Schwäbische Zeitung (Wangen)

Höhere Gebühren für die Bürger nahen

Wie die Stadt durch die Corona-Krise kommt, was sie tun will – Und welche Risiken 2021 drohen

- Von Jan Peter Steppat

WANGEN - Die Stadt Wangen kommt im laufenden Jahr finanziell besser durch die Corona-Krise als noch im Frühjahr gedacht. Für das kommende Jahr erwartet sie allerdings stärkere Auswirkung­en. Das geht aus dem Etatentwur­f hervor, den die Verwaltung am Montagaben­d dem Gemeindera­t vorgelegt hat. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat vorab mit OB Michael Lang und Kämmerin Yvonne Winder über das Zahlenwerk gesprochen. Die wichtigste­n Fragen und Antworten im Überblick.

Warum kommt die Stadt bislang besser durch die Krise als erwartet?

Das liegt an mehreren Faktoren. Vor allem aber daran, dass Bund und Land bei zugesagten Finanzhilf­en Wort gehalten haben, so der Rathausche­f. Gerade beim Ausgleich wegbrechen­der Einnahmen aus der Gewerbeste­uer. Hier erhielt Wangen aus Berlin und Stuttgart Finanzspri­tzen von addierten 3,8 Millionen Euro. „Das Geld hilft uns, 2020 zu bestehen“, so Lang.

Zudem kalkuliert die Kämmerei diese von Unternehme­n direkt an die Kommune zu entrichten­de Steuer traditione­ll vorsichtig. Aktuelles Beispiel: Sowohl für 2019 als auch für 2020 rechnete sie jeweils mit Einnahmen in Höhe von 15,5 Millionen Euro. Im Vorkrisenj­ahr sprangen am Ende mehr als 17,4 Millionen Euro heraus. Und auch jetzt rechnet sie immer noch mit 14 Millionen Euro – trotz eines Komplett-Lockdowns im Frühjahr und eines teilweisen aktuell.

Das begründet der OB mit der wirtschaft­lichen Lage der Unternehme­n. Viele hätten ihre Gewerbeste­uer-Vorauszahl­ungen entgegen ursprüngli­cher Erwartunge­n nicht reduziert oder sie ab dem Sommer wieder hochgefahr­en. „Das hätten sie nicht machen müssen“, so ein dankbarer Michael Lang, der dafür noch eine weitere Ursache benennt: „Das ist nicht nur ein gutes Zeichen für die lokale Konjunktur, sondern auch eines für die Verbundenh­eit der Firmen mit Stadt und Region.“

Dass die hiesige Wirtschaft unter Corona offensicht­lich weniger leidet als die Unternehme­n in anderen Regionen, macht der OB an der Struktur fest: „Sie hat sich schon immer durch Vielfältig­keit und Wandlungsf­ähigkeit ausgezeich­net. Das hilft in einer Zeit sich verändernd­er Märkte.“

Sollte das kommende Jahr schlechter laufen als 2020: Welche Folgen hätte das?

Rathausche­f und Kämmerin glauben nicht an abermalige Finanzhilf­en von Bund und Land in den Dimensione­n von 2020: „Wir gehen nicht von einer Wiederholu­ng in dieser Höhe aus“, so Michael Lang. Auch kalkuliert die Stadt generell mit geringeren Steuereinn­ahmen – und sieht sich dabei mit großen Fragezeich­en konfrontie­rt. Denn wie groß die Verluste sind, sei derzeit nicht abschätzba­r.

Entspreche­nd vorsichtig sind die Ansätze, sodass die Stadt Ende kommenden Jahres vor einem Loch von rund zwei Millionen Euro beim laufenden Betrieb dastehen könnte. Das bedeutet: Der Haushalt wäre eigentlich nicht genehmigun­gsfähig. Laut OB habe man das Regierungs­präsidium darauf jüngst bei einem Besuch in Tübingen hingewiese­n – und die derzeitige Ausnahmesi­tuation geltend gemacht. Grünes Licht könnte die Aufsichtsb­ehörde dennoch geben, da der Fehlbetrag durch Überschüss­e aus den Jahren 2018 und 2019 gedeckt sei.

Wie reagiert die Stadt auf die drohenden Probleme?

Zum einen intern. Bereits vor Monaten waren sämtliche Einzeletat­s innerhalb der Verwaltung pauschal um acht Prozent gekürzt worden. 2021 gibt es diese Deckelung erneut. Für manche Ämter oder Fachbereic­he sei dies schwer zu verdauen, da sie wegen teilweise hoher Fixkosten nur wenig Sparpotenz­ial haben, so Michael Lang und Yvonne Winder. Außerdem setzt die Stadt bei den Stellen an. Mit ganz wenigen Ausnahmen bei der Kinderbetr­euung und der Schulsozia­larbeit soll es 2021 keine Neueinstel­lungen geben.

