Höhere Gebühren für die Bürger nahen
Wie die Stadt durch die Corona-Krise kommt, was sie tun will – Und welche Risiken 2021 drohen
WANGEN - Die Stadt Wangen kommt im laufenden Jahr finanziell besser durch die Corona-Krise als noch im Frühjahr gedacht. Für das kommende Jahr erwartet sie allerdings stärkere Auswirkungen. Das geht aus dem Etatentwurf hervor, den die Verwaltung am Montagabend dem Gemeinderat vorgelegt hat. Die „Schwäbische Zeitung“hat vorab mit OB Michael Lang und Kämmerin Yvonne Winder über das Zahlenwerk gesprochen. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Warum kommt die Stadt bislang besser durch die Krise als erwartet?
Das liegt an mehreren Faktoren. Vor allem aber daran, dass Bund und Land bei zugesagten Finanzhilfen Wort gehalten haben, so der Rathauschef. Gerade beim Ausgleich wegbrechender Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Hier erhielt Wangen aus Berlin und Stuttgart Finanzspritzen von addierten 3,8 Millionen Euro. „Das Geld hilft uns, 2020 zu bestehen“, so Lang.
Zudem kalkuliert die Kämmerei diese von Unternehmen direkt an die Kommune zu entrichtende Steuer traditionell vorsichtig. Aktuelles Beispiel: Sowohl für 2019 als auch für 2020 rechnete sie jeweils mit Einnahmen in Höhe von 15,5 Millionen Euro. Im Vorkrisenjahr sprangen am Ende mehr als 17,4 Millionen Euro heraus. Und auch jetzt rechnet sie immer noch mit 14 Millionen Euro – trotz eines Komplett-Lockdowns im Frühjahr und eines teilweisen aktuell.
Das begründet der OB mit der wirtschaftlichen Lage der Unternehmen. Viele hätten ihre Gewerbesteuer-Vorauszahlungen entgegen ursprünglicher Erwartungen nicht reduziert oder sie ab dem Sommer wieder hochgefahren. „Das hätten sie nicht machen müssen“, so ein dankbarer Michael Lang, der dafür noch eine weitere Ursache benennt: „Das ist nicht nur ein gutes Zeichen für die lokale Konjunktur, sondern auch eines für die Verbundenheit der Firmen mit Stadt und Region.“
Dass die hiesige Wirtschaft unter Corona offensichtlich weniger leidet als die Unternehmen in anderen Regionen, macht der OB an der Struktur fest: „Sie hat sich schon immer durch Vielfältigkeit und Wandlungsfähigkeit ausgezeichnet. Das hilft in einer Zeit sich verändernder Märkte.“
Sollte das kommende Jahr schlechter laufen als 2020: Welche Folgen hätte das?
Rathauschef und Kämmerin glauben nicht an abermalige Finanzhilfen von Bund und Land in den Dimensionen von 2020: „Wir gehen nicht von einer Wiederholung in dieser Höhe aus“, so Michael Lang. Auch kalkuliert die Stadt generell mit geringeren Steuereinnahmen – und sieht sich dabei mit großen Fragezeichen konfrontiert. Denn wie groß die Verluste sind, sei derzeit nicht abschätzbar.
Entsprechend vorsichtig sind die Ansätze, sodass die Stadt Ende kommenden Jahres vor einem Loch von rund zwei Millionen Euro beim laufenden Betrieb dastehen könnte. Das bedeutet: Der Haushalt wäre eigentlich nicht genehmigungsfähig. Laut OB habe man das Regierungspräsidium darauf jüngst bei einem Besuch in Tübingen hingewiesen – und die derzeitige Ausnahmesituation geltend gemacht. Grünes Licht könnte die Aufsichtsbehörde dennoch geben, da der Fehlbetrag durch Überschüsse aus den Jahren 2018 und 2019 gedeckt sei.
Wie reagiert die Stadt auf die drohenden Probleme?
Zum einen intern. Bereits vor Monaten waren sämtliche Einzeletats innerhalb der Verwaltung pauschal um acht Prozent gekürzt worden. 2021 gibt es diese Deckelung erneut. Für manche Ämter oder Fachbereiche sei dies schwer zu verdauen, da sie wegen teilweise hoher Fixkosten nur wenig Sparpotenzial haben, so Michael Lang und Yvonne Winder. Außerdem setzt die Stadt bei den Stellen an. Mit ganz wenigen Ausnahmen bei der Kinderbetreuung und der Schulsozialarbeit soll es 2021 keine Neueinstellungen geben.
