Der Mannschaftsspieler
Antony Blinken soll US-Außenminister werden – Er setzt auf Verbündete in aller Welt
WASHINGTON - Er mag die Musik der Beatles, produzierte Vampir-Filme und sieht die USA als Teamplayer: Antony Blinken, ein langjähriger außenpolitischer Berater des gewählten US-Präsidenten Joe Biden, soll neuer Außenminister werden. Dies berichten US-Medien.
Wie Antony Blinken die Welt sieht, hat er zuletzt im Juli in einem Fernsehinterview skizziert. Es ging um das Verhältnis zu China. Als Erstes, sagte Blinken, müsse man herauskommen aus dem Loch, das Donald Trump gegraben habe. Der amtierende Präsident habe Amerikas Allianzen geschwächt und China damit in die Hände gespielt. Alleine hätten die USA kaum Chancen, den Kurs Pekings etwa in Sachen Menschenrechte zu beeinflussen. „Handeln wir dagegen gemeinsam mit anderen Demokratien, wären das fünfzig bis sechzig Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Dies zu ignorieren würde China viel schwerer fallen“, so Blinken.
Er ist einer jener Strategen, die den Wert multilateraler Kooperation, also der Zusammenarbeit mehrerer Staaten, zu schätzen wissen. Im Kabinett Trumps war diese Denkschule zuletzt nicht mehr vertreten. Insofern steht der neue Außenminister für eine 180-Grad-Wende.
Zudem ist er der klassische Insider, einer, der den Politikbetrieb seit über einem Vierteljahrhundert aus eigener Erfahrung kennt. Und er erfüllt er das wichtigste Kriterium, das ein „Secretary of State“erfüllen muss, will er etwas bewirken: Er hat das Ohr des künftigen Präsidenten. Mit wem immer Blinken verhandelt, seine Gesprächspartner können sich darauf verlassen, dass er die Rückendeckung seines Chefs hat.
Blinken gehört schon so lange zum Kreis der engsten Vertrauten um Biden, dass manche Kolumnisten ihn als dessen Alter Ego beschreiben. Beide sind Pragmatiker. Beide bekennen sich zur Rolle, die Amerika als Ordnungsmacht spielen muss, soll kein globales Vakuum entstehen. Beide betonen zugleich die Grenzen amerikanischer Macht. Im Sommer machte Blinken deutlich, dass man die krassesten Alleingänge Trumps unverzüglich zu korrigieren gedenkt, den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen ebenso wie den aus der Weltgesundheitsorganisation WHO. „Für die großen Probleme, mit denen wir es zu tun haben, sei es der Klimawandel, seien es Pandemien, sei es die Verbreitung schlimmer Waffen, gibt es keine unilateralen Lösungen“, sagte er.
Schon mit seiner Biografie steht der 58-Jährige für den Blick über den nationalen Tellerrand. Große Teile seiner Kindheit und Jugend verbrachte er in Paris, wo sein Stiefvater Samuel Pisar als Rechtsanwalt arbeitete. Pisar hatte die Konzentrationslager
Majdanek, Auschwitz und Dachau durchlitten, er war der Einzige aus seiner Familie, der den Holocaust überlebte. An seinem Pariser Gymnasium soll Blinken, ein Fan der Beatles, gelernt haben, einerseits sein Land mit guten Argumenten zu verteidigen und andererseits Kritik an diesem zu respektieren. Später versuchte er sich in der Kinobranche, unter anderem als Co-Produzent eines Films über Vampire, bevor er in die Politik wechselte. Von 1994 bis 1998 war er einer der Redenschreiber Bill Clintons, von 1991 bis 2001 als persönlicher Assistent des Präsidenten zuständig für die transatlantischen Beziehungen. Danach holte ihn Biden in sein Team.
Als Biden 2009 sein Amt als Vizepräsident unter Barack Obama antrat, wurde Blinken sein Sicherheitsberater, später Vizedirektor des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus. Was Blinken damals mit zu beantworten hatte, war die Frage, ob die USA nach dem Fiasko des Irakkrieges in der arabischen Welt ein zweites Mal militärisch eingreifen sollten, etwa in Libyen oder in Syrien.
Im Falle Libyens gehörte er zu den Fürsprechern einer Intervention. In der Causa Syrien soll er Insidern zufolge hinter den Kulissen versucht haben, den skeptischen Präsidenten Obama zum Handeln zu bewegen. Vor den Kulissen war von der Debatte im Weißen Haus allerdings nichts zu spüren: Blinken ist nicht der Typ, der interne Differenzen öffentlich macht.
Am Montag gab Biden außerdem überraschend die Rückkehr des einstigen Außenministers John Kerry bekannt. Der 76-Jährige soll die Rolle eines Sonderbeauftragten für das Klima im Nationalen Sicherheitsrat des Weißen Hauses übernehmen.