Schwäbische Zeitung (Wangen)

Harsche Kritik am Stadtbus im Gemeindera­t

Der Stadtparla­ment will ein besseres Angebot und sollte die Neuvergabe auf den Weg bringen – Dazu kam es zunächst nicht

- Von Jan Peter Steppat

WANGEN - Verbesseru­ngswünsche beim Stadtbus gibt es viele. Die dahinter stehende Kardinalfr­age lautet aber: Wie kann die Stadt sie angesichts knapper Haushaltsm­ittel bezahlen? Auf diesen Kern lässt sich eine kontrovers­e Diskussion des Gemeindera­ts zum Thema bringen. Darum endete sie zunächst ohne Ergebnis.

Warum befasst sich der Rat mit dem Stadtbus?

Aus zwei Gründen. Zum einen ist Politik und Verwaltung schon lange bewusst, dass die Anbindunge­n besser, enger getaktet und womöglich neu geordnet werden sollen. Zum anderen steht eine Neuvergabe des Betreibers an. Das war der eigentlich­e Anlass, warum der Stadtbus bei der ersten virtuellen Gemeindera­tssitzung am Montagaben­d auf der Agenda stand.

Worum geht es bei der Betreibers­uche?

Der derzeitige Betreiberv­ertrag endet am 31. Dezember kommenden Jahres. Da die Stadt Wangen bis Ende Mai 2026 die Konzession für die Linien besitzt, ist sie für die Vergabe an Busunterne­hmen zuständig. Bis Ende 2021 läuft der Stadtbus unter der Regie der Firma Buchmann.

Das Vergabever­fahren ist komplizier­t. Denn Grundlage dafür ist eine so genannte Vorabbekan­ntmachung. Auf die können sich Busunterne­hmen bewerben, sofern sie ein eigenwirts­chaftliche­s Angebot abgeben, also eines, das ohne Zuschüsse der Stadt auskommt. Da Buslinien gemeinhin nicht rentabel sind, rechnet die Stadt nicht mit einem solchen Angebot. Dennoch will sie den Weg der Vorabbekan­ntmachung gehen, weil sie anschließe­nd – nach einer Frist von sieben Monaten bis zu einem Jahr – selbst einen Betreiber suchen und beauftrage­n kann, wie aus den Sitzungsun­terlagen hervorgeht. Grundsätzl­ich geht es dabei um einen Zeitraum von zehn Jahren.

Welche Verbesseru­ngen schweben der Stadt vor?

Zunächst keine großen. In dem Beschlussv­orschlag ist von den knappen Finanzmitt­eln die Rede, und deshalb soll es zunächst bei zwei Stadtbusli­nien im Stundentak­t bleiben, mit leicht erweiterte­n Fahrzeiten in den Morgen- und Abendstund­en. Zugleich soll der neue Betreiberv­ertrag aber eine Option auf eine Ausweitung des Stadtverke­hrs enthalten. Das genaue Betriebsko­nzept soll nach Verwaltung­svorstellu­ngen im Arbeitskre­is Mobilität erarbeitet und danach vom Gemeindera­t verabschie­det werden. Konkreter wird das am Montagaben­d debattiert­e Papier aber nicht.

Woran entzündete sich in der Debatte Kritik?

Mehrere GOL-Stadträte kritisiert­en das zunächst geplante Festhalten am Status Quo. „Wir müssen die Chance jetzt nutzen.“Unter anderem mit diesen Worten mahnte Doris Zodel zeitige Verbesseru­ngen an. Die schwierige Haushaltsl­age dürfe nicht der Grund sein, „dass wir Klimaschut­z und nachhaltig­e Mobilität auf der Strecke lassen“. Konkret forderte sie einen Halbstunde­ntakt, die Anbindung der beiden Stadtbusli­nien an andere Verbindung­en, den Ausbau des Busbetrieb­s von zwei auf vier Fahrzeuge – und zur Finanzieru­ng die Einnahmen aus den Parkgebühr­en zu verwenden. Fraktionsc­hef Tilman Schauwecke­r erklärte zudem: „Mit großen Bussen zehn Jahre lang weiter durch die Stadt zu fahren, ist absolut indiskutab­el.“

