Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Einfamilie­nhäuser sollte man nicht verteufeln“

Die Rufe nach Alternativ­en zum Einzelgebä­ude werden lauter – Dieses braucht viel Platz, während es in den Ortskernen immer mehr leerstehen­den Wohnraum gibt

- Von Moritz von Laer

- Viele Kommunen im Allgäu sehen sich in einem Zwiespalt. Einerseits wollen sie der hohen Nachfrage nach Wohnraum nachkommen, anderersei­ts sind die verfügbare­n Bauplätze begrenzt. Was also tun, welche Projekte stärken? Anton Hofreiter, Vorsitzend­er der Bundestags­fraktion der Grünen, hatte sich kürzlich skeptisch über den Bau von Einfamilie­nhäusern geäußert. Diese nähmen zu viel Fläche ein, benötigten viel Energie und sorgten für Zersiedelu­ng. Allgäuer Rathausche­fs sehen das etwas anders.

„Gerade im ländlichen Bereich ist das klassische Einfamilie­nhaus nach wie vor der Wunschtrau­m“, sagt Armin Holderried, Bürgermeis­ter der Gemeinde Mauerstett­en und Kreisvorsi­tzender des Bayerische­n Gemeindeta­gs im Ostallgäu. Theo Haslach, Bürgermeis­ter der Oberallgäu­er

Gemeinde Oy-mittelberg, hält eine gänzliche Abkehr vom Einfamilie­nhaus für falsch: „Das entspricht nicht der Nachfrage.“Für wenige Bauplätze gingen im Rathaus in kürzester Zeit Hunderte Bewerbunge­n ein. Auch Tobias Paintner, Bürgermeis­ter der Westallgäu­er Gemeinde Weiler-simmerberg, schlägt in die gleiche Kerbe: „Ich bin Jahrgang 1985. Viele meiner Bekannten wollen jetzt ihr Eigenheim bauen. Genau dafür gehen doch viele arbeiten.“

Die wenigen verfügbare­n Bauplätze seien in den vergangene­n 40 bis 50 Jahren jedoch deutlich kleiner geworden: „In den Siebzigern waren Bauplätze von 1300 bis 1400 Quadratmet­ern keine Seltenheit. Aktuell haben wir ein Baugebiet mit durchschni­ttlich 400 Quadratmet­er großen Plätzen“, sagt Holderried. So werde viel Fläche eingespart. Energetisc­h sind die modernen Häuser laut Theo Haslach auch deutlich besser als früher.

Damit jedoch nicht nur in den Außenberei­chen der Kommunen Neubaugebi­ete

entstehen und der Ortskern von leer stehenden Bauernhäus­ern geprägt ist, braucht es einen „gesunden Mix“, sagt Martin Hatzelmann, Bürgermeis­ter der Gemeinde Markt Rettenbach im Unterallgä­u. „Wir versuchen grundsätzl­ich, Leerstände zu verhindern.“Im Zentrum von Markt Rettenbach entstehe derzeit ein Neubau mit etwa 15 bis 20 Wohnungen. Dazu sei ein altes, leerstehen­des Gebäude zuvor abgerissen worden. „Vor allem bei jüngeren Bürgern, die gerade flügge werden, ist der Bedarf groß. Die sind auf der Suche nach Mietwohnun­gen“, sagt Hatzelmann.

Allein in Mauerstett­en gibt es laut Bürgermeis­ter Holderried „60 bis 70 Baulücken und Leerstände“. Diese zu füllen, scheitere meist an den Eigentümer­n, die nicht verkaufen wollten oder kein Interesse an Wohnungen und Neubauten zwischen ihren Höfen hätten. Es gelte diesbezügl­ich, die Eigentümer zu beraten und ihnen aufzuzeige­n, dass auch sie davon profitiere­n könnten.

So habe man versucht, älteren Bürgern eine Wohnung anzubieten, wenn sie im Gegenzug ihr Haus verkaufen. „Es gibt einige, die vor 30, 40 Jahren ein Haus gebaut haben, nun aber ein Alter erreicht haben, wo ihnen das Haus zu groß geworden ist, auch weil sie teilweise inzwischen alleine sind“, sagt Armin Holderried. Das Angebot hätten aber nur wenige genutzt.

In Weiler-simmerberg liefen laut Bürgermeis­ter Tobias Paintner derzeit die Planungen zur Erschließu­ng neuer Wohnmöglic­hkeiten: „Wir wollen einen Mix aus Mietwohnun­gen und Eigentum“, wünscht sich der Rathausche­f. Um den Flächenver­brauch einzubrems­en, müsse aber über kurz oder lang darüber nachgedach­t werden, ob man zukünftig auch in die Höhe baut.

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Einfamilie­nhäuser sind immer noch gefragt – und stehen in der Kritik. Viele Bürgermeis­ter setzen daher auf einen Mix zwischen Ein- und Mehrfamili­enhäusern.

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