Was geht in diesen Menschen vor?
Immer wieder werden Steine von Brücken auf fahrende Autos geworfen
MEMMINGEN - Der Fahrer eines Kleintransporters ist am Freitagabend auf der A 96 bei Memmingerberg (Unterallgäu) unterwegs, als er erkennt, dass etwas von einer Brücke geflogen kommt. Er bremst ab, dennoch schlägt ein Stein in der Motorhaube ein. Die Insassen des Wagens bleiben unverletzt, doch das ist wohl nur dem Zufall zu verdanken. Immer wieder kommt es bei solchen Taten zu schweren Unfällen. Doch wer wirft Steine auf fahrende Autos und welche Motivation steckt dahinter?
Zu dieser Frage gibt es verschiedene Hypothesen, sagt Andreas Küthmann, Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses Memmingen. „Dahinter kann Frustration oder der Ärger über bestimmte Situationen stecken.“Auch die Demonstration von Macht könne eine Rolle spielen. „Der Täter hat es in der Hand, andere zu treffen, zu verunsichern, zu verletzen oder sogar zu töten“, erläutert der Psychiater. Manch einer wolle auch aus einer Kränkung heraus zeigen, was er bewirken kann. Doch auch andere Szenarien seien vorstellbar, beispielsweise Mutproben unter Jugendlichen oder Menschen, „die es einfach ausprobieren wollen“.
Nicht jeder, der Steine oder andere Gegenstände von Brücken auf Autos wirft, ist zwangsläufig psychisch krank, sagt Küthmann. Handlungen aus Frustration seien auch bei gesunden Menschen möglich. „Trotzdem muss man sich mit Personen, die so etwas tun, auseinandersetzen und ihrer Motivation auf den Grund gehen.“Der Experte mahnt jedoch vor zu viel medialer Aufmerksamkeit: „Handlungen, die spektakulär oder besonders gefährlich wirken, regen Nachahmer an.“
„Taten dieser Art entstehen oftmals spontan“, sagt Franziska Hihler, Leiterin der Autobahnpolizeistation Memmingen. Die Täter zu finden sei daher oft nicht einfach, auch im jüngsten Fall wird noch nach dem Steinewerfer gesucht. „Manchmal gibt es Zeugen und die Werfer werden erkannt. Es kann aber auch ein zufällig vorbeikommender Tourist in einem unbeobachteten Moment einen Stein schmeißen“, sagt Polizeisprecher Julian Klima. Laut Franziska Hihler kommt der Öffentlichkeitsfahndung in vielen Fällen eine besondere Bedeutung zu: Gibt es unbeteiligte Zeugen, die auffällige Wahrnehmungen gemacht und sogar die Tat beobachtet haben?
Denn auch wenn niemand verletzt wird, ist Steinewerfen kein Kavaliersdelikt. Anfang dieses Jahres beispielsweise wurde ein einfahrender Zug am Lindauer Hauptbahnhof von einem sieben Kilogramm schweren Stein getroffen. Der Lokführer erlitt einen Schock, die Polizei ermittelte wegen versuchten Totschlags. Wer Steine auf Straßen schmeißt, muss nach Angaben der Polizei mit schwerwiegenden Konsequenzen rechnen. Demnach drohen bei solchen Straftaten bis zu zehn Jahre Haft. Für viel Aufsehen sorgte 2016 das tragische Schicksal einer vierköpfigen Familie aus Laupheim. Ihr Auto wurde auf der A 7 von einem zwölf Kilogramm schweren Betonklotz getroffen. Eltern und Kinder wurden verletzt, die Mutter verlor bei dem Unglück sogar einen Unterschenkel. Der psychisch kranke Täter ist wegen versuchten Mordes zu neuneinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. DNA-Spuren an dem Betonklotz hatten die Ermittler damals auf seine Spur gebracht.