Ebenfalls bereits vor längerer Zeit hatten Stadt und Gemeinderat eine Haushaltsstrukturkommission gebildet. Die arbeitete rund 60 Themen heraus, bei denen die Stadt entweder mehr Einnahmen erzielen oder aber Ausgaben reduzieren kann.
Zentraler Punkt dabei sind die Gebühren. Schon vor der Pandemie hatte der Rathauschef in diesem Bereich Erhöhungen auf breiter Front ins Gespräch gebracht. In den kommenden Monaten sollen sie über einzelne Ratsbeschlüsse umgesetzt werden.
Noch im Dezember oder Januar soll es dabei konkret um Folgendes gehen: Sämtliche bislang kostenfreien Parkplätze rund um die Altstadt sollen gebührenpflichtig werden. Bei der Höhe will sich die Verwaltung an den Sätzen für bereits jetzt bewirtschafteten Parkraum orientieren. Dauerparkern oder in der Stadt Berufstätigen will sie Jahrestickets anbieten. Dabei denkt sie an Vignetten, die rund 100 Euro pro Jahr kosten könnten.
Ferner sollen die Friedhofsgebühren steigen und der Eintritt ins Freibad – Letzteres vor allem aber wegen des Mehrwerts für die Besucher durch die abgeschlossene Sanierung. Darüber hinaus soll es ein Konzept zur Kultur- und Vereinsförderung geben. Außerdem will die Verwaltung die von Michael Lang bereits bei der Einwohnerversammlung angekündigte Abschaffung der unechten Teilortswahl angehen.
Später dann plant der OB, dem Rat ein Gesamtpaket zur Vergütung von Verwaltungsleistungen vorzulegen. Bei alldem soll künftig das Prinzip gelten: „Für jede Leistung muss es eine Gegenleistung geben.“
Unterm Strich rechnet die Stadt mit Ausgabenreduzierungen und Einnahmesteigerungen rund eine Million Euro jährlich mehr in der Kasse zu haben – allerdings nicht sofort. Laut Lang könne es teilweise Jahre dauern, bis die anstehenden Beschlüsse wirken.
Gleichwohl denkt die Verwaltung nicht daran, an der Steuerschraube zu drehen. Die vor einigen Jahren erhöhte Gewerbe- und Grundsteuern sollen stabil bleiben. Erhöhungen in beiden Bereichen würde Yvonne Winder als „das falsche Zeichen“werten – zumal die Stadt laut Michael Lang ohnehin schon ein vergleichsweise hohes Niveau erreicht habe.
Was bedeutet das Finanzloch für die großen Pläne der Stadt?
Zunächst einmal: nicht viel. Denn für die kommenden Jahre hatte sich die Stadt im Kern ohnehin auf zwei wesentliche Bereiche konzentriert: Schulen und Kindergärten zum einen, Investitionen in die Landesgartenschau zum anderen. Erstere gehören zu den absoluten Pflichtaufgaben der Stadt, bei Zweiterem handelt es sich um die schon lange feststehende Großveranstaltung im Jahr 2024, mit der quasi ein ganzer Stadtteil wiederbelebt werden soll.
Entsprechend ist Vieles schon beschlossen oder im Bau. So wie die Realschule, deren Sanierung die Stadt samt der Ebnetsporthalle im kommenden Jahr fortsetzen will. Oder der laufende Neubau des Kindergartens St. Antonius. Zwar kirchlich getragen, deckt die Stadt die Baukosten zu 70 Prozent ab. Ebenfalls längst in der Mache sind die Gestaltung des Platzes der Jugend in der Erba und der Ausbau des früheren Pförtnergebäudes dort zu einer neuen Veranstaltungshalle.
Im Bereich Erba/Auwiesen, dem Kerngebiet der Landesgartenschau, geht es 2021 um die jüngst verabschiedete Erschließung der Auwiesen. Schließlich wollen die Investoren dort direkt im Anschluss mit dem Bau von Wohnhäusern starten. Auf dem Erba-Areal will die Stadt künftig die Wasserkraft erlebbar machen. Wie bei der Veranstaltungshalle und dem Platz der Jugend gibt es hier Bundeszuschüsse. Das gilt nicht für die ebenfalls schon lange geplante Renaturierung der Argen. Dort sollen die Arbeiten im kommenden Sommer starten.
