In der Boulderhalle wird wieder geschraubt
Zwei Monate nach Eröffnung musste das Millionenprojekt des Memminger Alpenvereins wegen des Lockdowns schließen
MEMMINGEN - Vor zehn Jahren kam die Idee auf, vor drei Jahren startete die Planung, vor einem Jahr war Baubeginn und vor zwei Monaten dann endlich die Eröffnung – und nun ist die neue Boulderhalle der Memminger Alpenvereinssektion wegen des aktuellen Lockdowns auch schon wieder geschlossen.
Stillstand herrscht in der Halle deswegen jedoch nicht. „Wir versuchen, den Lockdown nicht nur negativ zu sehen. Vor der Eröffnung war alles ziemlich stressig, deshalb mussten wir Prioritäten setzen. Das bedeutet aber eben auch, dass man einiges liegen lässt“, erklärt Betriebsleiter Michael Ullrich schmunzelnd. In der Mitte des großen Boulderraums, dort wo sonst erschöpfte Sportler auf der hellblauen Matte Pause machen, liegen rote Kisten voller Schrauben und Werkzeug, Eimer, Werkzeugkisten und Kletter-Hindernisse aus Hartplastik, sogenannte Volumen. Alle paar Meter lehnen Leitern an den Kletterwänden. Von der Empore darüber dröhnt das Geräusch eines Akkuschraubers herunter. Ein Mitglied des Alpenvereins befestigt dort gerade ein rotes Netz, das von der Hallendecke herunterhängt.
Die Empore über der Kletterwand ist einer der Orte, die vor der Eröffnung nicht mehr fertig wurden. Über ein Röhrensystem in der Wand des Kinderbereichs können Buben und Mädchen hinaufklettern. Weil bis zur Eröffnung jedoch noch keine Absicherung installiert war, verschlossen die Verantwortlichen den oberen Ausgang des Röhrensystems mit einer Holzplatte. Das rote Netz verhindert nun, dass Kinder die Kletterwand hinunterfallen können. Wie schon während des Baus wollen die Mitglieder auch die ausstehenden Arbeiten soweit wie möglich selbst erledigen. Der Lockdown biete dafür eine gute Gelegenheit. „Wenn man sieben Tage die Woche auf hat, ist es schwierig, so etwas bei laufendem Betrieb zu machen“, sagt Ullrich.
„Wir haben jetzt Sachen forciert, die wir sonst über die nächsten drei Monate verteilt gemacht hätten“, ergänzt Lukas Neun, der seitens des DAV für Planung und Bau der Halle zuständig war. Ganz ohne Einschränkungen können die DAV-Mitglieder derzeit nicht arbeiten. „Wir achten darauf, dass die Kontaktbeschränkungen in der Halle eingehalten werden“, betont Neun.
2,9 Millionen Euro kostete der Neubau die Memminger Alpenvereinssektion. Wegen des Lockdowns fehlen nun Einnahmen durch Eintrittskarten, Bewirtung und Verleih von Sportartikeln. „Die finanzielle Situation ist aber nicht so, dass sie uns das Genick bricht“, betont Betriebsleiter Ullrich. Ein großer Vorteil sei, dass Halle und Grundstück dem DAV gehören, also keine Miete gezahlt werden müsse. Außerdem habe man die laufenden Kosten für Wasser, Strom und Putzkräfte weitestgehend zurückgefahren.
Neben dem Kletterbetrieb hat der Neubau des Alpenvereins an der Allgäuer Straße noch eine zweite Funktion, die durch den Lockdown ebenfalls zum Erliegen gekommen ist: Er ist Vereinsheim für die weit über 6000 Männer und Frauen, die Mitglied in der Memminger Alpenvereinssektion sind. So gibt es im Obergeschoss etwa einen Gymnastikraum und ein Zimmer für den DAV-Nachwuchs. Um diese zweite Bedeutung der Halle weiter in den Vordergrund zu stellen, wollen die Verantwortlichen im Bewirtungsbereich der Halle Bergkarten und alte Gruppenbilder der Sektion aufhängen. Gerade die Jugend nehme das neue Vereinsheim schon sehr gut an, findet Neun. „Viele kommen regelmäßig und schauen einfach, wer gerade da ist.“Diese spontanen Treffen seien während der Bauzeit der Halle quasi tot gewesen. „Auch sonstige Mitglieder kommen nun wieder vermehrt“, stellt Neun erfreut fest.
Die eineinhalb Monate, in denen Betrieb in der Halle möglich war, nutzten gerade auch einige ältere Mitglieder, um das Klettern ohne Seil auszuprobieren. „Die Seniorinnen sind nach einer Gymnastikstunde später noch runter in die Halle gegangen. Da hatten einige Spaß am Bouldern“, sagt Neun. Damit auch diejenigen, die regelmäßig zum Klettern in die Halle kommen, den Spaß daran nicht verlieren, schrauben Ullrich und seine Kollegen die Griffe an den Wänden regelmäßig um. „Nach eineinhalb Monaten Kletterbetrieb ist jetzt eine gute Zeit, um noch einmal alles neu zu schrauben – und dann eine Eröffnung 2.0 zu feiern, sobald wir dürfen.“