Gut Gulasch will Zwiebel und Weile haben
Das Gerede von der „schnellen Küche“ist zumeist ein kulinarischer Irrtum. Denn dass gut Ding Weile haben will, gilt nirgends so sehr wie in der Küche: Nur Brot, das lange Zeit für die Reife bekommt, wird wirklich gut. Nur Soßenansätze, die lange und leise vor sich hinblubbern dürfen, entfalten den vollen Geschmack. Schnelle Küche ist oft Selbstbetrug. Bedeutet es doch, den Zutaten zu wenig Aufmerksamkeit zu widmen und bei jeder Gelegenheit zu tricksen.
Nur als Beispiel: Wenn jemand geschwind ein bisschen Hackfleisch in der Pfanne anbrät, mit Wasser auffüllt und ein bisschen Tomatenmark drunter rührt, mag das womöglich essbar sein – mit einer Bolognese, wie verirrte Gemüter das Ganze dann nennen, hat das freilich nichts zu tun. Weil dem neben der Liebe und der Mühe des Gemüseschnibbelns vor allem die Zeit fehlt, die Dinge werden zu lassen. So entsteht keine aromatische Tiefe. Es ist eigentlich ganz einfach und lässt sich auf diese Formel reduzieren: Fix ist nix! Dabei hat es eigentlich nichts mit Schwerarbeit zu tun, großartige Ergebnisse zu erzielen. In den meisten Haushalten sind die technischen Voraussetzungen vorhanden, sodass Herd oder Ofen im Wesentlichen den Job erledigen. Ein gutes Beispiel für ein intensives Gericht mit wirklich wenig Aufwand im Verhältnis zur Brillanz des Resultats ist das Gulasch. Einzig nennenswerte Mühe dabei: das Zwiebelschälen. Der Rest ist wirklich ein Kinderspiel, sofern sie die unumstößliche Faustregel für Gulasch der allerersten Kategorie beherzigen: Egal ob Sie Rind, Kalb, Hirsch oder Wildschwein nehmen – das Gewicht von Fleisch und Zwiebeln muss gleich sein. Schälen Sie zunächst ein Kilo
Zwiebeln und schneiden Sie sie in kleine Würfel, alternativ mit einem Hobel in feine Ringe. In einen Topf mit Deckel geben Sie zwei Esslöffel Butterschmalz und erhitzen es etwa auf zwei Drittel der Herdleistung.
Geben Sie nun die Zwiebeln dazu und lassen Sie sie gemächlich hellgoldbraun werden. Häufiges Umrühren ist dabei unerlässlich. Der Vorgang kann schon eine halbe Stunde dauern. Ziel ist es, das viele Wasser in den Zwiebeln loszuwerden, um einen konzentrierten Geschmack zu erhalten. Heizen Sie den Backofen auf 110-120 Grad auf. Ein Kilo Gulaschwürfel kräftig mit Salz und Pfeffer würzen. Jetzt zwei Esslöffel Tomatenmark zu den Zwiebeln geben und eine Minute mitrösten.
Nun kommen vier Esslöffel edelsüßes Paprikapulver dazu, auch dieses eine Minute mitrösten. Alles mit einem halben Liter Wasser ablöschen. Das Fleisch ausdrücklich unangebraten dazugeben, alles gut vermengen. Lorbeerblatt dazu und Deckel drauf. Den Topf in den Ofen stellen und einfach fünf Stunden in Ruhe lassen. Durch die geringe Hitze setzt nichts an, es wird selbst kerniges Brustfleisch butterweich.
Gut möglich, dass die Nachbarn bei Ihnen klingeln und auf die Fußmatte tropfen, weil ihnen dermaßen das Wasser im Munde zusammenläuft. Das Ergebnis wird Sie schlicht umhauen – und dabei hat es kaum Arbeit gemacht.
Ich habe hier bewusst keine weiteren Würzempfehlungen wie etwas Majoran oder Kümmel gegeben. Passen Sie diese Grundrezept durch die persönliche Note Ihrer Vorlieben an – je nach Fleisch. Verwenden Sie Lamm, ist Rosmarin eine gute Wahl. Ist es Wild, kann Piment dazu und Wachholder. Wichtig ist und bleibt aber das Zwiebel-Fleisch-Verhältnis. Wer mag, kann den schönen Saft mit ein wenig in Wasser verrührter Speisestärke binden.
Und: Die Reste – sollte es denn welche geben – schmecken am nächsten Tag sogar noch besser. Guten Appetit!
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