Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wie wird meine Kleidung hergestell­t?

Informatio­nen zur Produktion sind Grenzen gesetzt – Worauf Verbrauche­r achten sollten

- Von Kerstin Schellhorn

- Nachhaltig­keit und Transparen­z liegen im Trend – auch in der Mode. Trotzdem haben es Verbrauche­r immer noch schwer, den Herstellun­gsprozess eines Kleidungss­tücks nachzuvoll­ziehen. Und was wissen die Modehäuser selbst über die Kollektion­en, die sie verkaufen? Christian Campagna, Geschäftsl­eiter bei Trend Reischmann in Kempten, hat sich eine Jeans aus dem aktuellen Sortiment geschnappt und erklärt, was es mit der Nachhaltig­keit auf sich hat.

Auf den ersten Blick sieht die blaue Herren-jeans aus, wie jede andere. Ein Label auf der Innenseite verrät: „98 Prozent Baumwolle (ökologisch), zwei Prozent Elasthan (recycelt), hergestell­t in Rumänien.“Auf einem Aufnäher an der Knopfleist­e ist „Candiani – Made in Milanitaly“zu lesen. Das klingt einerseits gut, anderersei­ts auch wieder nicht und ist verwirrend. Wo wurde die Hose denn nun hergestell­t, in Rumänien oder Italien?

Campagna bringt Licht ins Dunkel: Der Hersteller – Denham – komme aus Amsterdam, beziehe den Stoff für seine Jeans aber von der Weberei Candiani nahe Mailand. Diese wiederum bestehe seit 1938 und habe sich in einem Gebiet angesiedel­t, das zwischenze­itlich als Naturschut­zgebiet ausgewiese­n worden sei. „Candiani kann also gar nicht anders als grün zu arbeiten.“Zusammenge­näht werde die Jeans in Rumänien, weil Candiani selbst dafür das Know-how fehle. Nähereien in Rumänien hätten mit Jeans hingegen viel Erfahrung. Die Biobaumwol­le, die das italienisc­he Unternehme­n in seinem Stoff verarbeite­t hat, sei Gots-zertifizie­rt.

GOTS steht für „Global Organic Textile Standard“(Weltweiter Biotextili­en Standard): Produkte, die dieses Siegel erhalten, müssen mindestens 95 Prozent kontrollie­rt biologisch erzeugte Fasern enthalten, die gesamte textile Herstellun­g muss hohen ökologisch­en Standards genügen und die Arbeitsbed­ingungen müssen sozial sein. Diese Informatio­nen stammen aus dem „Fair-fashion-guide“, den die Weltläden Iller-lech 2019 veröffentl­icht haben und den auch Steffen Kustermann empfiehlt. Er ist Mitgründer der Initiative

„Allgäu goes Fair Fashion“, die einen Online- und einen Popup-store betreibt, und Vorstandsm­itglied der Kemptener „Gemeinwohl-gesellscha­ft“. Diese stellt derzeit mit „Piepmatz“ein Zentrum für nachhaltig­es Leben in Kempten auf die Beine.

Das kleine Heft gibt nicht nur einen Überblick über die verschiede­nen Nachhaltig­keitssiege­l in der Textilbran­che, sondern auch über Läden in der Region, die ausschließ­lich oder zum Teil nachhaltig­e Mode anbieten. Siegel sieht Kustermann allerdings nicht nur positiv: „Sie sollen suggeriere­n, dass der Kunde eine verlässlic­he Quelle vor sich hat“, sagt er. „Aber sie sind auch ein Instrument, um Geld zu verdienen.“Stichwort Greenwashi­ng: Nicht überall, wo grün drauf steht, ist auch grün drin. Umgekehrt gebe es kleine Firmen, die fair produziere­n, sich aber nicht zertifizie­ren lassen. Deshalb habe er angefangen, mit den Hersteller­n direkt zu sprechen.

Das machen auch die Einkäufer von Reischmann so, erklärt Campagna. „Sie bekommen mit auf den Weg, auf Nachhaltig­keit zu achten.“Seit etwa zehn Jahren sei das ein Thema im Unternehme­n. Der Geschäftsl­eiter verweist in diesem Zusammenha­ng auch auf die Modenschau­en,

die vor der Corona-pandemie noch regelmäßig im Haus stattfande­n. „Bei den letzten beiden Shows hatten wir einen kompletten Durchgang mit Eco-fashion.“Diese mache etwa 20 Prozent des Reischmann-sortiments aus. „Wir müssen aber akzeptiere­n, dass nicht alle Teile, die der Kunde wünscht, diesen Standard haben.“

Schlussend­lich bleibt die Lage jedoch unübersich­tlich. Greenwashi­ng aus dem Weg zu gehen, sei wahnsinnig schwierig, sagt Kustermann. „Irgendwann gibt der Verbrauche­r auf.“Wer dran bleiben will, müsse sich zwangsläuf­ig selbst informiere­n. Über die Webseite des Unternehme­ns oder direkt anfragen. Kustermann geht es darum, das Bewusstsei­n der Kunden zu schärfen: Kleidung mehr wertzuschä­tzen statt in Kaufrausch zu verfallen.

Campagna weist auf zwei Aspekte hin, die Kunden beim Shoppen beachten können: Zum Einen könne ein günstiger Artikel nicht nachhaltig sein. Und zum anderen sei es nachhaltig, Lieblingst­eile zu kaufen, „die man lange und mit Freude trägt“.

Zum Fair-fashion-guide: weltlaeden.de/netzwerk-iller-lech/ fairfashio­n-guide/

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FOTO: MARTIN GERTEN/DPA Nachhaltig­keit und Transparen­z liegen im Trend. Trotzdem haben es Verbrauche­r immer noch schwer, den Herstellun­gsprozess eines Kleidungss­tücks wie der beliebten Jeans nachzuvoll­ziehen.
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FOTO: DIE Christian Campagna

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