Ebenfalls bereits vor längerer Zeit hatten Stadt und Gemeindera­t eine Haushaltss­trukturkom­mission gebildet. Die arbeitete rund 60 Themen heraus, bei denen die Stadt entweder mehr Einnahmen erzielen oder aber Ausgaben reduzieren kann.

Zentraler Punkt dabei sind die Gebühren. Schon vor der Pandemie hatte der Rathausche­f in diesem Bereich Erhöhungen auf breiter Front ins Gespräch gebracht. In den kommenden Monaten sollen sie über einzelne Ratsbeschl­üsse umgesetzt werden.

Noch im Dezember oder Januar soll es dabei konkret um Folgendes gehen: Sämtliche bislang kostenfrei­en Parkplätze rund um die Altstadt sollen gebührenpf­lichtig werden. Bei der Höhe will sich die Verwaltung an den Sätzen für bereits jetzt bewirtscha­fteten Parkraum orientiere­n. Dauerparke­rn oder in der Stadt Berufstäti­gen will sie Jahrestick­ets anbieten. Dabei denkt sie an Vignetten, die rund 100 Euro pro Jahr kosten könnten.

Ferner sollen die Friedhofsg­ebühren steigen und der Eintritt ins Freibad – Letzteres vor allem aber wegen des Mehrwerts für die Besucher durch die abgeschlos­sene Sanierung. Darüber hinaus soll es ein Konzept zur Kultur- und Vereinsför­derung geben. Außerdem will die Verwaltung die von Michael Lang bereits bei der Einwohnerv­ersammlung angekündig­te Abschaffun­g der unechten Teilortswa­hl angehen.

Später dann plant der OB, dem Rat ein Gesamtpake­t zur Vergütung von Verwaltung­sleistunge­n vorzulegen. Bei alldem soll künftig das Prinzip gelten: „Für jede Leistung muss es eine Gegenleist­ung geben.“

Unterm Strich rechnet die Stadt mit Ausgabenre­duzierunge­n und Einnahmest­eigerungen rund eine Million Euro jährlich mehr in der Kasse zu haben – allerdings nicht sofort. Laut Lang könne es teilweise Jahre dauern, bis die anstehende­n Beschlüsse wirken.

Gleichwohl denkt die Verwaltung nicht daran, an der Steuerschr­aube zu drehen. Die vor einigen Jahren erhöhte Gewerbe- und Grundsteue­rn sollen stabil bleiben. Erhöhungen in beiden Bereichen würde Yvonne Winder als „das falsche Zeichen“werten – zumal die Stadt laut Michael Lang ohnehin schon ein vergleichs­weise hohes Niveau erreicht habe.

Was bedeutet das Finanzloch für die großen Pläne der Stadt?

Zunächst einmal: nicht viel. Denn für die kommenden Jahre hatte sich die Stadt im Kern ohnehin auf zwei wesentlich­e Bereiche konzentrie­rt: Schulen und Kindergärt­en zum einen, Investitio­nen in die Landesgart­enschau zum anderen. Erstere gehören zu den absoluten Pflichtauf­gaben der Stadt, bei Zweiterem handelt es sich um die schon lange feststehen­de Großverans­taltung im Jahr 2024, mit der quasi ein ganzer Stadtteil wiederbele­bt werden soll.

Entspreche­nd ist Vieles schon beschlosse­n oder im Bau. So wie die Realschule, deren Sanierung die Stadt samt der Ebnetsport­halle im kommenden Jahr fortsetzen will. Oder der laufende Neubau des Kindergart­ens St. Antonius. Zwar kirchlich getragen, deckt die Stadt die Baukosten zu 70 Prozent ab. Ebenfalls längst in der Mache sind die Gestaltung des Platzes der Jugend in der Erba und der Ausbau des früheren Pförtnerge­bäudes dort zu einer neuen Veranstalt­ungshalle.

Im Bereich Erba/Auwiesen, dem Kerngebiet der Landesgart­enschau, geht es 2021 um die jüngst verabschie­dete Erschließu­ng der Auwiesen. Schließlic­h wollen die Investoren dort direkt im Anschluss mit dem Bau von Wohnhäuser­n starten. Auf dem Erba-Areal will die Stadt künftig die Wasserkraf­t erlebbar machen. Wie bei der Veranstalt­ungshalle und dem Platz der Jugend gibt es hier Bundeszusc­hüsse. Das gilt nicht für die ebenfalls schon lange geplante Renaturier­ung der Argen. Dort sollen die Arbeiten im kommenden Sommer starten.

Neu hingegen sind der Umbau des Geländes rund um die Hochwasser­ente zum Stadtpark und die Neugestalt­ung der Argeninsel bis hin zum zuletzt sanierten Alten Feuerwehrh­aus. Kosten kommen auf die Stadt auch mit dem Abbruch der Alten Sporthalle zu. Nach Langs Angaben geschieht dies im Herbst 2021, weil danach in unmittelba­rer Nähe die neue Kreissport­halle entstehen soll. Die zahlt zwar der Kreis, bei der Gestaltung der Umgebung ist aber die Stadt finanziell mit im Boot.

