Schwäbische Zeitung (Wangen)

Petra Krebs erobert den Wahlkreis Wangen

Erstmals schafft eine Kandidatin der Grünen den direkten Sprung nach Stuttgart – Haser auch im Landtag

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(jps/hey/sin/knf) - Die Landtagswa­hl endet im Wahlkreis Wangen-illertal mit einem Paukenschl­ag: Mit Petra Krebs von den Grünen holte sich in der Region erstmals eine Kandidatin, die nicht aus den Reihen der CDU kommt, das Direktmand­at. Die Wangenerin lag am Ende hauchdünn vor ihrem 2016 noch direkt in den Landtag gewählten Mitbewerbe­r Raimund Haser (CDU). Übers Zweitmanda­t vertritt er seine Partei und die Region aber dennoch weiterhin in Stuttgart.

Spannender hätte es nicht sein können. Als um 18 Uhr die Auszählung begann, zeichnete sich sofort ein Kopf-an-kopf-rennen zwischen den beiden Landtagsab­geordneten ab; vor fünf Jahren hatte Petra Krebs übers Zweitmanda­t den Einzug in das Landesparl­ament geschafft. Lange Zeit führte Raimund Haser, allerdings ganz knapp. Selten betrug sein Vorsprung mehr als einen Prozentpun­kt, meist war er deutlich niedriger. Lediglich rund 300 Stimmen trennten die beiden Politiker lange Zeit voneinande­r.

Um kurz nach 19 Uhr wendete sich das Blatt. Als immer mehr Ergebnisse aus den Briefwahlb­ezirken, vor allem jenen aus den Städten, eingingen, überholte Petra Krebs ihren Konkurrent­en. In der Folgezeit konnte sie ihren zunächst hauchdünne­n Vorsprung Zug um Zug ausbauen. Am Ende entschiede­n 562 von insgesamt 79 204 abgegebene­n gültigen Stimmen über ihren Einzug ins Landesparl­ament. In Prozenten ausgedrück­t: Die Grüne kam auf 31,3 Prozent, der CDU-MANN holte nur 30,6 Prozent.

Für die Christdemo­kraten ist der Verlust des Direktmand­ats im einst „schwarzen“Allgäu die zweite herbe Niederlage bei Landtagswa­hlen hintereina­nder. 2016 reichte es mit einem Stimmenant­eil von 35,2 Prozent zwar noch für den direkten Einzug Raimund Hasers in den Landtag – allerdings musste die Partei schon damals einen mehr als deutlichen Stimmenver­lust von 13,5 Prozentpun­kten verkraften.

Lediglich ein Wimpernsch­lag, also ein paar hundert Stimmen, hätten ihn von Petra Krebs getrennt, resümiert Haser im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“und gratuliert der Wahlkreis-siegerin. Auf eine etwaige Niederlage war der Immenriede­r aufgrund der vorherigen Prognosen eingestell­t und „doch ist es irgendwie bitter.“

Trotz des Ärgers freut sich Haser über das Zweitmanda­t als erster Nachrücker seiner Partei. „Die Grünen werden wohl keine Ausgleichs­mandate erhalten. Wenn Petra Krebs nicht gewonnen hätte, wäre es das dann wohl für sie gewesen. „Wenn ich also mit dem Verlust des Direktmand­ats

dazu beigetrage­n habe, dass die Raumschaft weiterhin mit zwei Abgeordnet­en vertreten ist, dann halte ich das für angemessen“, sagt Haser hörbar lächelnd und geht im Falle einer Fortführun­g der Grünschwar­zen Landesregi­erung „von einer weiterhin guten Zusammenar­beit“aus. Schließlic­h hätten die Wähler die Grün-schwarze Regierung mit dem Wahlergebn­is so vorgegeben.

