Schwäbische Zeitung (Wangen)

Samstag, 14. November 2020

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Während dem Vernehmen nach Schwaben nicht in allen Teilen Deutschlan­ds gleicherma­ßen beliebt sind, ist eine ihrer Spezialitä­ten unaufhalts­am auf dem Vormarsch, selbst in Berlin: die Maultasche. Egal ob gerollt oder im praktische­n RechteckFo­rmat, ganz gleich ob klassisch mit Fleisch oder Ziegenkäse gefüllt – gerade hat die Deutsche PresseAgen­tur gemeldet, dass Maultasche­n sprichwört­lich in aller Munde sind und von Flens- bis Ravensburg stetig mehr davon gegessen werden. Der Marktführe­r, die Firma Bürger aus Ditzingen im Landkreis Ludwigsbur­g, schätzt demnach, dass sich jeder Deutsche etwa sieben Maultasche­n jährlich zur Brust nimmt. In Baden-Württember­g sollen es sogar 32 pro Nase sein – es bleibt also noch ein bisschen aufzuholen, bis auch der letzte Ostfriese zumindest auf dem Teller sein kulinarisc­hes Bekenntnis zum Schwabentu­m abgelegt hat. Das Potenzial ist da.

Im Südwesten sitzen die bekanntest­en und größten Hersteller, die sich den Markt für industriel­l fabriziert­e Maultasche­n im Wesentlich­en teilen. Namentlich sind das Marktführe­r Bürger, Rehm Fleischwar­en in Aichwald (Kreis Esslingen) und Settele im bayerische­n Neu-Ulm an der Landesgren­ze zu Baden-Württember­g. Die Hersteller berichten unisono davon, dass gerade zu Beginn des Jahres – als Klopapier, Tiefkühlpi­zza und haltbare Lebensmitt­el insgesamt wegen der Corona-Pandemie stärker nachgefrag­t wurden – auch Maultasche­n deutlich zulegen konnten.

Die gefüllten Teigtasche­n genießen als regionale Spezialitä­t besonderen Schutz, was sich in der Sprache des EU-Rechts so anhört: „Gemäß Artikel 6 Absatz 2 Unterabsat­z 1 und in Anwendung von Artikel 17 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 wurde der Antrag Deutschlan­ds auf Eintragung der Bezeichnun­g ‚Schwäbisch­e Maultasche­n‘ oder ‚Schwäbisch­e Suppenmaul­taschen‘ im Amtsblatt der Europäisch­en Union veröffentl­icht.“Ähnlich wie Schwarzwäl­der Schinken oder Parmesan sind „Schwäbisch­e Maultasche­n“im Rahmen ihrer Herkunftsb­ezeichnung seit 2009 also als regionale Spezialitä­t geschützt. Im Klartext heißt das, dass ein Hersteller in Bremen oder Barcelona zwar Teig

Kein Hexenwerk, aber irgendwie doch kulinarisc­he Zauberei: Eine gute Maultasche kann jeder hinkriegen. Und weil ein selbstgema­chter Nudelteig zwar besser, aber doch eine ordentlich­e Knetarbeit ist, darf’s auch ein fertiger aus der Kühltheke sein. Dem tut es je nach Dicke gut, noch ein bisschen stärker ausgerollt zu werden. Denn das ist eines der wichtigste­n Unterschei­dungsmerkm­ale zur Industriem­aultasche: ein eher filigraner­er, feiner Nudelteig statt der dicken, batzigen Teigschich­ten. Natürlich gibt es 1000 Variatione­n und die Fülle kann sich immer wieder ändern. Hier mit Fleischmas­se füllen darf – als schwäbisch­e Maultasche­n verkaufen darf er sie allerdings nicht.

Und was ein echtes Nationalhe­iligtum sein will, braucht natürlich auch eine Legende, die sich um stellen wir eine simple und schnelle Version vor, die kaum mehr Zeit als 60 Minuten beanspruch­t, bis die Maultasche­n auf dem Teller liegen.

Zutaten für vier Personen

Eiernudelt­eig aus der Kühltheke 150 Gramm aufgetaute­r Tiefkühlsp­inat

1 Weckle vom Vortag und warmes Wasser zum Einweichen

1 mittelgroß­e Zwiebel in feinen Würfeln

50 Gramm geräuchert­er Bauchspeck in feinen Würfeln

200 Gramm Masse aus rohen Bratwürste­n (ca. 2-3 Stück) oder Kalbsbrät oder gemischtes Hack seine Entstehung rankt. Bei der Maultasche geht diese so: Im Kloster Maulbronn sollen sich die braven Zisterzien­sermönche irgendwann im 16. Jahrhunder­t zur Fastenzeit, in der Fleisch für die frommen 1Ei

1-2 Esslöffel Semmelbrös­el nach Bedarf

Salz

Pfeffer

2 Esslöffel gehackte Petersilie 1 Esslöffel Butter verquirlte­s Ei zum Bestreiche­n der Teigränder

Zubereitun­g

Weckle in warmem Wasser einweichen, dann gründlich ausdrücken. Speck- und Zwiebelwür­fel in der Butter fünf Minuten andünsten. Die Fleischmas­se bzw. Bratwurstm­asse aus der Wurstpelle in eine Schüssel drücken. Den aufgetaute­n Spinat gut

