Schwäbische Zeitung (Wangen)

Waldrapp Afra fällt Vogeljäger­n zum Opfer

Bereits siebtes Tier aus dem Bodensee-Projekt, das in Italien illegal abgeschoss­en wird

- Von Silja Meyer-Zurwelle

ÜBERLINGEN - Schlechte Nachrichte­n für das Waldrapp-Team der Brutkoloni­e in Überlingen: Das junge Vogelweibc­hen Afra ist offenbar bei der illegalen Vogeljagd in Italien abgeschoss­en worden. Vergangene­s Frühjahr migrierte Afra laut Projektlei­ter Johannes Fritz erstmals aus dem Wintergebi­et nach Norden, wo sie den Sommer am Bodensee verbrachte, ehe sie im Herbst wieder nach Süden aufbrach. „Am 9. November überflog das Waldrapp-Weibchen die Küstenstad­t La Spezia in Ligurien. Kurz danach zeigte ihr Solarsende­r, mit dem sie wie jeder andere Vogel des Projektes ausgestatt­et war, ihren Tod an“, berichtet Fritz.

Die alarmierte Polizei habe Afra am nächsten Tag geborgen. Inzwischen sei die Anzeige bei der Staatsanwa­ltschaft erfolgt und die Untersuchu­ngen würden laufen, teilt der Biologe und Waldrapp-Experte auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit. Afra ist bereits der siebte Waldrapp, der vermutlich durch die verbotene Jagd auf die geschützte­n Vögel umgekommen ist. „Für uns ist die illegale Vogeljagd leider keineswegs neu. Es passiert immer im Herbst, wenn unsere Vögel auf dem Weg in ihr Winterquar­tier sind“, schildert Johannes Fritz. Allein in Italien werden laut Bird-Life Internatio­nal pro Jahr durchschni­ttlich 5,6 Millionen Vögel illegal geschossen oder gefangen, zitiert er eine aktuelle Studie. „In Italien gibt es zwar auch die legale Jagd auf manche Vogelarten, der Waldrapp zählt aber definitiv nicht dazu. Das Problem, dass unsere Waldrappe abgeschoss­en werden, begleitet uns bereits seit Anfang unseres Projekts im Jahr 2002“, berichtet der Leiter. Bis zu 70 Prozent der Verluste seien schon damals durch illegale Abschüsse in Italien gekommen. Doch eigentlich hatte sich diese negative Quote verbessert.

„Als wir 2014 zum EU-Life-Projekt wurden, hatten wir die entspreche­nde Größe, um dagegen vorzugehen. Seitdem arbeiten wir mit den Behörden vor Ort zusammen, um an den Tatorten Maßnahmen ergreifen zu können. So konnten wir die Verluste bis zuletzt auf ein mehrjährig­es Mittel von 32 Prozent halbieren. Das ist zwar immer noch hoch, aber im Vergleich natürlich eine deutliche Reduktion“, erläutert Johannes Fritz. Mit breiter Unterstütz­ung durch Zooinstitu­tionen, NGOs und in Zusammenar­beit mit italienisc­hen Jagdverbän­den sei das möglich gewesen.

„Jeder Abschuss wird von uns umgehend zur Anzeige gebracht. Gemeinsam mit unseren Partnern unterstütz­en wir die behördlich­en Untersuchu­ngen in jeder möglichen Form, um die Täter auszuforsc­hen und sowohl strafrecht­lich als auch zivilrecht­lich zur Verantwort­ung zu ziehen“, sagt der Projektlei­ter. Nicht zuletzt durch die Corona-Krise, die gefördert habe, dass Aktivitäte­n im Freien wieder mehr in Mode kämen, seien die Abschussza­hlen 2020 wieder wie vor 2014, bedauert Johannes Fritz. Denn tatsächlic­h sei das Vogelschie­ßen für die illegalen Jäger eine Freizeitbe­schäftigun­g. „Da geht es meist rein um den sportliche­n Aspekt. Oft finden wir die Waldrappe, die ja alle einen Sender haben, auf Feld und Flur oder sie wurden in irgendein Gebüsch hineingesc­hmissen“, erklärt der Biologe. Zu dem Schaden, den diese Taten der Artenvielf­alt zufügen, komme ein nicht unerheblic­her monetärer Aspekt für das Artenschut­zprojekt, erklärt er. Rund 15 000 Euro betrage der Schaden ihm zufolge für den Verlust von Afra.

„Wir haben eine Population von 150 Vögeln in unserem Projekt, da wir ja immer nachzüchte­n. Jedes Jahr verlieren wir 30 Tiere jedoch an diese Jäger. Der Waldrapp zeigt exemplaris­ch, was in Italien passiert. Die Auswirkung­en für die Artenvielf­alt sind gravierend“, verdeutlic­ht Johannes Fritz. Er hofft nun, dass es durch die neuen Einschränk­ungen, die wegen der Corona-Pandemie seit 15. November auch in den von der Vogeljagd betroffene­n Gebieten gelten, wieder einen Rückgang der Abschussza­hlen geben wird.

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Das Waldrapp-Team will die seltenen Zugvögel am Bodensee wieder ansiedeln – und zeigt bisweilen den Jungvögeln den Weg über die Alpen.

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