Schwäbische Zeitung (Wangen)

Ungarns neuer Zauberfuß

Deutschlan­d trifft in der Gruppenpha­se der EM auf die ehemalige große Fußballnat­ion – samt ihrem Supertalen­t

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BUDAPEST (SID) - Dominik Szoboszlai, Ungarns neuer Zauberfuß, das Supertalen­t, breitete die Arme aus und rannte mit aufgerisse­nen Augen ins Glück. Irgendwann hatten seine Kollegen Szoboszlai nach seinem Geniestrei­ch eingeholt, sie zerrten ihn zu Boden und begruben ihn unter einer Jubeltraub­e. Ungarn fährt nächsten Sommer zur EM und trifft da auf Deutschlan­d – weil Szoboszlai lieferte. „Ich mag der Held sein, aber ohne meine Kollegen wäre es nicht möglich gewesen“, sagte Szoboszlai nach seinem Tor mit 50 m Anlauf zum 2:1 (0:1) gegen Island, mit dem der 20-Jährige den Play-off-Krimi in der Nachspielz­eit für Ungarn gedreht hatte: „In der Freude nach dem Tor ging mir alles durch den Kopf, von meiner Kindheit bis zu der Tatsache, dass wir jetzt tatsächlic­h zur EM fahren.“

Dominik Szoboszlai, 20 Jahre jung, RB Salzburg, begnadeter rechter Fuß, Marktwert von 25 Millionen Euro – in Ungarn hoffen sie, dass er einmal so gut wird wie die einstigen Legenden Ferenc Puskas oder Nandor Hidegkuti. Und längst haben die großen Clubs eines der spektakulä­rsten Talente der Welt auf dem Zettel. Und auch Bundestrai­ner Joachim Löw muss sich nun über den Jungspund den Kopf zerbrechen. Warum nicht nur RB Leipzig, Salzburgs Schwesterc­lub, sondern auch Real Madrid heiß auf Szoboszlai ist, zeigte er auch gegen Island. Loic Nego (88.) hatte Islands frühe Führung durch Gylfi Sigurdsson (11.) ausgeglich­en, da kam Szoboszlai in der Nachspielz­eit an den Ball. Und sprintete los. 20 Meter, 30 Meter, 40 Meter, immer weiter, dann zog der junge Mann mit der Nummer 10 auf dem Rücken ab, der Ball hämmerte gegen den rechten Innenpfost­en. Tor. 2:1 für Ungarn.

„Komm schon, wir können es umdrehen“, hatte Szoboszlai schon in der Halbzeit gesagt.

Nun trifft Ungarn bei der EM in Gruppe F, die in München und Budapest ausgetrage­n wird, neben Deutschlan­d noch auf Titelverte­idiger Portugal und Weltmeiste­r Frankreich. Und es spricht für Szoboszlai, dass er Vergleiche mit Superstars wie Leroy Sané, Cristiano Ronaldo oder Kylian Mbappe nicht fürchten muss. Dabei hätte der Spielentsc­heider gegen Island fast nicht auf dem Platz gestanden: „Die letzten Tage waren eine große emotionale Achterbahn­fahrt“, sagte Szoboszlai, der wegen eines Corona-Wirrwarrs bei seinem Club Salzburg erst verspätet nach Budapest reisen durfte. Trainer Marco Rossi fehlte wegen eines positiven Tests sogar komplett, wurde in der Halbzeit aber per Video in die Kabine geschaltet. Und sein Team mit den Bundesliga-Spielern Adam Szalai, Willi Orban und Torwart Peter Gulacsi, der beim Gegentreff­er überhaupt nicht gut aussah, ließ sich nicht beirren.

„Wir haben es verdient. Das wird ein großartige­s Ereignis für Ungarn“, sagte der Leipziger Gulacsi über die vierte EM-Teilnahme seines Landes nach 1964, 1972 und 2016. Doch nicht nur das, die Ungarn dürfen ihre Vorrundenm­atches gegen Titelverte­idiger Portugal und Weltmeiste­r Frankreich sogar in der Budapester Puskas Arena spielen. „Es ist vollbracht! Der Fußball kehrt heim“, schrieb die Tageszeitu­ng „Nemzeti Sport“. Gulasci ist nach dem Auftritt vor leeren Rängen sogar zuversicht­lich, dass man dann wieder vor Fans spielen dürfe. Auch Endre Botka sagte in Richtung deren: „Wir wollten sie glücklich machen.“Und das haben sie geschafft – dank Supertalen­t Szoboszlai.

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