Frust über die Novemberhilfe
Möglichkeiten zur Antragstellung und Auszahlung lassen auf sich warten – Bund plant derweil 17-Milliarden-Euro-Paket für Dezember
RAVENSBURG - Johannes Wagner, Inhaber des Fitnessstudios Sportmed Wagner in Ravensburg, ist frustriert: „Die ganzen großspurigen Versprechen der Politik sind Irreführung der Menschen“, sagt er. Für Betriebe wie seinen, die wegen des TeilLockdowns im November geschlossen bleiben müssen, hatte die Bundesregierung eigentlich die sogenannte Novemberhilfe auf den Weg gebracht. Das Problem: Ausgezahlt wurde von diesem Geld bisher kein Cent. Wagners Umsatz sinke aber stetig, mit einer geschlossenen Fitnesseinrichtung könne er auch keine Neukunden gewinnen, erklärt er. Lediglich einige Onlinekurse kann er aktuell anbieten. „Manche Leute denken, wir Unternehmer schwimmen jetzt im Geld, weil überall von den Novemberhilfen die Rede ist“, sagt Wagner. Dem sei nicht so.
Das Geldpaket von rund 14 bis 15 Milliarden Euro soll Unternehmen, Selbstständige und Einrichtungen unterstützen, die von den aktuellen Corona-Einschränkungen besonders betroffen sind. Soloselbstständige erhalten eine Abschlagszahlung von bis zu 5000 Euro, andere Unternehmen bis zu 10 000 Euro. „Bis jetzt gibt es aber noch nicht einmal einen Antrag, der soll jetzt kommen und dann müssen wir das alles über unser Steuerbüro beantragen“, erklärt Karl-Eugen Stöhr, Inhaber der Konditorei und des Café Stöhr in Leutkirch. Zahlungen erwarte er deshalb nicht vor Mitte Dezember. „Und dabei wollten sie uns großzügig und schnell unterstützen.“Wie Karl-Eugen Stöhr geht es vielen Unternehmern im Gastgewerbe in Baden-Württemberg. Wie der Branchenverband Dehoga BadenWürttemberg auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“mitteilt, gaben bei einer Umfrage unter den 2700 Dehoga-Mitgliedsbetrieben aus Baden-Württemberg 71,5 Prozent an, dass sie sich in ihrer wirtschaftlichen Existenz durch die Corona-Krise gefährdet sehen.
„Die Lage ist extrem ernst“, sagt Dehoga-Sprecher Daniel Ohl. „Dass der Staat es nicht schafft, die groß angekündigte Novemberhilfe schnell und unkompliziert auf den Weg zu bringen, schadet massiv der Akzeptanz der Lockdown-light-Maßnahmen bei den betroffenen Betrieben.“Laufende Kosten, zum Beispiel Pachten oder Kreditverpflichtungen, würden bei vielen Unternehmen weiterlaufen, es drohe das wirtschaftliche Aus. „Dies gilt umso mehr, als bei vielen Betrieben aufgrund der hohen Verluste im Verlauf der Corona-Krise mittlerweile die Reserven aufgezehrt sind und der Schuldenstand gestiegen ist“, erklärt Ohl. Die Auszahlung der
Novemberhilfe sei entsprechend viel zu langsam. Gewissheit ist für die Betriebe bisher nicht in Sicht. „Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist die Auszahlung erster Novemberhilfen noch in diesem Monat“, teilt ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“mit. Die Antragstellung und Auszahlung soll elektronisch über eine Internetplattform erfolgen. „Das Bundeswirtschaftsministerium hat die Programmierung des Antragsverfahrens für die Novemberhilfe bei dem beauftragten IT-Dienstleister bestellt“, sagt der Sprecher weiter. Starten soll die Antragstellung laut Website voraussichtlich am 25. November – ein Termin, den der Ministeriumssprecher nicht bestätigen wollte. „Alle weiteren Vorbereitungen sind derzeit zwischen Bund und Ländern im Gange.“
Bei einer Verlängerung des TeilLockdowns im Dezember plant der Bund nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur außerdem weitere Finanzhilfen für betroffene Unternehmen im Umfang von voraussichtlich 17 Milliarden Euro. DehogaSprecher Daniel Ohl erwartet von der Politik, dass die schon für November angekündigten Hilfen dann in vollem Umfang weiterbezahlt werden. „Gastronomie und Hotellerie sind nicht geschlossen worden, weil sie Pandemietreiber waren, sondern weil die Politik die Kontaktzahlen insgesamt reduzieren und andere Bereiche der Wirtschaft sowie den Bildungssektor offen halten wollte.“Das Gastgewerbe bringe also ein „Sonderopfer“, das nur durch eine angemessene Unterstützung gerechtfertigt werden könne.