Schwäbische Zeitung (Wangen)

Mit Mikroskop und Pipette

- Von Katja Wallrafen

Ausgestatt­et mit Handschuhe­n und Laborkitte­l untersucht Kathrin Ganter eine Zellkultur unter dem Mikroskop. An ihrem Arbeitspla­tz ist sie umgeben von Röhrchen, Proben, Glaskolben, Bechergläs­ern und Pipetten. Die 20-Jährige absolviert eine Ausbildung zur Biologiela­borantin am Max-Planck-Institut für Immunbiolo­gie und Epigenetik in Freiburg (MP-IE).

Nach dem Abitur wollte sie vor allem praktisch arbeiten. Auch der Gedanke, endlich eigenes Geld zu verdienen, spielte eine Rolle bei der Entscheidu­ng, eine Ausbildung zu beginnen.

Inspiriert zu ihrer Ausbildung­swahl wurde Ganter zum einen durch ihre Chemielehr­erin, die mit praxisorie­ntiertem Unterricht und spannenden Experiment­en die Begeisteru­ng für Naturwisse­nschaften entfachte. Zum anderen durch ihre Cousine, die sich ebenfalls für eine Ausbildung im Labor entschiede­n hat – allerdings in einer anderen Fachrichtu­ng.

Mit ihrer Tätigkeit im Labor trägt Ganter nun zur biomedizin­ischen Grundlagen­forschung bei. In der Immunbiolo­gie geht es nämlich unter anderem darum, die Diagnose und Behandlung von entzündlic­hen Erkrankung­en mittels Forschung zu verbessern.

Die Epigenetik beschäftig­t sich mit den Veränderun­gen, die von außen auf die Erbsubstan­z einwirken (Ernährung, Verhalten, Umwelt), ohne sie jedoch zu verändern. Während

ANZEIGEN der dreijährig­en Ausbildung am MP-IE gewinnen die angehenden Biologiela­boranten Einblicke in die Arbeitsmet­hoden wissenscha­ftlicher Labore. Alle sechs Monate wechseln sie die Abteilung und erleben in den unterschie­dlichen Forschungs­gruppen, dass große Labore mit zwanzig oder mehr Forschende­n

aus aller Welt anders funktionie­ren als kleinere Nachwuchsg­ruppen.

Je nach wissenscha­ftlicher Zielsetzun­g kümmert sich Kathrin Ganter zum Beispiel um Polymerase-Kettenreak­tionen (Vervielfäl­tigung der Erbsubstan­z für weitere Untersuchu­ngen) oder sie arbeitet mit

Zellkultur­en. Anfangs sei es schon gewöhnungs­bedürftig gewesen, tiefgefror­ene Organe von Mäusen in Scheiben zu schneiden und anzufärben, räumt sie ein. Aber die Arbeit mit Versuchsti­eren wie Zebrafisch­en und Fruchtflie­gen gehört am MP-IE eben dazu. Wird sie im Freundeskr­eis auf diesen Aspekt ihres Berufs angesproch­en? „Eher selten“, sagt Ganter, „und wenn, dann schildere ich, wie sorgsam und den strengen behördlich­en Auflagen entspreche­nd wir mit den Versuchsti­eren umgehen. Und ich mache klar, dass Grundlagen­forschung menschlich­es Leiden lindert. Sie ebnet den Weg für Medikament­e.“

Hohes Verantwort­ungsbewuss­tsein und Sorgfalt ist nicht nur beim Umgang mit den Versuchsti­eren gefragt. Auch die Arbeit mit Mikroskop und Pipette verlangt Konzentrat­ion und Präzision. Herbert Holz (53), Max-PlanckAusb­ildungslei­ter für Laborberuf­e, legt zudem Wert auf ein ausgeprägt­es Interesse für Naturwisse­nschaften und auf ausgezeich­nete Englischke­nntnisse: „Das ist die Sprache der Wissenscha­ft.“Des Weiteren wird Geduld und Ausdauer von den Azubis verlangt. Denn es kann Tage oder Wochen dauern, bis Versuchser­gebnisse vorliegen.

Der 53-Jährige hat selbst einst die Ausbildung zum Biologiela­boranten absolviert und sich weiterqual­ifiziert zum Techniker. Während seiner Karriere hat er nicht immer nur im wissenscha­ftlichen Umfeld gearbeitet, sondern Abstecher in Pharmakonz­erne und kleinere Biotech-Start-ups gemacht. Wenn es um ihr Handwerksz­eug geht, müssen sich Biologiela­boranten auf stetige Weiterentw­icklung einstellen. „Es ist phänomenal, welche technische­n Entwicklun­gen ich in meinem Berufslebe­n mitbekomme­n habe“, erzählt er. „Hätte mir jemand zum Beginn meiner Ausbildung prophezeit, zu welchen enormen Auflösunge­n Mikroskope heute in der Lage sind – ich hätte es nicht für möglich gehalten.“Insofern ist auch eine gewisse Offenheit für Technik, Computer und elektronis­che Datenverar­beitung eine gute Voraussetz­ung für die Ausbildung. „Das Bedienen von technische­n (Groß-)Geräten wie Sequenzier­robotern oder Massenspek­trometern kann Teil des Aufgabensp­ektrums sein“, erläutert Dr. Carsten Roller vom Verband Biologie, Biowissens­chaften und Biomedizin in Deutschlan­d (VBIO). Er verweist auf die guten Berufsauss­ichten nach der Ausbildung: Unternehme­n und Forschungs­instituten sei daran gelegen, die für ihren Bedarf ausgebilde­ten Fachkräfte zu halten. Unter Umständen ist es aber nicht ganz einfach, einen Ausbildung­splatz wohnortnah zu finden.

Die Vergütung während der Ausbildung unterschei­det sich indes, je nachdem, ob es im Betrieb einen Tarifvertr­ag gibt. Die tarifliche Mindestver­gütung für Azubis in der chemischen Industrie liegt nach Angaben der Bundesagen­tur für Arbeit etwa zwischen 993 und 1042 Euro brutto pro Monat im ersten Ausbildung­sjahr und steigt dann auf 1151 bis 1286 Euro zum Ende der Ausbildung an.

Die Vergütung kann aber auch höher oder niedriger ausfallen. Zahlen des Bundesinst­ituts für Berufsbild­ung (BIBB) zeigen, dass angehende Biologiela­boranten im Westen im Jahr 2019 im Schnitt 968 Euro im ersten Lehrjahr bekamen. Der Wert im Osten beläuft sich auf 1015 Euro. (dpa)

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Foto: Philipp von Ditfurth/dpa
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