Harsche Kritik am Stadtbus im Gemeinderat
Der Stadtparlament will ein besseres Angebot und sollte die Neuvergabe auf den Weg bringen – Dazu kam es zunächst nicht
WANGEN - Verbesserungswünsche beim Stadtbus gibt es viele. Die dahinter stehende Kardinalfrage lautet aber: Wie kann die Stadt sie angesichts knapper Haushaltsmittel bezahlen? Auf diesen Kern lässt sich eine kontroverse Diskussion des Gemeinderats zum Thema bringen. Darum endete sie zunächst ohne Ergebnis.
Warum befasst sich der Rat mit dem Stadtbus?
Aus zwei Gründen. Zum einen ist Politik und Verwaltung schon lange bewusst, dass die Anbindungen besser, enger getaktet und womöglich neu geordnet werden sollen. Zum anderen steht eine Neuvergabe des Betreibers an. Das war der eigentliche Anlass, warum der Stadtbus bei der ersten virtuellen Gemeinderatssitzung am Montagabend auf der Agenda stand.
Worum geht es bei der Betreibersuche?
Der derzeitige Betreibervertrag endet am 31. Dezember kommenden Jahres. Da die Stadt Wangen bis Ende Mai 2026 die Konzession für die Linien besitzt, ist sie für die Vergabe an Busunternehmen zuständig. Bis Ende 2021 läuft der Stadtbus unter der Regie der Firma Buchmann.
Das Vergabeverfahren ist kompliziert. Denn Grundlage dafür ist eine so genannte Vorabbekanntmachung. Auf die können sich Busunternehmen bewerben, sofern sie ein eigenwirtschaftliches Angebot abgeben, also eines, das ohne Zuschüsse der Stadt auskommt. Da Buslinien gemeinhin nicht rentabel sind, rechnet die Stadt nicht mit einem solchen Angebot. Dennoch will sie den Weg der Vorabbekanntmachung gehen, weil sie anschließend – nach einer Frist von sieben Monaten bis zu einem Jahr – selbst einen Betreiber suchen und beauftragen kann, wie aus den Sitzungsunterlagen hervorgeht. Grundsätzlich geht es dabei um einen Zeitraum von zehn Jahren.
Welche Verbesserungen schweben der Stadt vor?
Zunächst keine großen. In dem Beschlussvorschlag ist von den knappen Finanzmitteln die Rede, und deshalb soll es zunächst bei zwei Stadtbuslinien im Stundentakt bleiben, mit leicht erweiterten Fahrzeiten in den Morgen- und Abendstunden. Zugleich soll der neue Betreibervertrag aber eine Option auf eine Ausweitung des Stadtverkehrs enthalten. Das genaue Betriebskonzept soll nach Verwaltungsvorstellungen im Arbeitskreis Mobilität erarbeitet und danach vom Gemeinderat verabschiedet werden. Konkreter wird das am Montagabend debattierte Papier aber nicht.
Woran entzündete sich in der Debatte Kritik?
