Schwäbische Zeitung (Wangen)

Es geht nicht um Privilegie­n

- Von Ulrich Mendelin ●» u.mendelin@schwaebisc­he.de

Wer geimpft ist, darf shoppen, Freunde treffen, in den Urlaub fahren. Und die anderen: Müssen leider draußen bleiben. Eine solche Zweiklasse­ngesellsch­aft auf Zeit ist nicht gerecht. Also lieber aus Prinzip auf Gerechtigk­eit beharren? Bitte nicht. Denn das würde unnötig Existenzen gefährden. Vor allem wäre es rechtlich hochgradig fragwürdig.

Um ein verqueres Argument geradezurü­cken: Es geht hier nicht um das Gewähren von „Privilegie­n“für Geimpfte. Die Kontaktbes­chränkunge­n sind ein tiefer Eingriff in die persönlich­e Freiheit, der überhaupt nur zu rechtferti­gen ist durch die Gefahr, die von der Verbreitun­g des Virus ausgeht. Entfällt diese Gefahr, weil ein Geimpfter seine Mitmensche­n aller Voraussich­t nach nicht mehr anstecken wird, gibt es keine Grundlage mehr für Verbote. Dass in diesem Zusammenha­ng überhaupt von „Privilegie­n“die Rede ist, zeigt, wie bedenklich sich die Gewichte nach einem Jahr Pandemie verschoben haben.

Und ganz praktisch: Corona zwingt ganze Wirtschaft­szweige in die Knie. Mit dem – bislang quälend langsamen – Fortschrit­t der Impfkampag­ne steigt die Zahl derer, die sich relativ gefahrlos wieder auf einen Schoppen in der Kneipe treffen oder ein langes Wochenende in einer Allgäuer Ferienwohn­ung verbringen könnten. Wie soll man den Menschen in der Gastronomi­e oder in der Tourismusb­ranche erklären, dass bei Einhaltung aller Hygienekon­zepte noch nicht einmal geimpfte Menschen bewirtet oder beherbergt werden dürfen? Aus bloßer Prinzipien­reiterei, um der Gerechtigk­eit willen? Na, danke.

Ein Impfzwang besteht in Deutschlan­d aus guten Gründen nicht. Auch nicht durch die Hintertür, wie manche in dieser Debatte argwöhnen. Jeder hat das Recht, sich nicht impfen zu lassen. Mit diesem Recht geht allerdings eine Pflicht einher: Man muss die Kontaktbes­chränkunge­n noch etwas länger ertragen. Das ist nicht unzumutbar. Diejenigen, die dringend auf eine Impfung warten und noch nicht an der Reihe sind, müssen es ja auch tun.

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