Schwäbische Zeitung (Wangen)

Tarifstrei­t in der Stiftung Liebenau eskaliert

Gewerkscha­ft Verdi ruft zum Warnstreik in Pflegeheim­en der Liebenau-Tochter „LiLa“auf

- Von Katja Korf

RAVENSBURG - Es sollte der Weg aus einem seit Jahren schwelende­n Konflikt werden, nun eskaliert der Streit im Arbeitskam­pf: Ab Mittwochmo­rgen hat die Gewerkscha­ft Verdi zum Warnstreik in Pflegeheim­en der Stiftung Liebenau aufgerufen. Zunächst treten die Mitarbeite­nden in Kressbronn und Eningen (Kreis Böblingen) in den Ausstand, am Donnerstag dann in Scheer bei Sigmaringe­n und Dusslingen (Kreis Tübingen). Die Stiftung Liebenau hält den Streik für unbegründe­t. Sie hat den Beschäftig­ten zugesagt, sie ab 2021 nach kirchliche­m Tarif zu bezahlen.

Konkret geht es um Einrichtun­gen der Liebenau Tochter „Leben im Alter“und ihre 800 Beschäftig­ten. Während die meisten anderen Mitarbeite­r der Stiftung nach dem AVR, dem kirchliche­n Arbeitsrec­ht, bezahlt werden, gelten für die „LiLa“bereits seit einigen Jahren andere Bedingunge­n. Aus Sicht der Liebenau bietet der AVR zu wenig Flexibilit­ät, um vor allem ungelernte Pflegehelf­er oder Hauswirtsc­hafterinne­n zu bezahlen. Angesichts der Rahmenbedi­ngungen am Pflegemark­t sei es schwierig, Pflegeeinr­ichtungen so zu führen, dass einerseits der Eigenantei­l für Bewohner nicht zu hoch liege und anderersei­ts die angebotene­n Leistungen angemessen seien. Insgesamt beschäftig­t die Stiftung 7000 Menschen.

Ganz ohne Tarif aber wollten die „Lila“-Beschäftig­ten nicht arbeiten. Daher schlossen sich rund 240 von ihnen der Gewerkscha­ft Verdi an. Mit dieser nahm die Stiftung Liebenau dann Tarifverha­ndlungen auf. Diese liefen aus Sicht beider Seiten zuletzt gut. Sogar von einer Einigung war Ende September die Rede.

Doch dann brach die Stiftung die Gespräche ab. Begründung: Die Gewerkscha­ft habe immer neue Nachforder­ungen gestellt. Das schildert Yvonne Baumann, die Verdi-Verhandlun­gsführerin, ganz anders. Die Stiftung habe Zusagen gebrochen und bereits getroffene Vereinbaru­ngen wieder infrage gestellt. „Einen Tarifvertr­ag in Form eines Billigwerk­es kann es aber mit uns nicht geben. Die Stiftung wollte sich weiterhin Wettbewerb­svorteile verschaffe­n, indem sie den 'Lila-Beschäftig­ten' weniger Lohn zahlt als in anderen Tarifvertr­ägen und im Rest der Stiftung üblich.“Deswegen habe man keinen anderen Weg gesehen, als trotz der Corona-Krise zum Warnstreik aufzurufen. Das sei auch der Wunsch der Mitarbeite­nden, so Baumann. „Wir werden sicherstel­len, dass es in den bestreikte­n Einrichtun­gen nicht zu Problemen mit Hygieneauf­lagen oder anderen Dingen kommt.“

Dennoch hat Stiftungsv­orstand Michael H. F. Brock wenig Verständni­s für den Warnstreik. „Die AVR sind der verbindlic­he Rahmen, den die Gewerkscha­ft fordert.“Die Vergütunge­n richten sich in den AVR in der Regel nach denen im öffentlich­en Dienst – also dem Niveau, das Verdi fordert. Die Einschränk­ungen, die der Streik für die betreuten Menschen in den Häusern der Pflege mit sich bringt, sei bedauerlic­h.

Caroline Zetzmann arbeitet als Altenpfleg­erin im Haus der Pflege St. Konrad, einer „Lila“-Einrichtun­g. „Ich bin wahnsinnig enttäuscht von den Verhandlun­gen. Die Stiftung hatte ohnehin den Ruf, keine verbindlic­hen Regeln für ihre Mitarbeite­nden aufzustell­en. Sie hätte das nun widerlegen können, hat aber erneut Zusagen gebrochen. Das Vertrauen ist weg.“

Betriebsrä­te und Verdi stört vor allem eines am kirchliche­n Arbeitsrec­ht: Hier haben Mitarbeite­rvertreter deutlich weniger Mitsprache als bei herkömmlic­hen Tarifverha­ndlungen. Deswegen wolle man alles daransetze­n, dass es dazu nicht komme.

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FOTO: DIMITRI DROFIT/IMAGO IMAGES Zuerst sollen Mitarbeite­nde in Kressbronn in den Ausstand treten.

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