Mehrere GOL-Stadträte kritisierten das zunächst geplante Festhalten am Status Quo. „Wir müssen die Chance jetzt nutzen.“Unter anderem mit diesen Worten mahnte Doris Zodel zeitige Verbesserungen an. Die schwierige Haushaltslage dürfe nicht der Grund sein, „dass wir Klimaschutz und nachhaltige Mobilität auf der Strecke lassen“. Konkret forderte sie einen Halbstundentakt, die Anbindung der beiden Stadtbuslinien an andere Verbindungen, den Ausbau des Busbetriebs von zwei auf vier Fahrzeuge – und zur Finanzierung die Einnahmen aus den Parkgebühren zu verwenden. Fraktionschef Tilman Schauwecker erklärte zudem: „Mit großen Bussen zehn Jahre lang weiter durch die Stadt zu fahren, ist absolut indiskutabel.“
Verbal noch härter mit der Verwaltung ins Gericht ging SPD-Fraktionschef Alwin Burth. Zum Ist-Zustand erklärte er: „Schlechter als heute geht es nicht mehr.“Und zum Beschlussvorschlag ergänzte er: „Die Stadt hat keine richtige Vorstellung davon, was sie anbietet.“Zudem setze sie verkehrspolitisch generell falsche Prioritäten zugunsten des Individualverkehrs. Er verglich in diesem Zuge Kosten für ein mögliches Parkdeck in Höhe von zwei Millionen Euro mit dem vergleichsweise „bescheidenen“Abmangel für den Öffentlichen Nahverkehr. Derzeit schießt die Stadt jährlich 220 000 Euro beim Stadtbus zu, künftig dürften es nach Kalkulationen des Mobilitätsbeauftragten Frank Anders 320 000 Euro sein. Burths Fraktionskollege Gerhard Lang konstatierte: „Der Vorschlag ist keine Weiterentwicklung des ÖPNV, sondern eine Zementierung des Schlechten.“
Auch die CDU zählte eine Reihe von Wünschen auf. Fraktionsvorsitzender Mathias Bernhard nannte den Halbstundentakt, den Einsatz kleinerer Busse vor allem in der Altstadt und alternative Antriebskonzepte bei den Fahrzeugen. Auch dürften neue beziehungsweise bessere Anbindungen des zu bebauenden NTW-Geländes, der Erba und der Ortschaften „nicht vergessen“werden. Allerdings räumte Bernhard ein: „Die Finanzierung lässt die Wünsche verblassen.“
Er signalisierte deshalb ebenso ein „Ja“der Christdemokraten zu den Verwaltungsplänen wie aus ähnlichen Gründen Reinhold Meindl für die Freien Wähler. Zudem wolle man das neue Betriebskonzept „aktiv unterstützen“. Damit stand eine Mehrheit für das von der Stadt geplante Vorgehen im Raum.
Warum gab es dennoch keinen Beschluss?
Das lag an OB Michael Lang. Angesichts der harschen Kritik von GOL und SPD sagte er: „Ich habe kein gutes Gefühl, wenn wir heute entscheiden.“Er wünschte sich eine „positivere Grundstimmung zur Sache“. Deshalb zog er mit Einverständnis der Räte die Vorschläge zurück. Die Verwaltung werde bis zur übernächsten Sitzung des Stadtparlaments am 14. Dezember an der Vorlage „feilen“. Ziel sei, „darüber zu brüten, dass es ein wenig runder wirkt“.
Dass die Trauben bei Verbesserungen finanziell hoch hängen, verdeutlichte der Rathauschef ebenfalls. Angesichts von auf die Stadt zukommenden Kosten von bis zu 700 000 Euro pro Jahr beim Ausbau des Angebots verglich er diesen Abmangel mit dem jährlichen Unterhalt für ein Hallenbad. Dessen Neubau hatte der Gemeinderat genau aus diesen Gründen vor Jahren eine Absage bis mindestens nach der Landesgartenschau erteilt.
Zuvor hatte Lang an die Räte appelliert, den Stadtbus nicht „so furchtbar schlecht zu reden“. Der aktuelle Vorschlag sei ein „Einstieg in Verbesserungen“. Aber: „Wenn der Bus so schlecht ist, brauchen wir gar keinen.“Baudezernent Peter Ritter ergänzte: „Es geht heute darum, Fristen einzuhalten und nicht darum, das perfekte Bussystem zu finden.“Laut Lang müsse bis zum Jahresende ein Beschluss gefasst werden: „Sonst fährt ab 2022 kein Bus mehr.“
Auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“erläuterte Mobilitätsbeauftragter Frank Anders mit Blick auf die Rechtslage: Je schneller die Stadt ausschreibe, desto besser sei es. Dass andernfalls gar kein Stadtbus mehr fahre, sei „theoretisch möglich“. Allerdings gebe es die Option einer „Notvergabe“. „Das ist aber von uns nicht gewollt.“