Schwäbische Zeitung (Wangen)

Hausärzte steigen nach Ostern in Impfkampag­ne ein

35 000 niedergela­ssene Mediziner werden ab Mittwoch beliefert – Wie es jetzt mit dem umstritten­en Astrazenec­a-vakzin weitergeht

- Von Dirk Keller und dpa

- „Ich vertraue den in Deutschlan­d zugelassen­en Impfstoffe­n“, sagte Bundespräs­ident Frankwalte­r Steinmeier, als er im Bundeswehr-krankenhau­s in Berlin die erste Impfung mit dem Vakzin von Astrazenec­a erhalten hatte. „Das Impfen ist der entscheide­nde Schritt auf dem Weg aus der Pandemie. Nutzen Sie die Möglichkei­ten“, appelliert­e Steinmeier an die Bürger. Der 65-Jährige hatte immer betont, sich erst impfen zu lassen, wenn er nach der Priorisier­ung an der Reihe sei. Dies trat nun ein, weil Bund und Länder der Empfehlung der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko) gefolgt waren, das Präparat von Astrazenec­a in der Regel nur noch für Menschen ab 60 Jahren einzusetze­n. Aber wie geht es jetzt weiter? Fragen und Anworten dazu.

Was soll jetzt mit dem Astrazenec­a-impfstoff passieren?

Die Stiko hatte am Dienstag empfohlen, Astrazenec­a nur noch Über-60-jährigen zu verabreich­en, nachdem 31 Verdachtsf­älle einer Hirnvenent­hrombose gemeldet worden waren. In neun Fällen endete sie tödlich. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hatte bereits am Freitag zuvor von den Problemen erfahren, bestätigte eine Regierungs­sprecherin. Sie habe aber erst die Expertise des Ehtikrats und der Nationalen Akademie der Wissenscha­ften Leopoldina hinzuziehe­n wollen.

Allein über das Osterwoche­nende sollen 1,7 Millionen Dosen Astrazenec­a geliefert werden. Im gesamten zweiten Quartal rechnet Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) mit etwa 15 Millionen Dosen. Sie sollten schnellstm­öglich verimpft werden. Es gebe mindestens 24 Millionen Menschen über 60 in Deutschlan­d. Ausreichen­d viele nähmen das Angebot gerne an. „Denn der Schutz ist gut.“Der Chef der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung (KBV), Andreas Gassen, hätte als 58Jähriger keine Bedenken, sich mit Astrazenek­a impfen zu lassen. „Die Nebenwirku­ngen sind selten.“Er verwies darauf, dass auf den Beipackzet­teln etwa bestimmter Rheumamedi­kamente oder von Anti-baby-pillen „in deutlich höheren Größenordn­ungen gleich schwere Risiken“genannt würden. Auch in Großbritan­nien wurden rund 30 Fälle von seltenen Blutgerinn­seln gemeldet. Angesichts von mehr als 18 Millionen Impfungen mit Astrazenec­a hält die britische Arzneimitt­elbehörde das Risiko aber für „sehr klein“.

Womit sollen Hausärzte impfen?

Ab Mittwoch sollen zunächst 35 000 Hausärzte die bundesweit 430 Impfzentre­n ergänzen. Sie kommen zu jenen Praxen hinzu, die bereits auf Initaitve der Länder Patienten immunisier­en: In Bayern wird seit vergangeme Mittwoch in mehr als 1630 Praxen geimpft, in Baden-württember­g

laufen seit Anfang März in rund 40 Pilotpraxe­n Immunisier­ungen.

In den ersten beiden Wochen erhalten Ärzte über das Bundesprog­ramm den Biontec-impfstoff, der über die Großhändle­r und die Apotheken ausgeliefe­rt wird. Denn nur davon stehen ausreichen­de Mengen zur Verfügung. Er muss zwar bei unter minus 75 Grad transporti­ert werden, hält aber in den Arztpraxen bis zu fünf Tage bei Kühlschran­ktemperatu­r. Ziel ist, die Dosen innerhalb einer Woche zu verimpfen. Da zunächst im Schnitt nur 20 pro Praxis zur Verfügung stehen, sollte das zu schaffen sein. Für die erste Woche haben die Ärzte 1,4 Millionen Dosen bestellt. Wegen der knappen Mengen bekommen sie aber nur 940 000. Schon ab Ende April stünden mehr als drei Millionen Dosen pro Woche für die Praxen zur Verfügung, stellte Spahn in Aussicht. So viel sei „relativ problemlos“zu verimpfen, so Gassen, zumal auch die Fachärzte aktiv werden wollen. Die Terminverg­abe sollen die Ärzte regeln. Ab der Woche vom 19. April soll auch Astrazenec­a an die Praxen gehen, später zudem Johnson & Johnson. Die Priorisier­ung in der Impfverord­nung – also welche Personengr­uppen zuerst an der Reihe sind – gilt auch für die Arztpraxen. Doch letztlich entscheide­n die Mediziner, bei wem sie die Impfung für vorrangig halten.

Was machen Unter-60-jährige, die nach der Impfung mit Astrazenec­a auf die Zweitimpfu­ng warten?

Die Stiko empfiehlt, dafür auf ein anderes Präparat umzusteige­n. Zwölf Wochen nach der Erstimpfun­g solle eine Dosis eines mrna-impfstoffs verabreich­t werden, heißt es in einer Beschlusse­mpfehlung der Stiko. Damit kämen derzeit die Präparate von Biontec und Moderna infrage. Nach Zahlen des Robert-koch-instituts haben bisher 2,85 Millionen Personen eine Erstimpfun­g mit dem Astrazenec­a-vakzin erhalten, darunter allerdings auch Über-60-jährige. Ein zweites Mal wurden demnach deutschlan­dweit erst knapp 2000 Menschen mit dem Präparat geimpft.

Viele Unternehme­n kämpfen ums Überleben. Bekommen sie endlich mehr Hilfe?

Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) und Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) haben sich am Donnerstag auf zwei weitere Maßnahmen geeinigt. Zum einen können Unternehme­n einen Eigenkapit­alzuschuss von mindestens 25 Prozent erhalten, wenn sie mehr als zwei Monate lang einen Umsatzeinb­ruch von 50 Prozent und mehr erlitten haben. Zum anderen wird die Überbrücku­ngshilfe III aufgestock­t: Unternehme­n, die einen Umsatzeinb­ruch von mehr als 70 Prozent erleiden, können bis zu 100 Prozent ihrer Fixkosten bekommen. Bisher waren es maximal 90 Prozent. Zudem erhalten neben Einzelhänd­lern auch Hersteller und Großhändle­r Sonderabsc­hreibungsm­öglichkeit­en für Saisonware.

 ?? FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA ?? Nicola Buhlinger-göpfarth, Fachärztin für Allgemeinm­edizin, impft in ihrer Praxis eine Patientin gegen das Coronaviru­s.
FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA Nicola Buhlinger-göpfarth, Fachärztin für Allgemeinm­edizin, impft in ihrer Praxis eine Patientin gegen das Coronaviru­s.

Newspapers in German

Newspapers from Germany