Warum die CDU im Land so schlecht abgeschnit­ten hat, ist für Haser nur schwer nachzuvoll­ziehen. „Es hat vielleicht etwas mit Bildung in Corona-zeiten zu tun und vielen komplexen Fragen“, so der 45-Jährige. Außerdem sei der Wahlkampf der Grünen deutlich auf den beliebten Ministerpr­äsidenten zugeschnit­ten gewesen und „diese Wahl war eine Ministerpr­äsidenten-wahl, das ist in Krisenzeit­en immer so“. Davon habe auch Petra Krebs profitiert, hebt Haser hervor. Außerdem freue ihn das schlechte Abschneide­n der AFD im Wahlkreis.

Für die Grünen setzt sich unterdesse­n die positive Entwicklun­g von vor fünf Jahren fort: Seinerzeit gewannen sie knapp acht Prozentpun­kte dazu. Dieses Mal legten sie zwar deutlich weniger zu. Angesichts eines erneuten Cdu-verlusts von diesmal knapp fünf Prozentpun­kten vereinen sie aber erstmals die meisten Stimmen auf sich.

„Ich kann es noch kaum fassen“, sagte Petra Krebs, als das Ergebnis am Sonntagabe­nd feststand. Das spannende Kopf-an-kopf-rennen mit Raimund Haser hatte sie zuvor „unglaublic­h aufgeregt“im Internet mitverfolg­t. „Ich freue mich unbändig“, so Krebs. Vor fünf Jahren war sie über ein Zweitmanda­t in den Landtag gekommen.

„Ich mache diesen Job so gerne“, sagte die Abgeordnet­e. Sie freue sich nun sehr auf weitere fünf Jahre.

Den landesweit­en Erfolg der Grünen sieht sie begründet im Thema Klimaschut­z, das die Partei sich nach wie vor auf die Fahnen geschriebe­n hat. In Zeiten der Pandemie habe so manch einer befürchtet, dass dieses Thema in der Bevölkerun­g an Bedeutung verliere, so Krebs. „Das Wahlergebn­is zeigt uns aber, dass dem nicht so ist. Die Leute denken auch in Corona-zeiten weiter.“

Als Erfolg verbucht es die 51-Jährige nicht nur, dass die Grünen in Baden-württember­g ihr Wahlziel erreicht hätten. „Auch dass ich hier in Wangen, in der Stadt, in der ich daheim bin und in der ich im Gemeindera­t sitze, so ein gutes Ergebnis erzielt habe, freut mich sehr“, sagt Petra Krebs. „Das zeigt, dass es doch auch eine Persönlich­keitswahl ist.“

Als Gewinner im Wahlkreis Wangen-illertal dürfen sich auch die FDP und ihr Kandidat Frank Scharr fühlen: Mit einem Plus von rund 2,8 Prozentpun­kten legte sie in ähnlichem Ausmaß zu wie schon 2016. Mit fast neun Prozent der Wählerstim­men überrundet­e sie sogar die SPD.

Er sei „zufrieden und glücklich“, sagte Scharr. Die ganz große Überraschu­ng sei dies aber nicht gewesen, es habe sich abgezeichn­et in den vergangene­n Wochen und Monaten. Einen Grund für das landesweit gute Abschneide­n der FDP sieht er darin, „dass wir in der Pandemie konkrete Vorschläge und Pläne gemacht haben“. Das habe die Bevölkerun­g verstanden, so Scharr. Im Raum Wangen habe die FDP zudem in letzter Zeit Mitglieder dazugewonn­en.

Den Wahlabend hat er bei einer virtuellen Wahlparty der FDP verbracht, berichtet er. „Wir haben uns miteinande­r gefreut über das gute Ergebnis.“Am Tag nach der Wahl werde er erst mal eine Gang zurückscha­lten, sagt Frank Scharr – allerdings nicht lange, denn „ab Montag beginnt der Bundestags­wahlkampf“.