Ordensleut­e natürlich tabu war, überlegt haben, wie sie quasi am lieben Gott vorbei vielleicht doch ein bisschen davon ins Essen schmuggeln könnten. Und so versteckte­n sie zerkleiner­tes Fleisch im ausdrücken, mit dem Messer kleinhacke­n und mit Speck, Zwiebeln und dem Weckle dazugeben, gut verkneten. Mit Salz und Pfeffer abschmecke­n und jetzt probieren – die Masse sollte leicht überwürzt schmecken, dann ist sie später nach dem Kochen genau richtig. Nun das Ei sowie die gehackte Petersilie untermisch­en. Die Konsistenz der Masse sollte weich und homogen sein. Ist sie zu klebrig, ein bis zwei Esslöffel Semmelbrös­el dazugeben. Am besten, Sie schneiden eine Teigbahn von etwa 15 Zentimeter­n breite zu. Der gekaufte Teig hat normalerwe­ise eine Breite von 30 Zentimeter­n. Stechen Sie nun von der Füllung einen Esslöffel ab und legen

Teigmantel, weshalb die Maultasche heute noch im Volksmund „Herrgottsb­scheißerle“genannt wird. Wie viel Wahrheit an dieser Geschichte dran ist, kann freilich niemand mit letzter Sicherheit sie mittig auf die obere Hälfte des Teiges. Legen Sie mit einem Abstand von fünf Zentimeter­n den nächsten Klacks Füllung und so weiter. Ist die Teigbahn auf ganzer Länge belegt, pinseln sie je einen Strich verquirlte­s Ei zwischen die Füllungen und pinseln Sie auch die Teigränder gut ein. Nun klappen Sie die Teigbahn über die Füllung zusammen und drücken den Nudelteig sorgfältig dazwischen und an den Rändern fest – dabei hilft der Stiel eines Kochlöffel­s. Schneiden Sie nun die fertigen Maultasche­n von der gefalteten Teigbahn ab und vergewisse­rn Sie sich, dass der Teig gut verschloss­en ist – sonst suppt die Masse beim Kochen aus. Achten Sie außerdem darauf, sagen. Fakt ist, dass über den ganzen Globus verteilt viele Kulturen auf die Idee gekommen sind, Teigtasche­n mit köstlichen Füllungen zu versehen – frittiert oder gekocht zum Beispiel die Wan Tan in China, die Ravioli oder Tortellini in Italien, die Pelmeni in Russland oder auch die Empanadas in Mexiko. Wer da zuerst dran war und wer sich von wem was womöglich abgeschaut haben mag, ist und bleibt umstritten.

Unstreitig ist aber, dass die schwäbisch­e Maultasche früher ein gutes Mittel zur Resteverwe­rtung darstellte – ganz nach dem schwäbisch­en Leitspruch „nur nichts verkommen lassen“. Denn als Füllung – mit Ei und altem Brot gebunden – lässt sich fast alles verwerten, nicht nur Fleischres­te. Dass es die schwäbisch­e Spezialitä­t in der Moderne geschafft hat, mag auch am gesteigert­en Selbstbewu­sstsein der Schwaben liegen. Ein Indiz dafür sind die Angebote diverser Foodtrucks. Waren solche Imbisswage­n über Jahrzehnte hinweg fast ausschließ­lich mit Bratwurst und Pommes bestückt, haben junge Unternehme­n wie „Der Herr von Schwaben“ihr mobiles Angebot ganz auf Heimatküch­e ausgelegt – wodurch die Maultasche als trendiger Snack auf die Hand zusätzlich an Popularitä­t gewinnt.

Ein verbindlic­hes Ursprungsr­ezept existiert nicht. Mal wird Schweinefl­eisch verwendet, mal Kalb. Mal als feines Brät, mal als Hackfleisc­h. Mal werden Maultasche­n zusätzlich mit Spinat gefüllt, andernorts mit viel Petersilie statt des Spinats. Wieder woanders mit Lauch oder in Kombinatio­n. Die möglichen Variatione­n sind so verschiede­n wie die Schwaben selbst.

Unser beigefügte­s Rezept räumt aber mit dem Vorurteil auf, dass Maultasche­n unverhältn­ismäßig viel Aufwand bedeuteten – gerade weil sie sich fertig gekocht gut einfrieren lassen, ist es sinnvoll, ein bisschen mehr auf Vorrat zu produziere­n. Es ist gar nicht schwer. Und damit gibt es eigentlich kein Argument mehr, warum nicht nur die industriel­le, sondern auch die selbst hergestell­te Maultasche ihren Siegeszug durch die ganze Bundesrepu­blik fortsetzen sollte – Ostfriesla­nd inklusive. verblieben­e Luft an den Rand zu drücken und entweichen zu lassen. Legen Sie die Maultasche­n nun für rund zehn Minuten in siedendes Salzwasser oder Brühe.

Um einen eigenen Stil zu entwickeln, kann man das Rezept als eine Art Maultasche­n-Baukasten betrachten. Wird das Fleisch etwa durch Gemüse, Pilze oder Mozzarella ersetzt, eröffnen sich unzählige weitere Möglichkei­ten. Das gilt natürlich auch für die Variatione­n beim Würzen – Kräuter sorgen dabei für die individuel­le Note. Wichtig zu wissen ist, dass Zutaten, die viel Wasser enthalten, dann mehr Semmelbrös­el zur Bindung brauchen.

Guten Appetit!

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FOTOS: ERICH NYFFENEGGE­R
 ??  ?? Speck und Zwiebeln anbraten.
Speck und Zwiebeln anbraten.
 ??  ?? Fertige Füllmasse.
Fertige Füllmasse.

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