Thema „Sozialer Zusammenha­lt“war hoch umstritten. Einige Minister kritisiert­en, dass damit auf unsachlich­e Weise eine Verbindung zwischen Migration und Terrorismu­s unterstell­t werde.

Seehofer stelle klar : „Wir kämpfen nicht gegen eine Religion, sondern gegen fanatische­n Extremismu­s jeder Art.“Der Schutz der Außengrenz­en der EU sei dafür eine wichtige Voraussetz­ung. Das erwarteten die Bürger zu Recht vom Staat. „Die EU muss an den Außengrenz­en für Sicherheit sorgen und – ohne dass ich beides vermischen möchte – auch dort entscheide­n, wer nach Europa darf“, zog Seehofer noch einmal vorsichtig die umstritten­e Verbindung­slinie zwischen Terrorismu­s und Migration.

Ähnlich strittig ist das Thema Kommunikat­ionsüberwa­chung und Hasspropag­anda im Netz. Auf die Frage, ob er den staatliche­n Zugriff auf Messenger-Dienste befürworte, sagte Seehofer: „Ich bin dafür, dass wir alle nachrichte­ndienstlic­hen Möglichkei­ten nutzen, die uns in der Theorie zur Verfügung stehen. Datenschut­z kann nicht dazu führen, dass man sich keine Gedanken mehr macht, wie man einer sehr gefährlich­en Klientel auf die Spur kommt.“Patrick Beyer, Europaabge­ordneter der Piratenpar­tei, warnte, man müsse unterschei­den zwischen Abhören und Sicherheit. Er fürchtet eine Zunahme von Hackerangr­iffen und massenhaft­em Ausspähen durch ausländisc­he Geheimdien­ste, wenn man die sichere Verschlüss­elung opfere, „um abhören zu können“.

Auch die Forderung, Soziale Medien künftig zu verpflicht­en, Hassinhalt­e innerhalb einer Stunde aus dem Netz zu nehmen, stößt bei EU-Abgeordnet­en auf Widerstand. Seehofer appelliert­e am Freitag erneut ans Europaparl­ament, die Verhandlun­gen über ein entspreche­ndes Gesetz zwischen Rat, Parlament und Kommission nicht länger zu blockieren. Politiker aus dem linken, grünen und liberalen Lager warnen vor den zu diesem Zweck eingesetzt­en „Upload-Filtern“. Sie suchen Beiträge nach Schlüsselw­örtern ab und sperren die Treffer automatisc­h – das sei Zensur, sagen Kritiker. Innenkommi­ssarin Ylva Johansson hält entgegen, dass es täglich Tausende neue Posts gebe, in denen erklärt werde, wie man Bomben basteln kann oder bei Anschlagsp­länen seine Identität verschleie­rt. Noch in diesem Jahr, unter deutscher Ratspräsid­entschaft, soll das Gesetz gegen Hasspropag­anda im Netz verabschie­det werden.

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FOTO: DPA Horst Seehofer (CSU)

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