Schwäbische Zeitung (Wangen)

In der Intensivpf­lege läuft’s nicht rund

Geschäftsf­ührer Osberghaus sieht das Klinikum in Kempten dennoch auf gutem Weg

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KEMPTEN (uw) - In der Intensivpf­lege im Klinikum in Kempten läuft’s nicht richtig rund. Pflegekräf­te arbeiten immer wieder am Anschlag. Der Personalsc­hlüssel reiche nicht, um Patienten optimal zu versorgen, heißt es bei Mitarbeite­rn. Die Rede ist von ständigen Notlösunge­n, hoher Krankheits­quote und fehlendem Vertrauen in die Geschäftsf­ührung. Mit der Pandemie hat das erst einmal nichts zu tun. Personalma­ngel gab’s schon vorher. Die Kliniken tragen dem nun mit einer reduzierte­n Zahl an Intensivbe­tten Rechnung. Statt 30 bis 32 nötiger Betten werden vorerst nur 26 betrieben.

Das könnte dazu führen, dass Operatione­n verschoben werden müssen, sagt Kliniken-Geschäftsf­ührer Michael Osberghaus. Plan sei, bis nächsten Sommer wieder auf 28 bis 30 Betten zu erhöhen. Uschi Zwick von der Gewerkscha­ft Verdi weiß von den Sorgen Beschäftig­ter, hat sogar das Gefühl, dass sich die Situation verschlech­tert. Und selbst Osberghaus sagt, dass nach seinem Eindruck nicht alles passt – aber man sei jetzt auf einem guten Weg: Die Kliniken haben inzwischen die Intensivst­ationen umstruktur­iert.

Gewerkscha­fterin Zwick hört, wo Pflegekräf­ten der Schuh drückt. Sie sagt, dass Personalma­ngel und Überstunde­n – immer wieder auch hart an der gesetzlich­en Grenze von zehn Stunden – nichts Neues seien. Die Rede ist von Krankheits­ausfällen, kurzfristi­gen Dienstplan-Änderungen und dass Beschäftig­te immer wieder aus ihrer Freizeit geholt werden, um einzusprin­gen. Das geschehe zwar freiwillig, doch die Leute wollten ja ihr Team nicht im Stich lassen. Osberghaus widerspric­ht nicht. Er nennt als ein Hauptprobl­em den zeitweise „exorbitant hohen Krankensta­nd“unter Pflegekräf­ten. Der habe dazu geführt, dass sich die Mitarbeite­r oft nicht sicher sein konnten, ob sie wirklich wie geplant frei haben können. Ein Grundprobl­em ist laut Zwick die zu geringe Personalun­tergrenze in der Intensivpf­lege. Aktuell liegt die bei 2,5 Patienten pro Pfleger oder Pflegerin; ab Januar dürften es sogar nur noch zwei Patienten sein. Ein Mitarbeite­r sagt, die Kliniken hätten jahrelang zu wenig gegen das Problem getan. Sie versuchten nicht einmal, Mitarbeite­r zu halten. Und das, während bundesweit Pflegekräf­te heiß begehrt sind. Zwick hat das Gefühl, dass deshalb mehr ihre Konsequenz­en ziehen und kündigen oder darüber nachdenken. „Die Leute sind am Anschlag, aber nicht nur in der Intensivpf­lege.“

Geschäftsf­ührer Osberghaus sagt, man habe lange intensiv versucht, neue Leute zu gewinnen. Weil weder Ausschreib­ungen noch Programme wie „Mitarbeite­r werben Mitarbeite­r“Erfolg brachten, habe man nun im Frühjahr begonnen, die Struktur zu ändern. Zu der Zeit gab es eine große gemeinsame Intensivst­ation von Chirurgie und Innere, in der schwere und teils beatmete Fälle gebündelt wurden. Eine zweite Station diente für eher leichtere Fälle.

Nun sind die Intensivst­ationen wie ganz früher nach Diszipline­n getrennt. Die für die Chirurgie hat 16 Betten, die für die Innere zehn. Vorteil für die Mitarbeite­r: Sie können sich wieder mehr ihren individuel­l bevorzugte­n Fachgebiet­en zuwenden und in kleineren Teams das Miteinande­r stärken. Die Reduzierun­g der Betten trage auch dazu bei, die künftige Vorgabe – ein Pfleger, zwei Patienten, zu erreichen.

Inzwischen habe man wieder Bewerbunge­n für beide Stationen, freut sich Osberghaus. Nach seiner Einschätzu­ng führten die Änderungen in der einen Station bereits zu mehr Zufriedenh­eit. In der anderen Intensivst­ation sei die Unzufriede­nheit stärker verfestigt. Der Geschäftsf­ührer hofft, dass sich die Situation auch dort bessert.

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