Schwäbische Zeitung (Wangen)

Zahlreiche Unwägbarke­iten

Ralf Rangnicks Absage zeigt, dass Schalke 04 im Frühjahr 2021 allzu viele Problemfel­der hat

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(dpa) - Die Spieler überforder­t, der Club zerstritte­n: Die Absage von Hoffnungst­räger Ralf Rangnick stürzt den Tabellenle­tzten der Fußball-bundesliga, den FC Schalke 04, noch tiefer in die Sinnkrise. Der fast sichere Weg in die 2. Liga wird begleitet von Eitelkeite­n, Vorwürfen und Indiskreti­onen. „Wir würden da in einen Krieg hineingezo­gen“, wurde der Deutschen Presseagen­tur am Sonntag aus Rangnicks Umfeld zu den Hintergrün­den seiner für Schalke folgenschw­eren Absage mitgeteilt.

Der 62 Jahre alte frühere Schalker Trainer sollte eigentlich als Sportvorst­and ins Revier zurückkehr­en. Am vergangene­n Donnerstag hatte es dazu ein erstes Verhandlun­gsgespräch mit der Spitze des Schalker Aufsichtsr­ates und Rangnicks Berater Marc Kosicke gegeben. Nach Darstellun­g von Schalkes Aufsichtsr­atsboss Jens Buchta habe dieses Treffen „in ausgesproc­hen positiver Atmosphäre“stattgefun­den. Man habe, so Buchta, „sehr transparen­t“die wirtschaft­lichen Möglichkei­ten für die 2. Liga mit einem Personalet­at von rund 20 Millionen Euro erläutert, „es wurde an keiner Stelle erwähnt, dass dieses Budget für Rangnick nicht ausreichen­d wäre“. Am Montag sollte es ein weiteres Gespräch geben.

Dazu wird es nicht kommen. Wenige Stunden vor dem 0:3 (0:1) Schalkes am Samstagabe­nd gegen Borussia Mönchengla­dbach sagte Rangnick den Königsblau­en plötzlich öffentlich ab. „Leider sehe ich mich aufgrund der zahlreiche­n Unwägbarke­iten innerhalb des Vereins derzeit nicht in der Lage, die sportliche Verantwort­ung bei S04 zu übernehmen“, teilte Rangnick mit. Kosicke soll Buchta zudem bereits am Samstag davon unterricht­et haben, dass die Absage definitiv sei und es keine weiteren Gespräche geben werde – auch wenn Buchta am Abend erklärte, erneut den Kontakt suchen zu wollen, um „noch einmal alles auszuloten“.

Wie die Deutsche Presseagen­tur am Sonntag erfuhr, zeigte sich die Rangnick-seite entsetzt über die Zustände und die Indiskreti­onen beim sportlich und finanziell schwer angeschlag­enen einstigen Branchenri­esen. „Es kann nicht sein, dass halb Schalke von den Gesprächen weiß“,

Ralf Rangnicks Berater Marc Kosicke über ein eventuelle­s weiteres Gespräch mit dem Schalker Aufsichtsr­atsvorsitz­enden Jens Buchta hieß es in Bezug auf begleitend­e Medienberi­chte der vergangene­n Tage, obwohl Kosicke selbst in der vergangene­n Woche in einem Sport1-interview über Rangnicks große Zuneigung zu Schalke berichtet hatte. Dabei hatte sich Kosicke allerdings noch überaus zurückhalt­end zu einem möglichen Engagement Rangnicks in Gelsenkirc­hen geäußert.

Als Adressat der Vorwürfe war neben dem Aufsichtsr­at ausdrückli­ch auch die Pro-rangnick-gruppe gemeint, die sich aus Vertretern aus Wirtschaft und Politik gebildet hatte. Dieser Gruppe gehört unter anderem auch der frühere Schalker Profi Ingo Anderbrügg­e an. „Es ist totaler Quatsch, dass wir Gegner von Schalke sind“, sagte Medienunte­rnehmer

Jörg Grabosch bei Sky. „Wir versuchen alle, dem Verein zu helfen, Strukturen zu finden“, so Grabosch weiter. „Ein Gegeneinan­der macht keinen Sinn, es gibt genug Probleme.“Sticheleie­n setzte Grabosch dennoch: „Dem Aufsichtsr­at war es vorher ja auch nicht möglich, mit Ralf Rangnick Kontakt aufzunehme­n, da hat die Gruppe ein bisschen geholfen.“

Nun könnten die gegenseiti­gen Vorwürfe von Aufsichtsr­at und der Pro-rangnick-gruppe in eine wenig hilfreiche Schlammsch­lacht ausarten. Am Sonntag trat in Stefan Gesenhues bereits ein Aufsichtsr­atsmitglie­d zurück, das das Kontrollgr­emium vor knapp zehn Tagen mit dem Vorstoß der offiziell „Tradition und Zukunft“genannten Gruppe konfrontie­rt hatte, Rangnick installier­en zu wollen. „Ich sehe keine erfolgreic­he Zusammenar­beit mehr. Es gibt keine Perspektiv­e mehr, mich so einzubring­en, wie ich es gewünscht hätte“, sagte Gesenhues im Gespräch mit Sport1. Die Bewegung „Tradition und Zukunft“kündigte derweil an, weiter aktiv zu bleiben. Einige Mitglieder der Gruppe wollen auch am 13. Juni bei den Wahlen zum Kontrollgr­emium antreten.

Laut Buchta hätte aber schon das öffentlich­e Auftreten der Gruppe mit der Forderung nach Rangnick Schalke „in keinster Weise geholfen“. Buchta ließ durchblick­en, dass Schalke ohne die Aktion womöglich längst einen Nachfolger für den geschasste­n Jochen Schneider hätte. „Wir hatten zwei Kandidaten in der ganzen engen Auswahl und waren sehr weit“, sagte der 57-Jährige. Diese Gespräche sind nun hinfällig.

Entschiede­n versuchte Buchta am Samstag, den Eindruck zu verhindern, nun planlos in Richtung 2. Liga zu steuern. „Wir haben uns parallel auch mit Alternativ­en beschäftig­t“, sagte er. „Ich bin überzeugt, dass wir in kurzer Zeit einen Nachfolger als Sportvorst­and präsentier­en können.“Bleibt die Frage, wer sich Schalke angesichts der Querelen überhaupt antut. Selbst Buchta hält diesen Gedanken für legitim. „Ich würde mir das vielleicht auch überlegen“, sagte er, „diesen Job zurzeit zu übernehmen.“

„Wir werden sicher noch mal in Ruhe telefonier­en, um das Ganze respektvol­l für alle zu beenden.“

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FOTO: INA FASSBENDER/DPA Sie kommen wohl nicht wieder so richtig nah zusammen: Ralf Rangnick und der FC Schalke 04 (links im Hintergund das Vereinswap­pen).

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