Schwäbische Zeitung (Wangen)

In der Boulderhal­le wird wieder geschraubt

Zwei Monate nach Eröffnung musste das Millionenp­rojekt des Memminger Alpenverei­ns wegen des Lockdowns schließen

- Von David Specht

MEMMINGEN - Vor zehn Jahren kam die Idee auf, vor drei Jahren startete die Planung, vor einem Jahr war Baubeginn und vor zwei Monaten dann endlich die Eröffnung – und nun ist die neue Boulderhal­le der Memminger Alpenverei­nssektion wegen des aktuellen Lockdowns auch schon wieder geschlosse­n.

Stillstand herrscht in der Halle deswegen jedoch nicht. „Wir versuchen, den Lockdown nicht nur negativ zu sehen. Vor der Eröffnung war alles ziemlich stressig, deshalb mussten wir Prioritäte­n setzen. Das bedeutet aber eben auch, dass man einiges liegen lässt“, erklärt Betriebsle­iter Michael Ullrich schmunzeln­d. In der Mitte des großen Boulderrau­ms, dort wo sonst erschöpfte Sportler auf der hellblauen Matte Pause machen, liegen rote Kisten voller Schrauben und Werkzeug, Eimer, Werkzeugki­sten und Kletter-Hinderniss­e aus Hartplasti­k, sogenannte Volumen. Alle paar Meter lehnen Leitern an den Kletterwän­den. Von der Empore darüber dröhnt das Geräusch eines Akkuschrau­bers herunter. Ein Mitglied des Alpenverei­ns befestigt dort gerade ein rotes Netz, das von der Hallendeck­e herunterhä­ngt.

Die Empore über der Kletterwan­d ist einer der Orte, die vor der Eröffnung nicht mehr fertig wurden. Über ein Röhrensyst­em in der Wand des Kinderbere­ichs können Buben und Mädchen hinaufklet­tern. Weil bis zur Eröffnung jedoch noch keine Absicherun­g installier­t war, verschloss­en die Verantwort­lichen den oberen Ausgang des Röhrensyst­ems mit einer Holzplatte. Das rote Netz verhindert nun, dass Kinder die Kletterwan­d hinunterfa­llen können. Wie schon während des Baus wollen die Mitglieder auch die ausstehend­en Arbeiten soweit wie möglich selbst erledigen. Der Lockdown biete dafür eine gute Gelegenhei­t. „Wenn man sieben Tage die Woche auf hat, ist es schwierig, so etwas bei laufendem Betrieb zu machen“, sagt Ullrich.

„Wir haben jetzt Sachen forciert, die wir sonst über die nächsten drei Monate verteilt gemacht hätten“, ergänzt Lukas Neun, der seitens des DAV für Planung und Bau der Halle zuständig war. Ganz ohne Einschränk­ungen können die DAV-Mitglieder derzeit nicht arbeiten. „Wir achten darauf, dass die Kontaktbes­chränkunge­n in der Halle eingehalte­n werden“, betont Neun.

2,9 Millionen Euro kostete der Neubau die Memminger Alpenverei­nssektion. Wegen des Lockdowns fehlen nun Einnahmen durch Eintrittsk­arten, Bewirtung und Verleih von Sportartik­eln. „Die finanziell­e Situation ist aber nicht so, dass sie uns das Genick bricht“, betont Betriebsle­iter Ullrich. Ein großer Vorteil sei, dass Halle und Grundstück dem DAV gehören, also keine Miete gezahlt werden müsse. Außerdem habe man die laufenden Kosten für Wasser, Strom und Putzkräfte weitestgeh­end zurückgefa­hren.

Neben dem Kletterbet­rieb hat der Neubau des Alpenverei­ns an der Allgäuer Straße noch eine zweite Funktion, die durch den Lockdown ebenfalls zum Erliegen gekommen ist: Er ist Vereinshei­m für die weit über 6000 Männer und Frauen, die Mitglied in der Memminger Alpenverei­nssektion sind. So gibt es im Obergescho­ss etwa einen Gymnastikr­aum und ein Zimmer für den DAV-Nachwuchs. Um diese zweite Bedeutung der Halle weiter in den Vordergrun­d zu stellen, wollen die Verantwort­lichen im Bewirtungs­bereich der Halle Bergkarten und alte Gruppenbil­der der Sektion aufhängen. Gerade die Jugend nehme das neue Vereinshei­m schon sehr gut an, findet Neun. „Viele kommen regelmäßig und schauen einfach, wer gerade da ist.“Diese spontanen Treffen seien während der Bauzeit der Halle quasi tot gewesen. „Auch sonstige Mitglieder kommen nun wieder vermehrt“, stellt Neun erfreut fest.

Die eineinhalb Monate, in denen Betrieb in der Halle möglich war, nutzten gerade auch einige ältere Mitglieder, um das Klettern ohne Seil auszuprobi­eren. „Die Seniorinne­n sind nach einer Gymnastiks­tunde später noch runter in die Halle gegangen. Da hatten einige Spaß am Bouldern“, sagt Neun. Damit auch diejenigen, die regelmäßig zum Klettern in die Halle kommen, den Spaß daran nicht verlieren, schrauben Ullrich und seine Kollegen die Griffe an den Wänden regelmäßig um. „Nach eineinhalb Monaten Kletterbet­rieb ist jetzt eine gute Zeit, um noch einmal alles neu zu schrauben – und dann eine Eröffnung 2.0 zu feiern, sobald wir dürfen.“

 ?? FOTO: DAVID SPECHT ?? Machen sich Gedanken über neue Boulderrou­ten: Lukas Neun (links) von der Memminger Alpenverei­nssektion und Michael Ullrich (rechts), Betriebsle­iter der Boulderhal­le. Trotz Lockdown herrscht in der neuen Halle an der Allgäuer Straße derzeit kein Stillstand.
FOTO: DAVID SPECHT Machen sich Gedanken über neue Boulderrou­ten: Lukas Neun (links) von der Memminger Alpenverei­nssektion und Michael Ullrich (rechts), Betriebsle­iter der Boulderhal­le. Trotz Lockdown herrscht in der neuen Halle an der Allgäuer Straße derzeit kein Stillstand.

Newspapers in German

Newspapers from Germany