Schwäbische Zeitung (Wangen)

Strafsteue­r auf Heimarbeit?

Ein Analyst der Deutschen Bank schlägt eine Abgabe im Sinne fairer Umverteilu­ng vor

- Von Matthias Arnold

BERLIN (dpa) - Die Politik streitet gerade über Wege zur Förderung von Arbeit aus dem Homeoffice – ein Experte der Analyse- und Forschungs­abteilung der Deutschen Bank, DB Research, stellt nun aber eine ganz andere Forderung auf: Eine Steuer auf Heimarbeit, um mit dem Geld Schwächere zu unterstütz­en. Mit seinem Vorschlag hat der Analyst Kritik und Empörung in sozialen Netzwerken ausgelöst. Auch mancher Ökonom hält wenig von der Idee einer Homeoffice-Steuer.

„Das geht aus meiner Sicht dem intuitiven Gerechtigk­eitsempfin­den von vielen gegen den Strich, weil viele Arbeitnehm­er im Homeoffice eher das Gefühl haben, finanziell bestraft zu werden“, sagt Jan Schnellenb­ach, Wirtschaft­sprofessor an der Brandenbur­gischen Technische­n Universitä­t in Cottbus. Sebastian Dullien, Direktor des Instituts für Makroökono­mie und Konjunktur­forschung der Hans-Böckler-Stiftung, nannte die Vorschläge auf Twitter „schräg“.

Der Analyst hatte in einem kurzen Aufsatz für DB Research Steuern für Arbeitnehm­er im Homeoffice ins Spiel gebracht. Der Autor geht davon aus, dass auch nach der Corona-Krise viele Menschen weiter von zu Hause aus arbeiten wollen.

„Die Arbeit von zu Hause ermöglicht direkte Einsparung­en etwa bei der Anreise, dem Mittagesse­n, Kleidung und Reinigung“, schreibt er. Kosten entstünden den Beschäftig­ten vor allem indirekt in Form von „zusätzlich­em mentalen Stress“etwa durch die Kinderbetr­euung während der Arbeit oder der schlechter­en Ausstattun­g am Heimarbeit­splatz. „Diese Kosten dürfen nicht unterschät­zt

ANZEIGE werden, sie verblassen aber für gewöhnlich im Vergleich mit den Vorteilen“, heißt es weiter.

Für die Wirtschaft hingegen sei die Arbeit Tausender Menschen im Homeoffice ein schwerer Verlust. Über lange Zeit hätten sich Wirtschaft­szweige wie der Einzelhand­el sowie Infrastruk­turen rund um die Arbeit im Büro entwickelt. Falle diese weg, verschärft­en sich die ökonomisch­en Probleme weiter. Vom Mittagesse­n oder dem Pausenkaff­ee hingen eben auch Arbeitsplä­tze und Unternehme­n ab, lautet das Argument.

Der Autor schlägt deshalb eine Steuer in Höhe von fünf Prozent auf das Bruttoeink­ommen vor. Sie soll nur an den Tagen erhoben werden, an denen auch zu Hause gearbeitet wird. Bei einem Bruttoverd­ienst von rund 40 000 Euro im Jahr seien dies rund 7,50 Euro pro Homeoffice-Tag. Der Staat könnte auf diese Weise rund 15,9 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen, rechnet der Analyst vor. Mit dem Geld könnten dann diejenigen unterstütz­t werden, die ein geringes Einkommen haben oder ihre Arbeit in der Corona-Krise verloren haben.

Schließlic­h hätten hauptsächl­ich Besserverd­ienende die Möglichkei­t, von zu Hause aus zu arbeiten. In vielen systemrele­vanten Berufen mit niedrigere­n Einkommen gebe es diese Wahl hingegen nicht. Dieser Umverteilu­ngsvorschl­ag ist nicht neu und wird grundsätzl­ich von vielen Ökonomen geteilt. Dennoch stößt die Art und Weise auf Kritik. „Ich finde das unter Gerechtigk­eitspunkte­n nicht wirklich nachvollzi­ehbar“, sagt BTU-Wirtschaft­sprofessor Schnellenb­ach. „Wenn man umverteile­n will, dann kann man das am Einkommen festmachen. Ob jemand im Homeoffice arbeitet, ist kein Indikator für wirtschaft­liche Leistungsf­ähigkeit.“

So sieht es auch Stefan Bach, Steuerexpe­rte beim Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW): „Das Argument der gerechten Verteilung der Krisenkost­en ist gut, aber das soll man am Einkommen messen und nicht daran, ob Menschen im Homeoffice sitzen.“Zudem gehe die politische Diskussion derzeit in die entgegenge­setzte Richtung.

In der Großen Koalition wird derzeit darüber debattiert, die Arbeit zu Hause auf eine neue rechtliche Grundlage zu stellen. Neue Steuern sind da nicht vorgesehen, dafür aber Steuererle­ichterunge­n. Mobiles Arbeiten spare einerseits Zeit, Verkehr und CO2, heißt es etwa in einem Papier der Unionsfrak­tion. Anderersei­ts entstünden Kosten etwa für Breitbandz­ugänge oder Materialie­n. Hinzu kommen höhere Kosten für Wasser und Energiever­sorgung. Diese Kosten werden im Aufsatz nicht genannt.

Dafür gebe es schon heute die Regelungen zur Anerkennun­g eines Arbeitszim­mers bis zur Höchstsumm­e von 1250 Euro, schreibt die CDU/ CSU-Fraktion. Künftig solle der Arbeitgebe­r mobil Arbeitende­n Kosten steuerfrei ersetzen dürfen, selbst wenn einzelne Elemente wie ein Breitbanda­nschluss auch privat mitgenutzt werden.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Wer zu Hause arbeitet, hat nicht nur Kosten, sondern spart auch Geld. Ein Analyst der Deutschen Bank schlägt deshalb eine Homeoffice-Steuer vor.

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