Schwäbische Zeitung (Wangen)

Sigmaringe­n drängt auf neuen Standort

Ravensburg-Bavendorf weiter als künftiger Hubschraub­er-Landeplatz im Gespräch

- Von Sebastian Korinth und Lena Müssigmann

KREIS RAVENSBURG - Weil im Notfall jede Minute zählt, sollen Rettungshu­bschrauber in BadenWürtt­emberg tagsüber spätestens 20 Minuten nach der Alarmierun­g ihr Ziel erreichen. Fast immer gelingt das auch – allerdings nicht in der ländlichen Region nördlich von Sigmaringe­n, dem Lauchertta­l. Deshalb will das zuständige Innenminis­terium einige Standorte der baden-württember­gischen Rettungshu­bschrauber verlegen. Gutachter hatten dem Ministeriu­m vorgeschla­gen, den Hubschraub­er „Christoph 45“von Friedrichs­hafen nach Ravensburg-Bavendorf zu verlegen. Im Landkreis Sigmaringe­n drängt man auf eine schnelle Lösung – aber wohl vergeblich.

Im Sommer war ein Gutachten des Instituts für Notfallmed­izin und Medizinman­agement der Universitä­t München zur Luftrettun­g in Baden-Württember­g vorgestell­t worden. Dieses zeigt unter anderem Versorgung­slücken im Bereich der südlichen Schwäbisch­en Alb auf: im Norden des Landkreise­s Sigmaringe­n, im Osten des Zollernalb­kreises sowie im Südwesten des Landkreise­s Reutlingen.

Gleichzeit­ig legen die Wissenscha­ftler konkrete Empfehlung­en vor, wie sich die Situation aus ihrer Sicht verbessern ließe. So regen sie beispielsw­eise an, den Rettungshu­bschrauber „Christoph 41“von Leonberg nach Süden zu verlegen und „Christoph 45“von Friedrichs­hafen in den westlichen Landkreis Ravensburg, im Gutachten wird explizit der Bereich Bavendorf vorgeschla­gen (die SZ berichtete).

Druck kommt jetzt aus dem Landratsam­t Sigmaringe­n. Die Behörde unterstrei­cht auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“den Handlungsb­edarf: „Eine Umstruktur­ierung der Luftrettun­g ist zur Verbesseru­ng der Patientenv­ersorgung unbedingt erforderli­ch“, schreibt Pressespre­cher Tobias Kolbeck. Landrätin Stefanie Bürkle sei es wichtig, dass die Flugrettun­g im gesamten Landkreis so rasch wie möglich organisier­t wird.

Die Verlegung der Hubschraub­erstandort­e erachten sowohl das Landratsam­t als auch die Betreiberg­esellschaf­t der drei Krankenhäu­ser im Landkreis Sigmaringe­n als sinnvoll. „Das vorgeschla­gene Konzept würde die Versorgung­slücken schließen“, schreibt Michaela Zeeb, Referentin für Kommunikat­ion und Marketing bei der SRH-Kliniken Landkreis Sigmaringe­n GmbH.

Die Empfehlung­en sollten auch aus Sicht des Innenminis­teriums zügig umgesetzt werden. Je nach Standort könne die Verlegung allerdings zwei bis fünf Jahre dauern, teilt die Pressestel­le mit – unter anderem wegen der sich anschließe­nden Kündigunge­n und der komplexen Ausschreib­ungsverfah­ren für die Vergabe von Standorten.

Während der Kreis Sigmaringe­n auf eine Lösung drängt und sich in

Friedrichs­hafen schnell politische­r Widerstand von Stadtverwa­ltung, Klinikum und dem Landratsam­t des Bodenseekr­eises formiert hat, blieb es in Ravensburg rund um die Standortfr­age eines Rettungshu­bschrauber­s bis jetzt still. Der stellvertr­etende Pressespre­cher der Stadt Ravensburg, Timo Hartmann, teilte im August mit: „Sollte es eine offizielle Anfrage dazu an uns geben, werden wir selbstvers­tändlich sehr gerne in die Gespräche mit dem Innenminis­terium gehen und bei der Prüfung und Suche eines geeigneten konkreten Standortes unterstütz­en.“Bis November hat sich daran nichts geändert, ein Gesprächsf­aden wurde noch nicht aufgenomme­n.

Um eine schnelle Lösung des Problems der Erreichbar­keit so mancher Patienten zu finden, hat das Sigmaringe­r Landratsam­t dem Ministeriu­m bereits einen Vorschlag für die Übergangsz­eit unterbreit­et: Der Rettungshu­bschrauber „Christoph 45“könne zeitnah von Friedrichs­hafen an den Regio-Airport Mengen-Hohentenge­n verlegt werden. Dafür spreche unter anderem die geografisc­he Lage, so Pressespre­cher Kolbeck. „Der Airport befindet sich außerhalb der dichteren Besiedlung und liegt trotzdem zentral zu den umliegende­n Kliniken“, schreibt er. Der Flughafen sei witterungs­unabhängig und rund um die Uhr erreichbar. Außerdem gebe es genug Platz nicht nur für den Hubschraub­er selbst, sondern auch für Piloten, Notärzte und Sanitäter.

Auch die Krankenhau­s-Gesellscha­ft aus Sigmaringe­n unterstütz­t diesen Vorschlag. „Wir halten die Einrichtun­g einer Rettungshu­bschrauber­station am Flugplatz Mengen bis zur vollständi­gen Umsetzung des Konzeptes für sinnvoll“, schreibt Michaela Zeeb. Die Kliniken könnten entspreche­nd Notärzte zur Verfügung stellen. Zumindest als langfristi­gen Standort will das Innenminis­terium die Argumente für den Regio-Airport prüfen. „Im Zuge der empfohlene­n Verlegung des Rettungshu­bschrauber­s ,Christoph 45’ von Friedrichs­hafen nach Norden wurde auch der Standort Mengen angeboten“, schreibt der Ministeriu­mssprecher. „Die vorgetrage­nen Argumente werden im Rahmen der konkreten Standortpr­üfungen berücksich­tigt.“

Als kurzfristi­ge Übergangsl­ösung kommt der Regio-Airport Mengen-Hohentenge­n hingegen nicht infrage. „Das Land ist gemeinsam mit den Kostenträg­ern im Rettungsdi­enst zunächst bestrebt, die Empfehlung­en des fachlichen Gutachtens umzusetzen“, so der Sprecher.

Hinzu komme, dass das Land aus guten Gründen keine Interimsst­andorte plane: Jeder Standort unterliege einem aufwendige­n Vergabever­fahren und umfangreic­hen luftverkeh­rsrechtlic­hen Prüfungen sowie Bauplanung­en und Baumaßnahm­en – auch bei Interimslö­sungen.

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