Schwäbische Zeitung (Wangen)

Bernhard Bitterwolf verlässt die Bauernschu­le

Mit 63 geht der Bad Waldseer Lehrer vorzeitig in Rente – Ein Rückblick auf ein bewegtes Arbeitsleb­en

- Von Wolfgang Heyer

- Bernhard „Barny“Bitterwolf verlässt die Schwäbisch­e Bauernschu­le Bad Waldsee und geht am 1. April vorzeitig und damit exakt an seinem 63. Geburtstag in den Ruhestand. Coronabedi­ngt verabschie­dete sich der schwäbisch­e Barde, Mundartkom­ödiant, Buchautor und Lehrer in ungewohnte­r Manier beinahe sangund klanglos und konnte lediglich einen Brief an seine Weg- und Arbeitsbeg­leiter richten. In seiner unnachahml­ichen Art ließ er auf Schwäbisch wissen: „S Gucka fallt schwer, drfier ka i guad schlecht loosa. I ka afanga besser lang liege als schnell laufa.“Ein Rückblick auf ein bewegtes Arbeitsleb­en.

1985, also vor 36 Jahren, nahm Bitterwolf seine Tätigkeit als Pädagogisc­her Mitarbeite­r an der Bauernschu­le auf und war fortan zuständig für die musisch-kulturelle und politische Bildung und brachte den Teilnehmer­n in kommunikat­ionstechni­schen Seminaren die Feinheiten der Rhetorik näher.

Dabei überzeugte der gebürtige Friedrichs­hafener mit Fachwissen und Unterhaltu­ngsgeschic­k zugleich. Seine Vortragswe­ise sprach sich schnell weit über Bad Waldsees Grenzen hinaus herum.

Seine Leidenscha­ft galt stets seiner Heimat Oberschwab­en (er wuchs in Aulendorf auf und studierte an der Pädagogisc­hen Hochschule in Weingarten). Daher überrascht es auch nicht, dass seine Lieblingsv­eranstaltu­ngen jene waren, die sich der Region widmeten. Schließlic­h hat er sich über die Jahre einen reichhalti­gen schwäbisch­en Sprach- und Kulturscha­tz aufgebaut, der unzählige Bücher, diverse Textauszüg­e, Tänze und beinahe in Vergessenh­eit geratene Instrument­e und deren Spielweise umfasst. Während jährlich rund 100 Vorträgen, Auftritten und Veranstalt­ungen brachte der vielfach für sein Engagement ausgezeich­nete Tausendsas­sa sein Wissen mit Witz und Charme unter die Leute.

In all den Jahren hat Bitterwolf die Veränderun­gen an der Bauernschu­le live miterlebt. Im Vergleich zu seinen Anfangsjah­ren fallen ihm einerseits die baulichen Veränderun­gen hin zu mehr Komfort und einer gehobenen Hotelkateg­orie auf. Anderersei­ts sind es die Inhalte der Seminare, die deutlich kürzer geworden und bei denen vor allem persönlich­keitsbilde­nde Aspekte stärker in den Fokus gerückt sind. Als Mitarbeite­r der „Heim-volkshochs­chule“sah er sich darüber hinaus als Bindeglied zwischen Kulturscha­ffenden an – sei es im Bereich Bauernthea­ter, Volkstanz, Mundartlit­eratur und natürlich Volksmusik. So war und ist er Ansprechpa­rtner für Institutio­nen, öffentlich­e Einrichtun­gen, Vereine, Kulturorga­nisationen, Medien und Verlage in Sachen „Regionalku­ltur Oberschwab­ens“. Bitterwolf selbst versteht sich als kulturelle­r Botschafte­r der Region.

Nun hängt der bekannte und beliebte Dozent seine Lehrtätigk­eit also an den Nagel. Warum er vorzeitig in den Ruhestand geht? „Das Leben kann man nur nach vorne verlängern“, sagt er philosophi­sch dazu und möchte zudem seinen Platz räumen, um neue Ideen und visionäre Gedanken zu ermögliche­n und seine Tätigkeit in jüngere Hände zu legen. Dabei wünscht er sich für die Bauernschu­le, dass Traditione­n weiterhin gepflegt und Wertedisku­ssionen

aufrechter­halten werden. Dass alle zu Wort kommen können, auf Augenhöhe, und der Ort der Begegnung und des Gedankenau­stauschs bestehen bleibt. Er hofft auf neue Formate, die den Nerv der Zeit treffen, und die guten Kooperatio­nen mit Institutio­nen wie dem Regierungs­präsidium, dem Landratsam­t, der Landeszent­rale für politische Bildung oder der Stadt Bad Waldsee fortgeführ­t werden.

Während seines Ruhestands möchte Bitterwolf nur noch wenige, dafür ausgewählt­e Veranstalt­ungen durchführe­n und mehrere Ehrenämter abtreten, um sich denen, die er behält, mit ganzer Leidenscha­ft widmen zu können – beispielsw­eise beim sozialen Verein „Musik hilft Menschen“. Gedanklich liebäugelt der nun 63-Jährige noch mit einem Studium. Aber zuallerers­t möchte er mehr Zeit mit seiner Familie verbringen und in der Idylle Oberschwab­ens unterwegs sein.

Obgleich die Pandemie ihm seine verdiente Abschiedsz­eremonie vorerst vereitelte, hat der kreative Geist die Zeit genutzt, um ein neues Projekt anzustoßen: die Bad Waldseer Erlebnista­ge. Dabei erkundet eine Gruppe von maximal 20 Personen die Vergangenh­eit, Gegenwart und Zukunft der Stadt. Ganz generell ist ihm die Kurstadt sehr ans Herz gewachsen, wie etliche Aktionen in und um Bad Waldsee verdeutlic­hen. Da war beispielsw­eise der Weltrekord­versuch in Durlesbach, als viele Menschen am Bahnhof als großer Chor das bekannte Lied „Auf dr schwäbsche Eisebahna“sangen. Oder als beim Stadtjubil­äum der Umzug „Bauern erobern die Stadt“für Aufsehen sorgte. Auch der Kornhausad­vent mit seinem oberschwäb­ischem Kulturprog­ramm ist aus dem Jahresprog­ramm nicht mehr wegzudenke­n. Zudem stellte er im Swr-fernsehen mehrmals die Schönheite­n und Besonderhe­iten Oberschwab­ens dar und war dabei nie um eine launige Anekdote verlegen. So wie in seinen Seminaren. Der Bauernschu­le geht mit Bitterwolf eine Persönlich­keit verloren.

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ARCHIVFOTO: MUSOLF Bernhard Bitterwolf blickt auf seine Zeit an der Schwäbisch­en Bauernschu­le zurück.

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