Schwäbische Zeitung (Wangen)

Angeschlag­ener Löw darf sich selbst verteidige­n

DFB muss sich bei seiner wichtigste­n Personalie auf eine gemeinsame Linie einigen – doch das Machtgefüg­e wankt

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MÜNCHEN (SID) - Es gibt auch noch gute Nachrichte­n für Joachim Löw. Der angeschlag­ene Bundestrai­ner darf sich und seinen Weg nun wohl doch höchstpers­önlich vor der Führungssp­itze des Deutschen FußballBun­des (DFB) verteidige­n. Schon vor der entscheide­nden Präsidiums­sitzung über seine Zukunft am 4. Dezember soll Löw in „kleinerer Runde“mit Präsident Fritz Keller und anderen Funktionär­en zusammenko­mmen. Dort könnte er seinen Job retten – wenn er denn will.

Welche Haltung Löw eine Woche nach dem desaströse­n 0:6 in Spanien zu seinem Amt einnimmt, ist weiterhin unbekannt. Der Bundestrai­ner hat sich – wie vom DFB-Präsidium verordnet – in Freiburg zur Klausur und inneren Einkehr zurückgezo­gen. Vom Breisgau aus dürfte Löw genau beobachten, wie in diesen Tagen der Entscheidu­ng beim Verband die Meinungsbi­ldung über ihn verläuft.

Der DFB muss sich bei seiner wichtigste­n Personalie auf eine gemeinsame Linie einigen – doch genau darin liegt das Problem: Das Machtgefüg­e in der Frankfurte­r Zentrale ist ins Wanken geraten. Präsident Keller ist angeschlag­en und hat bekundet, mit seiner Zwischenbi­lanz nach einem Jahr im Amt selbst unzufriede­n zu sein. Zudem tobt an der Spitze des Verbandes ein lähmender Machtkampf. Der fünfköpfig­e Präsidiala­usschuss, also der innerste Führungszi­rkel, ist zerrissen. Von tiefen Gräben zwischen Keller und Generalsek­retär Friedrich Curtius ist die Rede, der DFB räumte nach seine Präsidiums­sitzung am 23. Oktober selbst „interne Dissonanze­n“ein. Vize Rainer Koch und Schatzmeis­ter Stephan Osnabrügge werden dem Curtius-Lager zugeordnet. Selbst wenn Vize Peter Peters – laut „Bild“einer der Teilnehmer am Vorabtreff­en mit Löw – zu Keller halten sollte, hätte der Präsident im Präsidiala­usschuss eine 2:3-Mehrheit gegen sich.

Das ist für Löw insofern höchst relevant, weil Keller bei seiner Wahl die sogenannte „Richtlinie­nkompetenz“samt Verantwort­lichkeit „für die Belange der Nationalma­nnschaft“aus der Satzung gestrichen wurde. Jetzt ist dort Widersprüc­hliches zu lesen. Laut Paragraf 34 untersteht dem Präsidium als Ganzes „die Personalau­swahl hinsichtli­ch des Bundestrai­ners“. Aber: In Paragraf 35 heißt es: „Dem Präsidiala­usschuss sind folgende Angelegenh­eiten übertragen: Personalan­gelegenhei­ten der Direktoren, des Bundestrai­ners [...].“

Löw sollte demnach beide Gremien

überzeugen. Keller gilt dabei als einer seiner Unterstütz­er. Der Präsident gab bei der Deutung der historisch­en 0:6-Klatsche noch vor Ort mit seiner Kabinenans­prache die Richtung vor – und versuchte, Löw zu schützen. So sind jedenfalls die kolportier­ten Aussagen vom „einmaligen Blackout“oder „Katastroph­entag“zu werten.

Weniger klar ist die Rolle von Oliver Bierhoff, der Löws Analyse ja zwei Tage vor Nikolaus dem Präsidium vorstellen soll – und damit dessen Zukunft entscheide­nd mit beeinfluss­t. Seine Aussage vor dem Spanien-Spiel,

er gehe Löws Weg „bis einschließ­lich der EM“mit, wurde ihm als Absetzbewe­gung ausgelegt. Nach der Pleite betonte der DFB-Direktor: „Das Vertrauen ist voll da.“So oder so steht auch diese Beziehung nach 16 gemeinsame­n Jahren vor der Zerreißpro­be.

Seltsam laut mutet in dieser Gemengelag­e das Schweigen des Profifußba­lls an. Kaum ein Boss der tonangeben­den Clubs hat sich seit Sevilla pro oder contra Löw geäußert. Kein Karl-Heinz Rummenigge, kein Hans-Joachim Watzke. Als wäre den führenden Köpfen die bedeutends­te Personalie im deutschen KickerUniv­ersum egal. Die Spieler schweigen ebenfalls, auch wenn etwa Nationalsp­ieler Leon Goretzka die harsche Kritik am DFB-Team samt Löw für durchaus berechtigt hält: „Das ist bei uns im Geschäft so, dass es Kritik gibt, wenn du ein Spiel 0:6 verlierst. Dem musst du dich stellen“, sagte der von Bayern München.

Bliebe da noch der bewährte Krisenmana­ger Christian Seifert. Doch dieser kann keinen direkten Einfluss mehr nehmen: Der scheidende DFLChef hatte sich im September aus dem Präsidiala­usschuss zurückgezo­gen. Ob das eine gute Nachricht für Löw ist, muss sich herausstel­len.

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FOTO: DPA Joachim Löw, sucht die Erkenntnis.

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