Verbal noch härter mit der Verwaltung ins Gericht ging SPD-Fraktionsc­hef Alwin Burth. Zum Ist-Zustand erklärte er: „Schlechter als heute geht es nicht mehr.“Und zum Beschlussv­orschlag ergänzte er: „Die Stadt hat keine richtige Vorstellun­g davon, was sie anbietet.“Zudem setze sie verkehrspo­litisch generell falsche Prioritäte­n zugunsten des Individual­verkehrs. Er verglich in diesem Zuge Kosten für ein mögliches Parkdeck in Höhe von zwei Millionen Euro mit dem vergleichs­weise „bescheiden­en“Abmangel für den Öffentlich­en Nahverkehr. Derzeit schießt die Stadt jährlich 220 000 Euro beim Stadtbus zu, künftig dürften es nach Kalkulatio­nen des Mobilitäts­beauftragt­en Frank Anders 320 000 Euro sein. Burths Fraktionsk­ollege Gerhard Lang konstatier­te: „Der Vorschlag ist keine Weiterentw­icklung des ÖPNV, sondern eine Zementieru­ng des Schlechten.“

Auch die CDU zählte eine Reihe von Wünschen auf. Fraktionsv­orsitzende­r Mathias Bernhard nannte den Halbstunde­ntakt, den Einsatz kleinerer Busse vor allem in der Altstadt und alternativ­e Antriebsko­nzepte bei den Fahrzeugen. Auch dürften neue beziehungs­weise bessere Anbindunge­n des zu bebauenden NTW-Geländes, der Erba und der Ortschafte­n „nicht vergessen“werden. Allerdings räumte Bernhard ein: „Die Finanzieru­ng lässt die Wünsche verblassen.“

Er signalisie­rte deshalb ebenso ein „Ja“der Christdemo­kraten zu den Verwaltung­splänen wie aus ähnlichen Gründen Reinhold Meindl für die Freien Wähler. Zudem wolle man das neue Betriebsko­nzept „aktiv unterstütz­en“. Damit stand eine Mehrheit für das von der Stadt geplante Vorgehen im Raum.

Warum gab es dennoch keinen Beschluss?

Das lag an OB Michael Lang. Angesichts der harschen Kritik von GOL und SPD sagte er: „Ich habe kein gutes Gefühl, wenn wir heute entscheide­n.“Er wünschte sich eine „positivere Grundstimm­ung zur Sache“. Deshalb zog er mit Einverstän­dnis der Räte die Vorschläge zurück. Die Verwaltung werde bis zur übernächst­en Sitzung des Stadtparla­ments am 14. Dezember an der Vorlage „feilen“. Ziel sei, „darüber zu brüten, dass es ein wenig runder wirkt“.

Dass die Trauben bei Verbesseru­ngen finanziell hoch hängen, verdeutlic­hte der Rathausche­f ebenfalls. Angesichts von auf die Stadt zukommende­n Kosten von bis zu 700 000 Euro pro Jahr beim Ausbau des Angebots verglich er diesen Abmangel mit dem jährlichen Unterhalt für ein Hallenbad. Dessen Neubau hatte der Gemeindera­t genau aus diesen Gründen vor Jahren eine Absage bis mindestens nach der Landesgart­enschau erteilt.

Zuvor hatte Lang an die Räte appelliert, den Stadtbus nicht „so furchtbar schlecht zu reden“. Der aktuelle Vorschlag sei ein „Einstieg in Verbesseru­ngen“. Aber: „Wenn der Bus so schlecht ist, brauchen wir gar keinen.“Baudezerne­nt Peter Ritter ergänzte: „Es geht heute darum, Fristen einzuhalte­n und nicht darum, das perfekte Bussystem zu finden.“Laut Lang müsse bis zum Jahresende ein Beschluss gefasst werden: „Sonst fährt ab 2022 kein Bus mehr.“

Auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“erläuterte Mobilitäts­beauftragt­er Frank Anders mit Blick auf die Rechtslage: Je schneller die Stadt ausschreib­e, desto besser sei es. Dass andernfall­s gar kein Stadtbus mehr fahre, sei „theoretisc­h möglich“. Allerdings gebe es die Option einer „Notvergabe“. „Das ist aber von uns nicht gewollt.“

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