Ostern: Inbegriff der Sehnsucht nach Leben und Lebendigkeit
In den letzten Tagen war es offensichtlich: Die Menschen drängen nach draußen, genießen die ersten Sonnenstrahlen des Frühlings, stehen an für das erste Eis dieses Jahres, steigen wieder aufs Rad, freuen sich über die wiedererwachte Natur in ihren Gärten oder bei einem Spaziergang. Wir suchen nach den kleinen Freiheiten, nach wenigstens ein bisschen Kontakt, nach zaghaften Hoffnungszeichen.
Wir wissen um steigende Inzidenzzahlen, schleppende Impfkampagnen, Menschen auf Intensivstationen, Notbremsen und Lockdowns und möchten dem so gerne etwas entgegensetzen, wieder aufatmen, wieder Leichtigkeit und Perspektive.
So erfahren sich wohl manche gerade in einem inneren Zwiespalt: Der Verstand mahnt zu Vorsicht und Geduld, aber tief in uns meldet sich eine Sehnsucht nach Leben und Lebendigkeit.
Ostern ist der Inbegriff dieser Sehnsucht. Die Botschaft des christlichen Osterfestes geht weit über unsere „Frühlingsgefühle“hinaus. Sie ist heute so unfassbar wie vor 2000 Jahren: Christus ist auferstanden! Der Tod und all seine Vorboten und Mitstreiter haben keine Chance gegen das Leben!
Unfassbar, was wir Christen und Christinnen da behaupten, weil die Erfahrung, die täglichen Nachrichten und Schreckensmeldungen zu widersprechen scheinen. Der Glaube an die Auferstehung hat es nicht leicht in unseren Tagen.
Übrigens: Auch die ersten Osterzeuginnen der Bibel stimmten keineswegs ein spontanes „Halleluja“an, als sie hörten, Jesus lebe. Es brauchte seine Zeit, bis sie aus ihrer Traurigkeit herausfanden und der „Stein vom Grab ihrer Hoffnung“weggewälzt war. Als dann aber diese Hoffnung durchbrach, konnten sie selbst aufstehen und aus ganz neuer Perspektive hier und jetzt aus ihrem Glauben zu leben beginnen.
Vielleicht haben wir die Osterbotschaft der Auferstehung zu lange als reine „Vertröstung“gehört. Vertröstung aber ist keine Hoffnung. Aus ihr entsteht nichts Neues. Davon bin ich zutiefst überzeugt: Allein Hoffnung kann etwas bewegen und verändern in dieser Welt.
Es ist schön, wenn wir an Ostern das große „Halleluja“singen und Gott, den Schöpfer des Lebens, loben können. Aber unsere Osterhoffnung darf auch Zeit haben und bescheiden sein, realistisch, nicht blind vor den Ereignissen – manchmal genügt schon ein „Vielleicht“, um die Hoffnung nicht aufzugeben:
Ist vielleicht?
Ist irgendwo?
Vielleicht ist irgendwo Tag. (Fridolin Stier, Theologe, geb. 1902 in Karsee, gest. 1981 in Tübingen)
Ich wünsche Ihnen ein hoffnungsvolles Osterfest
Robert Schilk, Pastoralreferent und Klinikseelsorger