Fließend wieder – und das stabil
Kombinierer Eric Frenzel hat sich vor dem WM-Winter an einem neuen Zugang zum heiklen Sprung-Part versucht
Vergangenen Samstag ist Eric Frenzel 32 geworden. Kein Alter! Wirklich kein Alter für einen Leistungssportler, für den (dienst)ältesten Nordischen Kombinierer der deutschen Weltcup-Mannschaft? Man ist versucht, Hermann Weinbuch zu bemühen, den Bundestrainer, mit all seinem Staunen, als er 2018 in Pyeongchang Olympiagold seines Athleten würdigen soll: Normalschanze erst, nun zehn Kilometer Langlauf, letzter fies giftiger Anstieg. Vorher schon hatte Eric Frenzel den Druck erhöht, mürbe machend, jetzt zieht er davon. 61 Kilogramm Willen. O-Ton Weinbuch seinerzeit: „Unglaublich, für so ein klein’s Mannderl – was für a Energie er hat. Im Kopf vor allem, da ist er brutal stark. Aber auch sonst.“Einzig logische Folgerung: „Kein normaler Mensch in dem Sinn!“
Okay, die launige Zuspitzung erklären Emotion und/oder Euphorie. Und: Natürlich liegt das zweidreiviertel Jahre zurück. Doch manche Dinge bleiben, und auch das Frenzel’sche Bulletin in eigener Sache klingt nicht nach ausbremsender Vergreisung: „Es geht mir noch sehr, sehr gut. Mein Körper fühlt sich ganz gut an. Man merkt natürlich schon, dass gewisse höhere und längere Belastungen etwas mehr Regeneration erfordern, aber ich greife andererseits ja auf eine größere Grundlagenausdauer zurück.“Kurz: Der Weltcup-Winter (der 14. des Eric Frenzel) kann kommen.
Tut er. In Kuusamo. Drei Wettkämpfe stehen Freitag, Samstag, Sonntag auf der und um die Rukatunturi-Schanze an, für den Mann vom sächsischen SSV Geyer werden es die Einzel-Starts 218, 219 und 220 sein. Seine Bilanz bisher: 43 Siege, 22 zweite und elf dritte Plätze (plus zehn Siege in Team/Teamsprint) – mehr geht kaum. Mehr soll wieder gehen: Vergangene Saison stand Eric Frenzel kein einziges Mal auf dem Podium, war er als Gesamtweltcup-Siebter zwar Drittbester in der Loipe, aber halt Nummer 14 der LuftkünstlerHierarchie. Das Problem hieß Skisprung, es war ein kollektiv deutsches. Eric Frenzel, Olympiasieger dreimal, Gesamtweltcup-Sieger fünfmal, Weltmeister siebenmal – einer also, der weiß, wie’s geht –, kann’s trefflich erklären. Kann’s umsetzen, besser machen. Mittlerweile.
Die Arbeit im Sommer nämlich fruchtete; Corona beeinträchtigte sie dank so manch logistischer Volte erfreulich wenig. Als „sicherlich weitreichend“indes hat Eric Frenzel den Abschied von Sprungtrainer Ronny Ackermann verortet. „Platz machen“wollte der im Frühjahr – „für ’nen neuen Input“. Den liefert nun Heinz Kuttin, Kärntener, Skisprung-Weltmeister (1991) und -Nationaltrainer (Österreich). Spaß mache das Miteinander, sagt Eric Frenzel, und dass man das Skispringen jetzt nicht komplett neu erfinden werde. „Aber es geht schon darum, dass Heinz eine etwas andere Herangehensweise hat, einfach den Sprung mehr als Ganzes sieht – was wir in den letzten Jahren ein bisschen verloren hatten. Wir waren halt auf jedes kleine Detail aus, haben uns damit zu sehr beschäftigt, zu sehr daran aufgehängt und haben so den Fluss, den Rhythmus des Skispringens
ein bisschen verloren.“Beredtes (wenngleich kurzes) Schweigen. „Zumindest ich für meinen Teil.“
Die Suche ist weit gediehen. Hermann Weinbuchs Beobachtung: „Eric musste anfangs lang arbeiten, bis etwas vorwärtsging. Er hat da aber wirklich Ruhe bewahrt. Zum Schluss, die letzten drei, vier Wochen, ging es steil bergauf. Er hat zuletzt richtig gute Sprünge gemacht.“Fließend wieder, auf stabilem Niveau. Heißt für Kuusamo, heißt für die Kräftemessen danach, Eric Frenzel? „Ich glaube, wir sind konkurrenzfähiger geworden.“Auf Skating-Ski gab es da ohnehin nie Zweifel; auf Sprungski hofft man, Meter gutgemacht zu haben gegenüber denen, die mit Macht vorneweg flogen bis März: Jarl Magnus Riiber vor allem, aber auch Jens Lurås Oftebro und Espen Bjørnstad aus Norwegen, auch Österreichs Franz-Josef Rehrl.
Käme es so, Eric Frenzels Erwartungen an sich und seine Saison wären mitnichten zu ambitioniert: Sein „großes Highlight“diesen Winter ist definitiv Oberstdorf 2021, die HeimWeltmeisterschaft. Von ihrem Stattfinden geht Eric Frenzel kategorisch aus, „ich will einfach, dass ich dafür vorbereitet bin“. Ohne Wenn und Aber seriös vorbereitet, denn: „Ziel ist es auf jeden Fall, Medaillen zu gewinnen.“Mit dann zweiunddreißigeinviertel. Noch immer keinem Alter!