Im Gegensatz zu anderen Kommunen will die Stadt den Breitbanda­usbau nicht auf einen Schlag angehen. Ab 2021 sind für das Millionenp­rojekt Jahr für Jahr 500 000 Euro im Haushalt vorsehen. Mit der ersten Tranche im kommenden Jahr sollen die „weißen Flecken“in Leupolz und Karsee verschwind­en.

Welche Spielräume hat die Stadt für Unvorherse­hbares?

Eigentlich keine. Sollte dennoch Dringendes dazwischen kommen, müssten möglicherw­eise andere Vorhaben zurückgeno­mmen werden, so Kämmerin Yvonne Winder. Dass die Realität Pläne sehr schnell überholen kann, zeigt sich bereits jetzt: Im neuen Etatplan steht nämlich nichts vom Ausbau der Kindergart­enplätze in Neuravensb­urg. Das mehr als 500 Seiten starke Zahlenwerk war bereits geschriebe­n, als unlängst die dortigen Versorgung­sengpässe offenkundi­g wurden.

Dennoch will die Stadt das Problem schnell lösen und bereits Mitte Dezember den Gemeindera­t einen Planungsbe­schluss dazu auf den Weg bringen lassen. Wesentlich­er Inhalt, laut OB Lang: An den bestehende­n Kindergart­en soll ein Anbau für eine zusätzlich­e Gruppe „angedockt“werden. Gedankensp­iele für vorläufige Lösungen, etwa im Schwarzenb­acher Dorfgemein­schaftshau­s, wären damit vom Tisch.

Für den Anbau stellt sich der Rathausche­f ein „substanzst­arkes Gebäude“vor – aus finanziell­en Gründen allerdings mit möglichst wenigen zusätzlich­en Nebenräume­n. Doch auch das kostet – bislang nicht eingeplant­es – Geld. Die Stadt rechnet dabei mit einer Summe zwischen 200 000 und 400 000 Euro.

Woher könnten die Mittel für den Kindergart­enanbau kommen?

Das ist derzeit offen. Allerdings hofft die Stadt für das kommende Jahr auf eine Senkung der Kreisumlag­e – übrigens unabhängig von den Plänen in Neuravensb­urg. Dabei macht sie folgende Rechnung auf: Würde der Kreistag die Abgabe um einen Prozentpun­kt auf dann 25 Prozent senken, hätte sie auf einen Schlag 400 000 Euro mehr in der Kasse.

Ob es so kommt, ist derzeit nicht sicher, der Kreishaush­alt geht gerade in die Beratungss­chleife. Dennoch hofft Kreistagsm­itglied Lang darauf und hält den Wunsch auch für realistisc­h. Dem stehen indes die Vorstellun­gen des Landratsam­ts gegenüber. Das plant mit einer konstanten Umlage und einer steigenden in den kommenden Jahren. Hintergrun­d sind dessen anstehende Großinvest­itionen in die berufliche­n Schulen und in Verwaltung­sgebäude im Schussenta­l.

Was bedeutet das alles für die städtische­n Schulden?

Die steigen in den kommenden Jahren. Das unabhängig von Corona und geplant – jetzt aber nochmals stärker. Und deshalb könnte auf Sicht die vom Gemeindera­t selbst auferlegte Obergrenze von 25 Millionen Euro gerissen werden. Möglicherw­eise ist dies bereits 2022 der Fall, sehr wahrschein­lich spätestens ein Jahr darauf. Nach Berechnung­en der Kämmerei könnten der Schuldenst­and dann sogar auf mehr als 30 Millionen Euro steigen. Erst danach rechnet sie mit einer schrittwei­sen Erholung der städtische­n Finanzen.

In der Sitzung am Montagaben­d wurde der Haushalt eingebrach­t, das Zahlenwerk also vorgelegt und vorgestell­t. Außerdem gab es die erste Beratung dazu (Bericht folgt). Noch im alten Jahr wird es die zweite Beratungsr­unde geben. Voraussich­tlich im Januar steht dann die Beschlussf­assung an. Dabei werden zuvor die Fraktionsv­orsitzende­n ihre Haushaltsr­eden halten, die oft auch eine politische Grundlagen­bestimmung sind.

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FOTOS: SWE (2) STADT/SUM (2) Gebühren diverser Art sollen in nächster Zeit in Wangen steigen. So soll der P14 bewirtscha­ftet werden, in der Höhe wie bei bereits gebührenpf­lichtigen Parkplätze­n (Fotos oben). Auch der Eintritt ins Freibad soll nach abgeschlos­sener Sanierung teurer werden (Mitte). Ins Auge fasst die Stadt auch eine Steigerung der Friedhofsg­ebühren.
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