Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Datenlage ist immer noch schwierig“

Virologe Thomas Mertens über Corona-Infektione­n von Kindern und Jugendlich­en

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RAVENSBURG - Noch immer scheint nicht ganz geklärt, wie groß die Corona-Ansteckung­sgefahr an Kitas und Schulen ist. Verschiede­ne Studien wollen das herausfind­en. Der Virologe Professor Thomas Mertens erklärt im Gespräch mit Daniel Hadrys die Datenlage zu diesem Thema.

Über die Frage, wie infektiös Kinder und Jugendlich­e sind, wird viel diskutiert. Verschiede­ne Studien kamen zu unterschie­dlichen Ergebnisse­n. Eine neue Untersuchu­ng mehrerer Kinderklin­iken kommt zu dem Schluss, dass das Corona-Infektions­risiko an Schulen überschätz­t wird. Wie ist die Datenlage dazu?

Die Datenlage ist immer noch schwierig und die Interpreta­tion von Daten durchaus auch von bestimmten Vorstellun­gen und verständli­chen Wünschen mitbestimm­t. Es ist klar, dass Kinder und auch Jugendlich­e nach Infektion in aller Regel nicht schwer erkranken, wobei es Ausnahmen gibt. Bei den Studien zur Häufigkeit einer Infektion bei Kindern und Jugendlich­en scheint es so zu sein, dass man zwischen Kleinkinde­rn (Kindergart­en) und älteren Kindern und Jugendlich­en unterschei­den muss. Dabei ist es völlig unvorstell­bar, dass es eine scharfe Altersgren­ze zwischen Kindern, Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n gibt. Vielmehr gleichen sich die Kinder langsam den Infektions­verhältnis­sen bei den Erwachsene­n an. Es ist tatsächlic­h so, dass Studien in Deutschlan­d und USA zu dem Ergebnis kommen, dass aus anderen Gründen stationär aufgenomme­ne Kinder relativ selten zusätzlich Sars-CoV-2 infiziert waren. Allerdings muss man genau prüfen, in welchem Zeitraum diese Untersuchu­ngen durchgefüh­rt wurden. Wenn die Daten im Wesentlich­en aus dem vergangene­n Sommer oder Frühherbst stammen, dann sind sie für die aktuelle Situation möglicherw­eise weniger aussagekrä­ftig. In einer anderen großen deutschen Studie mit Kindern, die an einer häufigen Stoffwechs­elkrankhei­t leiden, aber ein ansonsten normales Leben führen, wurde durch aktuelle Antikörper­untersuchu­ngen gefunden, dass Kinder und

Jugendlich­e sechsmal häufiger SarsCoV-2 infiziert waren als vorher bekannt oder gemeldet worden war. Zusammenge­fasst sollte man zwischen Kleinkinde­rn und älteren Kindern/ Jugendlich­en unterschei­den. Leider wissen wir immer noch nicht ganz genau, welche Rolle beide Gruppen im Infektions­geschehen spielen.

Von Gaststätte­n nahm man bislang an, dass das Infektions­risiko mit guten Hygienekon­zepten eher gering sei. Nun sind diese dennoch geschlosse­n. Was weiß man über die Gefahr einer Ansteckung in Bars und Restaurant­s?

Es ist sehr gut bekannt, dass Bars und Restaurant­s in der ersten Welle der Infektion und auch am Anfang der zweiten Welle ganz maßgeblich zu großen und bedeutsame­n Ausbrüchen geführt haben. Einzelne Infektione­n in Restaurant­s sind bekannt geworden. Ich kenne allerdings keine systematis­chen Untersuchu­ngen und Zahlen über Ansteckung­en in Restaurant­s, die allen Hygienereg­eln folgen und auch eine entspreche­nd optimale Lüftungsan­lage besitzen.

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FOTO: MATTHIAS BALK/DPA Über die Frage der Infektiösi­tät bei Kindern und Jugendlich­en gibt es Streit – auch über die Maskenpfli­cht unter Schülern.
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