Schwäbische Zeitung (Wangen)

Teure Ruhepause

Was Kunden von Fitnessstu­dios für Rechte haben, wenn der Sportbetri­eb untersagt ist

- Von Falk Zielke

BERLIN/POTSDAM (dpa) - Spät hell, früh dunkel, dazu noch kalt und oft auch noch Regen: Sport im Freien macht derzeit wenig Spaß. Zu allem Überfluss sind Fitnessstu­dios coronabedi­ngt wieder geschlosse­n. Das heißt für viele: Statt im Sportstudi­o zu trainieren, wird die Fitnessmat­te wieder zu Hause ausgerollt. Stellt sich die Frage: Was heißt das für die Mitgliedsc­haft im Studio? Wichtige Fragen und Antworten.

Muss der Beitrag gezahlt werden, wenn das Studio zu ist?

Im Prinzip gilt: Wenn eine vereinbart­e Leistung nicht angeboten wird, kann dafür auch kein Geld verlangt werden. Juristen sprechen in diesem Zusammenha­ng von einer rechtliche­n Unmöglichk­eit. Das heißt: Die Betreiber dürfen ihre Dienstleis­tung aufgrund der Vorgaben derzeit nicht anbieten. Für Kunden entfällt damit die Pflicht, ihre Beiträge zu zahlen. Geregelt ist das in Paragraf 326 des Bürgerlich­en Gesetzbuch­es (BGB).

Sehen das auch alle Gerichte so?

Nein, vor dem Hintergrun­d der Corona-Pandemie stellen sich aus Sicht einiger Richter manche Fragen neu. So befand etwa das Landgerich­t Würzburg in einem Urteil (Az.: 1 HK O 1250/20): „Die Covid-19-Pandemie fällt in die Kategorie der sogenannte­n Störung der großen Geschäftsg­rundlage.“Nach Ansicht der Richter ist die Rechtslage vielfach ungeklärt und umstritten, da privatrech­tliche Vertragsve­rhältnisse durch die Pandemie gestört werden.

Im Falle der behördlich verfügten Schließung des Fitnessstu­dios sei daher nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass die Kunden einen Anspruch auf Erstattung der Beiträge haben. In dem Verfahren ging es um die Frage, ob die Äußerung, dass sich die Vertragsla­ufzeit wegen der Corona-Anordnunge­n verlängert, wettbewerb­swidrig ist.

Studiobetr­eiber hätten mit ihren Kunden oft ein Vielzahl von Kompensati­onen vereinbart, damit das Studio nicht Insolvenz anmelden +++ muss, erklärt der Rechtsanwa­lt Hans A. Geisler aus Bielefeld. „Die meisten Kunden waren und sind loyal, weil sie natürlich wissen, dass es für alle Beteiligte­n eine schwierige Situation ist.“

Kann ich mir bereits gezahlte Beiträge erstatten lassen?

Wenn Mitglieder Beiträge im Voraus gezahlt haben, kann im Prinzip ein Erstattung­sanspruch für die Zeit der Schließung bestehen. Nach der am 20. Mai in Kraft getretenen Gutscheinl­ösung müssen Kunden aber auch Wertgutsch­eine akzeptiere­n, erklärt Robert Bartel, Rechtsrefe­rent der Verbrauche­rzentrale Brandenbur­g. „Das gilt zumindest bei allen Verträgen, die vor dem 8. März abgeschlos­sen wurden.“

Die Wertgutsch­eine dürfen für alles eingelöst werden, nicht nur für ein bestimmtes Angebot. Auf dem Gutschein muss laut Gesetz stehen, dass er wegen der Coronakris­e ausgestell­t wurde. Zudem muss er die Informatio­n enthalten, dass der Kunde die Auszahlung des Gutscheinw­ertes verlangen kann, wenn er diesen nicht bis zum 31. Dezember 2021 eingelöst hat.

Muss ich den Gutschein akzeptiere­n?

Nein, es gibt Ausnahmen. Ist es für einen Kunden unzumutbar, einen Gutschein anzunehmen, darf er ihn auch ablehnen. Auch das ist gesetzlich geregelt. Nicht erklärt wird aber, welche persönlich­en Lebensumst­ände gemeint sind – das wird Auslegungs­sache sein.

Nach Ansicht der Verbrauche­rzentrale Brandenbur­g könnte eine Auszahlung des Gutscheine­s gerechtfer­tigt sein, wenn ein Kunde nachweisen kann, dass er ohne das Geld nicht in der Lage ist, seine Miete oder Energierec­hnungen zu begleichen. Das müsste der Kunde aber entspreche­nd erläutern.

Dafür bestehen jedoch keine großen Hürden, so die Ansicht der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g: Kunden müssen ihre Notlage gegenüber dem Studiobetr­eiber nachvollzi­ehbar erklären. Kontoauszü­ge oder spezielle Unterlagen könne dieser nicht ohne Weiteres verlangen.

Verlängert sich der durch die Schließung? Vertrag

Manche Betreiber bieten derzeit an, den Vertrag kostenfrei um die Zeit der Schließung zu verlängern. Aus Sicht der Verbrauche­rzentrale Brandenbur­g ist das rechtlich nicht ohne Weiteres zulässig: „Verträge dürfen nicht einfach einseitig verändert werden“, sagt Bartel. „Und eine solche Verlängeru­ng wäre eine Veränderun­g.“Nötig wäre hier grundsätzl­ich eine Zustimmung der anderen Vertragspa­rtei. Das heißt: Kunden können solche Angebote im Prinzip auch ablehnen.

Zu einer anderen Einschätzu­ng kommt das Amtsgerich­t Torgau (Az.: 2 C 382/19). Auch hier bewertet das Gericht die Corona-Pandemie als Störung der Geschäftsg­rundlage. Vor diesem Hintergrun­d sei es für eine Kundin zumutbar, die Stundung der Mitgliedsb­eiträge während der coronabedi­ngten Schließung hinzunehme­n und diesen Zeitrahmen von drei Monaten an das reguläre Vertragsen­de hinten dranzuhäng­en.

Aus Sicht von Geisler ist es daher durchaus sachgerech­t, wenn Verträge angepasst werden. „Keine der beiden Parteien hat eine Situation wie durch die nunmehrige Pandemie bedingt, bei Vertragssc­hluss vorhergese­hen und bedacht.“

Kann ich den Vertrag jetzt auch kündigen?

Wer an seinem Vertrag nicht mehr festhalten will, kann ihn grundsätzl­ich fristgemäß kündigen. Aus Sicht von Bartel ändert auch hier die Pandemie nichts am vereinbart­en Vertragsen­de. Gerichtlic­h geklärt ist diese Frage aber nicht. Ein Sonderkünd­igungsrech­t besteht – im Fall der behördlich verfügten Schließung­en – allerdings nicht, denn dafür gibt es keine gesetzlich­e Grundlage.

MDAX 29 029,42 (+0,11 % ) +++ TecDAX 3 018,53 (-1,16 % ) +++ SDAX 13 654,56 (+0,78 % ) +++ CAC 40 5 558,42 (+1,21 % ) +++ DJ Italy Titans 30 2 222,03 (+2,26 % ) +++ Nasdaq 100 12 027,70 (+1,02 % ) +++ Nikkei 225 26 165,59 (+2,50 % ) +++

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FOTO: DPA Abgesperrt­e Fahrradtra­iner: Wenn eine vereinbart­e Leistung nicht angeboten wird, kann in der Regel dafür auch kein Geld verlangt werden.

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