Unterricht aus dem Filmstudio
Lehrer können in Ravensburg Erklärvideos aufnehmen – Kultusministerin zu Besuch
RAVENSBURG - Lehrer im Scheinwerferlicht: Am Kreismedienzentrum in Ravensburg können neuerdings Erklärvideos für Schüler aufgezeichnet und produziert werden. Mit solchen Methoden verändert sich der Unterricht grundlegend, wie zwei Lehrer am Freitag anlässlich eines Besuchs von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) erklärten. Auch ein digitales Klassenzimmer wurde der Ministerin in Ravensburg vorgestellt. Bis jedoch flächendeckend alle Schulen mit solch moderner Technik ausgestattet sind, werden laut Eisenmann noch Jahre vergehen.
Lehrer Simon Strobel von der Schule im Schlosspark Aulendorf hat auf dem Bürostuhl im Video-Studio Platz genommen. Er kennt sich mit der neuen Technik schon aus, zeigt der Ministerin ein erstes von ihm produziertes Video, in dem er für seine Schüler rappt: Mit Sprechgesang bringt er ihnen die Grundlagen des Bruchrechnens näher. „Ich bin der festen Überzeugung, das wird den Schülern gefallen – und wenn es nur die Eselsbrücke ist, sich die Fachbegriffe zu merken“, sagt sein Kollege Sebastian Stoll von der GeschwisterScholl-Realschule in Riedlingen, der schon in seinem Heimstudio viel Erfahrung mit Erklärvideos im Unterricht gesammelt hat und das VideoStudio am Kreismedienzentrum Ravensburg mitentwickelt hat.
Für Stoll ist es die Zukunft des Lernens, Inhalte per Video zu vermitteln. Das System nenne sich „flipped classroom“(deutsch: umgedrehtes Klassenzimmer) – umgedreht deshalb, weil die Stoffvermittlung nicht mehr in der Schule stattfindet, sondern ausgelagert wird, wie Stoll sagt. Das heißt, Schüler schauen sich die Videos zu Hause an, so oft sie wollen und wann sie wollen. Im Unterricht können dann Fragen zum entsprechenden Thema beantwortet werden. Weil Stoll schon viele Erklärvideos parat hatte, habe er nahezu problemfrei in den Lockdown im Frühjahr gehen können.
Mit dem neuen Video-Studio sollen auch Lehrer, die noch keine Lernvideos produziert haben, an das Thema herangeführt werden. „Das ist einfach, man muss nur Start und Stopp drücken“, sagt Stoll. Nach dem Abbau erster Ängste hätten viele ihrer Kollegen Lust, eigene Inhalte zu produzieren, sagen Strobel und Stoll. Auch Elterninformationen könnten dort eingesprochen werden, heißt es.
Ministerin Susanne Eisenmann lobte die Einrichtung eines solchen Studios als „passgenau“. In der Corona-Krise kommt digitalen Unterrichtsmethoden plötzlich Bedeutung zu. Die Digitalisierung an Schulen im Land sei längst nicht so weit gewesen, wie sie hätte sein müssen, damit die Situation von Anfang an gut gemeistert werden kann, räumt Eisenmann ein. Wenn das Virus für etwas gut sei, dann für den Fortschritt bei der Digitalisierung im Bildungs- aber auch Verwaltungsbereich in BadenWürttemberg. Eisenmanns Vorsatz: „Nicht nachlassen, auch nicht, wenn Corona vorbei ist.“
Der Politikerin wurde an der beruflichen Humpis-Schule in Trägerschaft des Landkreises auch ein digitales Klassenzimmer vorgestellt. Dort arbeiten Lehrer und Schüler an Computern, die Tafel ist einer Projektionswand gewichen, alle Arbeitsplätze sind miteinander vernetzt.
Gerade Berufschulzentren seien gut aufgestellt, was technische Ausstattung für digitales Lernen angeht – bis aber alle Schulen, auch die allgemeinbildenden, in Baden-Württemberg auf solcherlei Technik zurückgreifen können, wird es noch Jahre dauern, wie Eisenmann auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“sagte. Damit die Technik nicht angeschafft wird und dann „verrottet“, wollte Landrat Harald Sievers wissen, wie das Kultusministerium die Schulträger bei Wartung und Erhalt unterstützen will. Eisenmann sagte dazu: „Pädagogen sind nicht dafür da, zu schauen, dass die Technik funktioniert. Dafür brauchen wir Fachleute.“
Sie stelle sich vor, dass in jedem Landkreis entsprechend der Schülerzahl ein kleineres oder größeres Administratoren-Team eingesetzt wird, das die Schulen kontaktieren können, wenn die Technik streikt. Noch verhandle das Land aber mit dem Bund über die Finanzierung.