Onlinesitzung nur als Notinstrument
Warum der Gemeinderat Bad Wurzach persönlich tagt
BAD WURZACH (sl) - Der Gemeinderat der Stadt Bad Wurzach wird auch weiterhin persönlich tagen. Eine Verlegung ins Internet ist derzeit im Rathaus kein Thema.
Von virtuellen Sitzungen sei man „noch weit entfernt“, sagt der städtische Pressesprecher Martin Tapper. Der Stadtrat von Wangen hat dagegen diesen Montag erstmals per Videokonferenz getagt, die Stadt Ravensburg hat sich zumindest diese Möglichkeit kürzlich mit einer Änderung der Hauptsatzung erschlossen.
Die Bad Wurzacher setzen dagegen weiterhin auf persönliche Sitzungen. „Der Aufwand für Onlinesitzungen wäre sehr hoch und für eine Kommune unserer Größenordnung fast nicht machbar“, sagt Martin Tapper, der in der Verwaltung auch für die Gremienarbeit zuständig ist.
So müsste bei virtuellen Sitzungen gewährleistet sein, dass alle Ratsmitglieder, die für die Sitzung nötigen Verwaltungsexperten und nicht zuletzt die Ortsvorsteher Zugang haben. Die dafür nötigen Internetverbindungen stehen dafür jedoch im Gemeindegebiet noch nicht überall zur Verfügung. „Es ist ja keinem geholfen, wenn auf einmal mehrere Mitglieder aus technischen Gründen aus der Sitzung fallen und die Sitzung daher dann am Ende abgebrochen werden muss“, skizziert Tapper den schlimmstmöglichen Verlauf.
Wäre eine Onlinesitzung, so glaubt Tapper, „technisch vielleicht noch irgendwie umsetzbar“, würde es für die Verwaltung einen hohen Personalaufwand erfordern, die vorgeschriebene Öffentlichkeit einer solchen virtuellen Sitzung herzustellen – in Wangen war die Sitzung am Montag in die Stadthalle übertragen worden. „Wir müssten diese Sitzung auch in einen Raum der Gemeinde übertragen. Dort bräuchten wir dann einen Techniker, der die Übertragung gewährleistet und bei Bedarf eingreift, und mindestens eine Person, die die Kontaktdaten der Besucher aufnimmt, die Abstände zwischen den Zuhörern gewährleistet und am Ende alles wieder desinfiziert.“Dies alles auf die Gefahr hin, dass gar niemand das Angebot wahrnimmt.
Und dies zusätzlich zum Personal, das sowieso für Ratssitzungen eingesetzt werden muss. „Die Kosten pro Sitzung würden sich mindestens verdoppeln“, glaubt Tapper und ist daher der Überzeugung: „Ändert sich an den aktuellen Vorschriften nichts Gravierendes wird das in absehbarer Zeit in Bad Wurzach nicht kommen.“
Die Stadt sei außerdem mit ihrem Hygienekonzept bei Ratssitzungen sehr gut gefahren, betont Tapper. So gut, dass selbst, als ein Ratsmitglied im Oktober unwissentlich infiziert an einer Sitzung teilgenommen hat, kein anderer Anwesender in Quarantäne musste. Die Gremiumsmitglieder und die Zuhörer sitzen mindestens 1,5 Meter auseinander, außer am Sitzplatz muss überall ein Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden, Desinfektionsmittel stehen bereit.
Als relativ kleiner Gemeinderat (22 Mitglieder) hat Bad Wurzach mit dem Kursaal auch einen nahezu idealen Ort für „Corona-Sitzungen“. Frühzeitig in der Corona-Krise zog der Rat von Maria Rosengarten dorthin. Mit Vertretern der Verwaltung und der Ortschaften sind meist nicht mehr als 30 bis 35 Personen anwesend, die aufgrund der Raumgröße problemlos mit den nötigen Abständen verteilt werden können. Zuhörer, deren Anzahl zumeist recht überschaubar ist, nehmen auf der Empore Platz.
Dass Städte mit größeren Gremien – Wangen hat 37 Ratsmitglieder, Ravensburg 33 – Platzprobleme haben, kann Tapper freilich verstehen. „Wir aber haben da keinen Druck. Virtuelle Sitzungen sehe ich eher als Notinstrument, wenn’s irgendwann mal gar nicht mehr anders geht.“
Alle 30 Minuten wird der Saal auch für mehrere Minuten gelüftet. „Eine Maßnahme on top“, nennt das Tapper, denn eigentlich wäre das wegen der Lüftungsanlage im Kursaal nicht nötig. „Sie wälzt dreimal pro Stunde die Luft um und führt dabei Frischluft zu. Schon das würde ausreichen, um die Hygienevorschriften zu erfüllen.“
Trotz aller Maßnahmen bemüht sich die Verwaltung, die Tagesordnung jeder Sitzung so kurz wie möglich zu halten. „Wir hinterfragen jedes Thema“, sagt Tapper, verweist aber auch darauf, dass der Verwaltung da Grenzen gesetzt sind. Im sogenannten Umlaufverfahren erlaubt die Gemeindeordnung nur einige wenige Themen, und viele andere sind mit Fristen, zum Beispiel zur Auftragsvergabe oder für Förderanträge, verbunden. „Was wir seit einigen Monaten aber zum Beispiel gar nicht mehr machen, sind Jahresberichte.“Solche gaben in „normalen“Jahren zum Beispiel die Bad Wurzach Info oder Organisationen wie die Lebensräume für Jung und Alt ab. Keine Probleme, an persönlichen Sitzungen festzuhalten, sieht Tapper bei den kleineren Ratsausschüssen und den Ortschaftsräten. Im Gegensatz zu Gemeinderäten, die in der Regel einmal im Monat tagen müssen, kommen diese Gremien auch nicht so oft zusammen.
In Bad Waldsee hat die Stadt wegen der Außentemperaturen allen Sitzungsteilnehmern Decken spendiert. Das kam sehr gut an. In Bad Wurzach ist so etwas noch nicht geplant. „Aber ich kann’s ja mal ansprechen“, sagt Martin Tapper lächelnd.