Neu hingegen sind der Umbau des Geländes rund um die Hochwasserente zum Stadtpark und die Neugestaltung der Argeninsel bis hin zum zuletzt sanierten Alten Feuerwehrhaus. Kosten kommen auf die Stadt auch mit dem Abbruch der Alten Sporthalle zu. Nach Langs Angaben geschieht dies im Herbst 2021, weil danach in unmittelbarer Nähe die neue Kreissporthalle entstehen soll. Die zahlt zwar der Kreis, bei der Gestaltung der Umgebung ist aber die Stadt finanziell mit im Boot.
Im Gegensatz zu anderen Kommunen will die Stadt den Breitbandausbau nicht auf einen Schlag angehen. Ab 2021 sind für das Millionenprojekt Jahr für Jahr 500 000 Euro im Haushalt vorsehen. Mit der ersten Tranche im kommenden Jahr sollen die „weißen Flecken“in Leupolz und Karsee verschwinden.
Welche Spielräume hat die Stadt für Unvorhersehbares?
Eigentlich keine. Sollte dennoch Dringendes dazwischen kommen, müssten möglicherweise andere Vorhaben zurückgenommen werden, so Kämmerin Yvonne Winder. Dass die Realität Pläne sehr schnell überholen kann, zeigt sich bereits jetzt: Im neuen Etatplan steht nämlich nichts vom Ausbau der Kindergartenplätze in Neuravensburg. Das mehr als 500 Seiten starke Zahlenwerk war bereits geschrieben, als unlängst die dortigen Versorgungsengpässe offenkundig wurden.
Dennoch will die Stadt das Problem schnell lösen und bereits Mitte Dezember den Gemeinderat einen Planungsbeschluss dazu auf den Weg bringen lassen. Wesentlicher Inhalt, laut OB Lang: An den bestehenden Kindergarten soll ein Anbau für eine zusätzliche Gruppe „angedockt“werden. Gedankenspiele für vorläufige Lösungen, etwa im Schwarzenbacher Dorfgemeinschaftshaus, wären damit vom Tisch.
Für den Anbau stellt sich der Rathauschef ein „substanzstarkes Gebäude“vor – aus finanziellen Gründen allerdings mit möglichst wenigen zusätzlichen Nebenräumen. Doch auch das kostet – bislang nicht eingeplantes – Geld. Die Stadt rechnet dabei mit einer Summe zwischen 200 000 und 400 000 Euro.
Woher könnten die Mittel für den Kindergartenanbau kommen?
Das ist derzeit offen. Allerdings hofft die Stadt für das kommende Jahr auf eine Senkung der Kreisumlage – übrigens unabhängig von den Plänen in Neuravensburg. Dabei macht sie folgende Rechnung auf: Würde der Kreistag die Abgabe um einen Prozentpunkt auf dann 25 Prozent senken, hätte sie auf einen Schlag 400 000 Euro mehr in der Kasse.
Ob es so kommt, ist derzeit nicht sicher, der Kreishaushalt geht gerade in die Beratungsschleife. Dennoch hofft Kreistagsmitglied Lang darauf und hält den Wunsch auch für realistisch. Dem stehen indes die Vorstellungen des Landratsamts gegenüber. Das plant mit einer konstanten Umlage und einer steigenden in den kommenden Jahren. Hintergrund sind dessen anstehende Großinvestitionen in die beruflichen Schulen und in Verwaltungsgebäude im Schussental.
Was bedeutet das alles für die städtischen Schulden?
Die steigen in den kommenden Jahren. Das unabhängig von Corona und geplant – jetzt aber nochmals stärker. Und deshalb könnte auf Sicht die vom Gemeinderat selbst auferlegte Obergrenze von 25 Millionen Euro gerissen werden. Möglicherweise ist dies bereits 2022 der Fall, sehr wahrscheinlich spätestens ein Jahr darauf. Nach Berechnungen der Kämmerei könnten der Schuldenstand dann sogar auf mehr als 30 Millionen Euro steigen. Erst danach rechnet sie mit einer schrittweisen Erholung der städtischen Finanzen.
In der Sitzung am Montagabend wurde der Haushalt eingebracht, das Zahlenwerk also vorgelegt und vorgestellt. Außerdem gab es die erste Beratung dazu (Bericht folgt). Noch im alten Jahr wird es die zweite Beratungsrunde geben. Voraussichtlich im Januar steht dann die Beschlussfassung an. Dabei werden zuvor die Fraktionsvorsitzenden ihre Haushaltsreden halten, die oft auch eine politische Grundlagenbestimmung sind.