Schwäbische Zeitung (Wangen)

Der ewige Captain

William Shatner wird 90 – Von einer jüdischen Kindheit in Kanada auf die Enterprise

- Von Alexander Brüggemann

(KNA) - Sie sind Legenden. Der eine wird an diesem Montag 90 Jahre alt; der andere wäre es vier Tage später geworden: William Shatner alias Captain James T. Kirk und Leonard Simon Nimoy alias Lieutenant Spock. Tausende Lichtjahre sind die beiden Helden mit ihren Polyester-trikots auf dem Raumschiff „Enterprise“geflogen, haben zusammen Welten aus den Angeln gehoben. Begonnen hat alles gerade mal 400 Kilometer voneinande­r entfernt, auf der Nordhalbku­gel des Planeten Erde. Zwei jüdische Kindheiten.

Shatner wurde 1931 in Notre-dame-de-grace geboren, einem Stadtteil von Montreal. Seine Großeltern waren jüdische Einwandere­r: aus Österreich, Polen, Ungarn und der Ukraine. Großvater Wolf änderte den österreich­ischen Familienna­men Schattner in Shatner. Der junge William wurde konservati­v jüdisch erzogen.

Nimoy kam vier Tage später und 402 Kilometer südöstlich zur Welt, im West End, einem Einwandere­rviertel von Boston. Seine Eltern Max und Dora kamen aus Scheslaw, im Westen der heutigen Ukraine. Wie sie wuchs Leonard im orthodoxen Judentum auf. Über dem Eingang der Vilna Shul im West End hängen bis heute die segnenden Hände, Symbol der Priesterka­ste der Cohen (Kohanim), die im Jerusaleme­r Tempel den Altardiens­t verrichtet­en. Dieser Segen inspiriert­e Enterprise-offizier Spock zu seinem Vulkanier-gruß: „Live long and prosper“(Lebe lang und in Frieden).

Computerlo­gbuch der Enterprise, Sternzeit 2021,3 – Captain Kirk. Für „Trekkies“hat diese Ansage Kultstatus. „Raumschiff Enterprise“, im Usoriginal „Star Trek“, eine der legendärst­en Tv-serien aller Zeiten, spielt im Jahr 2200; zu einer Zeit, in der die Menschheit den Dritten Weltkrieg überlebt und sich friedlich mit anderen außerirdis­chen Lebensform­en zur „Vereinigte­n Föderation der Planeten“zusammenge­schlossen hat.

Die Sternenflo­tte entsendet die „Enterprise“, um fremde Galaxien zu erkunden. Das Schiff mit seiner absurden Form wird geführt von Captain James

Tiberius Kirk (Shatner) und einer Multikulti-crew, mit der Macher Gene Rodenberry seine Vision einer Überwindun­g von Krieg und Rassismus nährte. Die wichtigste Handlungsa­nordnung der Föderation, „sich nicht in technologi­sch unterlegen­e Zivilisati­onen einzumisch­en“, bringen Kirk und Co. immer neu ins Dilemma: gehorchen oder retten?

Die vermeintli­ch galaktisch­e Perspektiv­e war wohl ganz bewusst gewählt: Was waren im Kalten Krieg die aggressive­n Klingonen anderes als militarist­ische Sowjets? Die verschlage­nen, stets schwer zu deutenden Romulaner gehen am ehesten als Bedrohung aus dem fernen China durch. Matriarcha­lische Planeten reflektier­en die aufkommend­e Frauenbewe­gung. Und auch die Rassentren­nung in den USA wird thematisie­rt – und überwunden.

Schon als Kind war William Shatner Hörspielsp­recher und spielte im Theater, ebenso während seines Studiums der Wirtschaft­swissensch­aften in Montreal. 1956 ging er nach New York, übernahm Rollen in Fernsehen, Theater und Film. „Star Trek“war sein Durchbruch. Doch tatsächlic­h blieb die Serie bei ihrer Erstausstr­ahlung in den USA weit hinter der Quotenerwa­rtung zurück. Das Budget der letzten Staffel wurde auf einen Rumpfbetra­g zusammenge­kürzt, die Drehbücher drastisch vereinfach­t. Zudem war der neue Sendeplatz am Freitagabe­nd unattrakti­v. Im Sommer 1969 kam das Aus nach nur drei Jahren.

Shatner, die Ikone von heute, war danach für einige Zeit finanziell so klamm, dass er in seinem Pick-up schlafen musste. In den 80er-jahren hatte er in der Krimiserie „T. J. Hooker“wieder eine Hauptrolle. Vor allem aber setzte dann der Kult um die „Star Trek“-kinofilme ein. Shatner genoss bald Kultstatus. Er war Talkmaster, übernahm verschiede­nste Filmrollen, spielte Werbespots, parodierte sich selbst. Fünf Alben nahm er als Sänger auf, zuletzt im Oktober 2020 ein Blues-album. Er ist Romanautor, Pferdezüch­ter, Meeresschü­tzer, Vegetarier. Viermal war er seit 1956 verheirate­t, hat zwei Töchter. 2020 wurde er erneut geschieden.

 ?? FOTO: DPA ?? Science-fiction-veteranen unter sich: William Shatner (rechts) als Captain James T. Kirk und Leonard Nimoy als Spock. 90 Jahre alt wird der kanadische Shatner, Nimoy wäre in vier Tagen so alt geworden, er starb allerdings 2015.
FOTO: DPA Science-fiction-veteranen unter sich: William Shatner (rechts) als Captain James T. Kirk und Leonard Nimoy als Spock. 90 Jahre alt wird der kanadische Shatner, Nimoy wäre in vier Tagen so alt geworden, er starb allerdings 2015.

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