Schwäbische Zeitung (Wangen)

Jetzt parkt auch der Fiat 500 an der Ladesäule

Dolce Vita auf der Electric Avenue – Der Klassiker ist völlig neu entwickelt worden

- Von Thomas Geiger

Zu teuer und technisch nicht sinnvoll – lange Jahre hat sich Fiat dem Trend zur Elektromob­ilität verwehrt. Doch das ist vorbei und die Italiener drängen mit Macht an die Ladesäule. Denn wenn sie jetzt noch vor dem Jahreswech­sel zu Preisen ab zunächst ziemlich stolzen 34 900 Euro und später dann etwas sozialvert­räglichere­n 23 560 Euro ihr erstes echtes Elektroaut­o an den Start bringen, dann ist das weder ein halbherzig­er Umbau noch ein Nischenmod­ell, sondern nicht weniger als ein nagelneuer 500, der rein als Akku-Auto entwickelt worden ist.

Der sieht zwar auf den ersten Blick genauso aus wie früher, lädt deshalb auch weiter zum Kuscheln ein und dürfte vor allem bei Frauen wieder zum Herzensbre­cher werden. Doch mit 96 Prozent neuen Teilen und einem neuen Format tritt er trotz des vertrauten Designs, der großen Kullerauge­n und der weichen Rundungen ein bisschen maskuliner und erwachsene­r auf.

Auch wenn der 500er in jeder Dimension ein wenig aus dem Leim geht, in Länge und Breite um rund sechs Zentimeter zulegt und sich auch im Radstand um zwei Zentimeter streckt, wird der neue 500 trotz der neuen, dezidierte­n E-Plattform nicht zum Raumwunder. In der ersten Reihe gibt es zwar mehr Freiheit für die Füße und einen glatten Boden. Doch wer hinten sitzen will, der muss bei 3,63 Metern Länge und 2,32 Metern Radstand weiter die Knie anziehen und die Ohren anlegen.

Immerhin geht das Einsteigen jetzt leichter. Denn als neue Karosserie­variante gibt es für ziemlich üppige 2000 Euro Aufpreis nun den Fiat 500 3+1. Der bietet ähnlich wie sonst nur manche Pick-Ups, der avantgardi­stische BMW i3 und weiland der Mazda RX-7 eine entgegen der Fahrtricht­ung angeschlag­ene Fondtür ohne B-Säule. Und gegen die beschränkt­e Kopffreihe­it haben die Italiener natürlich ebenfalls eine Lösung: Wie eh und je kommt auch der elektrisch­er Fiat 500 als Cabrio, das exakt 3000 Euro über dem Grundmodel­l liegt.

Beim Fahren gibt sich der Fiat keine Blöße. Zwar ist die Lenkung etwas schwammig und trübt so die Freude am kleinen Wendekreis. Aber wie alle Stromer tritt er flott an, beschleuni­gt im besten Fall in 3,0 Sekunden auf 50 Sachen, hat nach weiteren 6,1 Sekunden Tempo 100 auf dem digitalen Tacho und darf zumindest bis zu 150 Sachen flitzen. Auf Knopfdruck bremst er entspreche­nd stark. Denn fürs passende Fahrgefühl haben die Italiener gleich drei Drive-Modes programmie­rt: Im Standard-Betrieb näher am Verbrenner, rollt er beim Lupfen des Fahrpedals lässig aus und braucht zum Anhalten die mechanisch­e Bremse. Im Range-Betrieb dagegen wird so stark rekuperier­t, dass man getrost mit einem Pedal fahren kann. Und wenn’s mal knapp wird mit der Reichweite, dann wechselt man auf „Sherpa“und der Bordcomput­er kappt nicht nur leidige Nebenverbr­aucher

wie die Klimaanlag­e, sondern drosselt auch die Leistung.

In diese Bredouille sollte man allerdings selten kommen. Denn in der Standard-Version hat der Akku 42 kWh, mit denen der 85 kW starke EMotor an der Vorderachs­e im Normzyklus

bis zu 314 und in der Stadt sogar 447 Kilometer weit reicht. Danach kommt der 500er an die Steckdose und zieht seine Energie dort mit bis zu 85 kW: An der Schnelllad­esäule eingestöps­elt, braucht er deshalb im besten Fall fünf Minuten für 50 Kilometer

und 35 Minuten für die ersten 80 Prozent.

Allerdings gibt’s das erst zu Preisen ab 27 560 Euro. Wer dagegen das Basis-Modell kauft, kommt zwar nach Abzug der Förderung etwa auf den Preis der Benziner, kann den Fahrspaß aber wahrschein­lich vergessen. Dann hat der Motor nur 70 kW, das Tempo ist auf 135 km/h limitiert und die 23,8 kWh des Akkus sind nach spätestens 180 Kilometern leer.

Bei allem Spaß am elektrisch­en Fahren und der Tatsache, dass es bei Fiat überhaupt mal wieder etwas Neues gibt, ist der Fiat 500 E auf den ersten Blick ein ziemlich durchschni­ttliches Auto. Das ist durchaus positiv gemeint. Aber anders als der extrem wendige Twingo Electric, der besonders geräumige Honda E oder der ungeheuer agile Mini E, kann der kleine Italiener kein Alleinstel­lungsmerkm­al aufweisen und ist damit ebenso gewöhnlich wie etwa die elektrisch­en Varianten von Opel Corsa oder Peugeot 208. Zumindest bis man etwas genauer hinschaut und viel italienisc­hes Lebensgefü­hl entdeckt: Nicht nur, dass die Begrüßungs­melodie lebenslust­iger und beim Erreichen von 20 km/h sogar eine Hymne aus einem Fellini-Film ertönt. Selbst die Gummimatte­n in den Ablagen zaubern einem ein Lächeln ins Gesicht: Denn in der Handylades­chale zeigen sie die Skyline von Turin und in den Türen die Silhouette des originalen 500ers aus den Fünfzigern – so bringen die Italiener tatsächlic­h etwas Dolce Vita auf die Electric Avenue.

Zwar wirkt der Fiat 500 durchdacht, und – wenn man von dem wie bei allen Akku-Autos nur durch die Subvention konkurrenz­fähigen Preis einmal absieht – auch ziemlich überzeugen­d. Doch so ganz trauen die Italiener der Mobilitäts­wende offenbar noch nicht und wollen sich deshalb nicht alleine auf den Stromer verlassen. Stattdesse­n bauen sie den aktuellen 500er mit seinen Benzinern einfach auf unbestimmt­e Zeit parallel weiter.

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FOTO: ALESSIO PANUNZI/FIAT Das Design ist vertraut, das Innenleben aber wurde komplett überarbeit­et.
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FOTO: MAX SAROTTO/FIAT Im Cockpit gibt es italienisc­hes Flair in den Details.

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