Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die Corona-Odyssee der Familie Schilling

Seit 7. Oktober befinden sich die Niedersont­hofener fast durchgängi­g in Isolation

- Von Bastian Hörmann

WALTENHOFE­N - Eine regelrecht­e Corona-Odyssee hat Familie Schilling aus Niedersont­hofen hinter sich. Und ein Ende scheint noch nicht in Sicht: Seit mehr als fünf Wochen befindet sich die Familie fast durchgehen­d in Isolation. Mal auferlegt, mal selbstgewä­hlt, mit wachsender Unsicherhe­it. Denn nachdem der infizierte Vater Kilian zwischenze­itlich negativ getestet worden war, brachte ein eher zufälliger weiterer Test die Familie wieder in Quarantäne: Er war scheinbar doch noch nicht wieder gesund. Mittlerwei­le will die Familie nur noch eines: Normalität. Wie auch immer die aussehen mag.

„Klar ist die Quarantäne nervig, aber das geht schon. Mir geht es um unsere Tochter“, sagt Vater Kilian Schilling, der niemandem einen Vorwurf machen möchte. Doch die Fünfjährig­e leide am meisten unter dem Hin und Her. An den vier Tagen, die sie nach dem Negativtes­t des Vaters in den Kindergart­en durfte, hätte die Erzieherin sie kaum wiedererka­nnt. Das sonst selbstbewu­sste Mädchen habe viel geweint und ständig Bestätigun­g gebraucht. Angefangen hat alles am 6. Oktober, als sich Kilian Schilling auf Corona testen ließ. Am nächsten Tag erhielt er aus der Praxis einen Anruf, das Ergebnis sei negativ. Doch noch am Abend erfuhr er, dass das ein Irrtum war: Dann standen Mitarbeite­r des Gesundheit­samts vor seiner Tür und verkündete­n, die Familie müsse sich in Quarantäne begeben – der Vater ist infiziert.

Zwei Wochen später musste er zuhause erneut einen Test machen. Den Abstrich nahm Schilling auf Anweisung der Gesundheit­samtsmitar­beiter selbst ab. Das Ergebnis: negativ, die Quarantäne wurde aufgehoben. „Endlich konnte ich meine Tochter wieder umarmen“, sagt der 31-Jährige, der zuvor versucht hatte, Abstand zu seiner Tochter, dem Baby und seiner Ehefrau zu halten. Weil die Familie sichergehe­n wollte, niemanden anzustecke­n, blieb sie eine weitere Woche in Isolation. Dann ging es für die Fünfjährig­e endlich wieder zu den Freunden in den Kindergart­en.

Doch weil der Vater immer noch schwer atmete, schickte ihn sein Arzt zum Kardiologe­n. Der bestand für den Termin auf einen weiteren Corona-Test. Und der fiel zur Überraschu­ng aller positiv aus. Nach vier Tagen Kita begab sich die Familie erneut in Isolation.

Noch an dem Tag des zweiten Positivtes­ts organisier­te die Familie Tests für Mutter und Tochter. „Wir wollten sichergehe­n, nichts in den Kindergart­en getragen zu haben“, sagt der Vater. Nach aufreibend­en Wochen und der erneuten Schreckens­nachricht saßen Mutter und

Test nach der Quarantäne: Landratsam­tssprecher Michael Läufle geht man davon aus, dass die Zahl der Erreger nach einer Quarantäne auf eine nicht mehr relevante Zahl gesunken ist. Haben Patienten dann seit 48 Stunden keine Symptome, endet die Quarantäne in der Regel. Andernfall­s werde etwa nochmals getestet.

Laut

Ein falsches Testergebn­is? Warum dieser zweite Test bei Schilling negativ ausfiel, darüber

Tochter am Testzentru­m Sonthofen spätabends im Auto und warteten auf ihren Test. Als sich die Autotür öffnete und ein vermummter Mitarbeite­r des Zentrums versuchte, der Fünfjährig­en einen Abstrich abzunehmen, geriet diese in Panik. Nur mit Hilfe der Mutter gelang der Test. Die Folgetage habe sich das Kind nicht getraut, allein in einem Raum zu bleiben, abends sei sie nur im Beisein ihrer Eltern eingeschla­fen, sagt Schilling. Immerhin: Mutter und Tochter könne nur spekuliert werden. Vielleicht war das Ergebnis richtig und Schilling steckte sich erneut an. Vielleicht war es falsch, wofür viele Ursachen in Betracht kämen. Das Testverfah­ren gelte als sehr gut.

So lange in Quarantäne? Zu Quarantäne­zeiten von mehr als zwei Wochen komme es vereinzelt, sagt Läufle. Immerhin habe sich diese nach einer neuen staatliche­n Empfehlung für Haushaltsa­ngehörige verkürzt. (sho/dr) haben sich nicht angesteckt. Die Reaktion der Fünfjährig­en: „Gut, dass der Kindergart­en nicht wegen mir zumachen muss.“

Wie so oft in schweren Zeiten zeigten die vergangene­n Wochen für die Familie Schilling auch Positives: So viele Nachbarn und Freunde haben ihre Hilfe angeboten, dass die Familie manchen absagen musste. Eine Nachbarin ging täglich mit dem Hund Gassi, andere brachten Einkäufe. Und die Kindergart­enfreunde schickten Briefe und eigens gesammelte Kastanien.

Laut Amt sei er zwar noch infiziert, aber nicht mehr ansteckend, sagt Kilian Schilling. Er solle zuhause bleiben, bis seine Symptome abklingen. Noch immer sei er schnell außer Puste, habe Husten und beim Atmen ein „eiskaltes Gefühl“im Hals, als habe er den Mund voll Menthol-Pastillen.

Das restliche Jahr will die Familie Kontakte weitestgeh­end vermeiden. „Nach der ganzen Geschichte wissen wir nicht mehr, was wir glauben sollen“, sagt Schilling. Nur eines ist klar: Ein erneutes Hin und Her zwischen Positiv und Negativ, Quarantäne und deren Aufhebung – das will die Familie nicht noch einmal.

 ?? FOTO: MATTHIAS BECKER ?? Mal negativ, mal positiv: Familie Schilling aus Niedersont­hofen hat eine aufreibend­e Zeit hinter sich. Weil sich die Ergebnisse des Corona-Tests von Vater Kilian Schilling zuletzt widersprac­hen, sind sie verunsiche­rt und wollen zunächst auch weiterhin auf Kontakte verzichten.
FOTO: MATTHIAS BECKER Mal negativ, mal positiv: Familie Schilling aus Niedersont­hofen hat eine aufreibend­e Zeit hinter sich. Weil sich die Ergebnisse des Corona-Tests von Vater Kilian Schilling zuletzt widersprac­hen, sind sie verunsiche­rt und wollen zunächst auch weiterhin auf Kontakte verzichten.

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