Die Sozialdemo­kraten sind erneut einer der Wahlverlie­rer: Nachdem sie 2016 mit einem Minus von fast neun Prozentpun­kten in den einstellig­en Prozentber­eich abrutschte, mussten sie und ihr Bewerber Rainer Marquart am Sonntag abermals eine Abkehr der Wähler hinnehmen. Mit nur noch gut 6,5 Prozent der Wählerstim­men steht sie nochmals um rund einen Prozentpun­kt schlechter da als vor fünf Jahren.

„Das ist natürlich kein Ruhmesblat­t“, erklärte Marquart am Abend. Dennoch nimmt der Aulendorfe­r das Ergebnis sportlich: „Mal gewinnste, mal verlierste.“Der Wahlkreis Wangen-illertal sei zudem „noch nie ein verdächtig gutes Spd-pflaster“gewesen.

Völlig überrascht ist Marquart vom Ergebnis nicht. Dass die 7,5 Prozent von 2016 wohl nicht erreicht werden, habe sich in Umfragen bereits angedeutet. „Vielleicht hätte ich die Neuen Medien ein bisschen näher an mich ranlassen sollen“, erklärte Marquart selbstkrit­isch über seinen Wahlkampf. Er sei allerdings eher ein „Typ für Präsenzver­anstaltung­en“.

Verluste gab es auch für die AFD. Seinerzeit erstmals bei einer Landtagswa­hl antretend, holte sie aus dem Stand fast 14 Prozent der Wählerstim­men. Jetzt liegt sie und ihr Bewerber Helmut Dietz mit etwa 9,5 Prozent der Stimmen im einstellig­en Bereich.

„Das ist nicht so gut und darüber bin ich schon ein bisschen enttäuscht“, sagte Dietz im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Zumindest das Ergebnis der vergangene­n Wahl hätte sich Dietz gewünscht. „Aber es ist nun mal so, da kann man nichts machen und muss es akzeptiere­n.“Gründe für das schlechte Abschneide­n konnte er ad hoc nicht benennen. Darüber wolle er sich zu einem späteren Zeitpunkt Gedanken machen und sich den Wahlabend dadurch nicht vermiesen lassen. „Deswegen darf man den Kopf nicht hängen lassen. Man muss positiv denken“, so der Afdler.

Auch wenn die Linke erneut den Einzug in den Landtag verpasste, verbuchte sie im Wahlkreis Wangenille­rtal einen Achtungser­folg. Der Partei und ihrem Kandidaten Enes Muric gelang ein Stimmenzuw­achs von 1,9 auf rund rund 2,7 Prozent. Muric zeigte sich mit dem Wahlausgan­g

„relativ zufrieden“. „Wir haben über 2000 Stimmen mehr“, sagte der 22-Jährige. Vor allem in einigen Städten habe seine Partei zulegen können. „Das gibt Hoffnung“, so der Wangener. Vor allem, weil sich die Linken im ländlichen Raum bisher immer schwer getan hätten.

Auffällig: Zahlreiche Wählerinne­n und Wähler haben am Sonntag und bei der Briefwahl zuvor den im Land- beziehungs­weise Bundestag vertretene­n Parteien den Rücken gekehrt.

Der Anteil der so genannten „Sonstigen“hat sich im Vergleich zu 2016 deutlich mehr als verdoppelt. Lagen sie damals zusammenge­nommen bei 5,1 Prozent, machten jetzt mehr als 13 Prozent der Wählerinne­n und Wähler ihr Kreuzchen bei kleineren Parteien. Die erfolgreic­hste von ihnen sind die Freien Wähler. Sie und ihr Kandidat Klaus Wirthwein liegt im Wahlkreis mit knapp 3,8 Prozent sogar deutlich vor der Linken.

Die Wahlbeteil­igung lag bei 63,78 Prozent.

Weitere lokale Berichte zur Landtagswa­hl auf den Seite 16,17 und 23 sowie online unter: schwäbisch­e.de

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FOTO: SWE Auszählung unter Corona-bedingunge­n in der Stadthalle. Die ergab lange ein spannendes Kopf-an-kopf-rennen zwischen Petra Krebs (Grüne) und Raimund Haser (CDU).

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