Warnung vor Judenhass
Experten sehen Antisemitismus bei „Querdenkern“
BERLIN (dpa/AFP) - Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, und die AmadeuAntonio-Stiftung haben Antisemitismus in den Reihen der Protestbewegung gegen die Corona-Maßnahmen verurteilt und mehr Prävention gefordert. „Das Selbstbild als verfolgtes Opfer ist und war ein zentrales Element antisemitischer Einstellungen“, sagte Klein am Dienstag in Berlin.
Judenhass sei in vielen Kreisen wieder gesellschaftsfähig geworden und verbinde bei den Protesten politische Milieus, die vorher wenig Anknüpfungspunkte gehabt hätten: von Esoterikbegeisterten über Heilpraktiker und Friedensbewegte bis hin zu Reichsbürgern und offen Rechtsextremen. Antisemitismus äußere sich zurzeit vor allem in Verschwörungsmythen über angeblich geheime Mächte im Hintergrund.
Es sei deshalb wichtig, dass der Verfassungsschutz tätig werde, sagte Klein. Außerdem müssten Polizei und Staatsanwaltschaften in die Lage versetzt werden, Antisemitismus zu erkennen und dagegen vorzugehen. Nötig sei mehr politische Bildung in diesem Zusammenhang. Der Kampf gegen Antisemitismus müsse verbindlicher Teil der Lehrerausbildung werden. „Da sind wir alle gefordert“, sagte Klein.
Auch die Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane, ist alarmiert. „Verschwörungsideologien haben immer, immer ein antisemitisches Betriebssystem“, sagte sie. Selbst wenn sich diese Ideologien mit jemandem wie Bill Gates – ein Feindbild mancher Demonstranten – beschäftigten, seien sie antisemitisch. Sie rechne damit, dass hierzulande demnächst der offene und direkte Antisemitismus, „den wir von früher kennen“, wieder ausbreche. Im Moment „druckse“er noch rum.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat sich für eine Untersuchung des Verhältnisses der AfD zur „Querdenken“-Bewegung ausgesprochen. Es gelte, genau hinzusehen, „welche engen Verbindungen und Verflechtungen es zwischen AfD und Querdenkern gibt“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“und dem „Donaukurier“. „Natürlich haben wir alle Verständnis und Respekt für die kritischen Fragen derer, die durch Corona in ihrer Existenz bedroht sind.“Bei Querdenkern, Rechtsextremen, Reichsbürgern und Verschwörungstheoretikern mit antisemitischem Hintergrund höre die Toleranz aber auf, sagte Söder. „Gerade die Querdenker entwickeln sich sektenähnlich und isolieren normale Bürger in ihrer Verschwörungsblase.“Sie hätten ein anderes Verständnis von Staat und Gesellschaft. „Absurde Selbstvergleiche mit Sophie Scholl oder die Gleichsetzung des Infektionsschutzgesetzes mit dem Ermächtigungsgesetz der NSDAP belegen deren verzerrtes Weltbild. Auf diese Gruppe und deren Bezug zur AfD sollte der Verfassungsschutz achten.“
Die AfD-Bundestagsfraktion wies dies zurück. Ihr parlamentarischer Geschäftsführer, Bernd Baumann, sagte: „Wir haben uns mit niemandem gemein gemacht.“Die Gäste von AfD-Abgeordneten, die am Tag der Abstimmung über das Infektionsschutzgesetz Politiker im Bundestag bedrängt hatten, bezeichnete Baumann als „Irrläufer“. Für deren Fehlverhalten habe sich die Fraktion bereits entschuldigt.