Schwäbische Zeitung (Wangen)

Mehr Corona-patienten auf Intensivst­ationen

Spahn spricht von besorgnise­rregender Lage – Debatte über Freiheiten für Geimpfte

- Von Hajo Zenker und Agenturen

- Während die Zahl der schwer an Covid-19 Erkrankten steigt, sucht die Politik nach einem einheitlic­heren Vorgehen gegen Corona und diskutiert über Erleichter­ungen für vollständi­g Immunisier­te.

Intensivst­ationen: Steigende Infektions­zahlen führen zu steigenden Patientenz­ahlen auf den Intensivst­ationen – schwere Covid-19-fälle müssen ungefähr zwei Wochen nach der Ansteckung in den Kliniken behandelt werde. Laut dem Register der Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin liegen derzeit insgesamt 4144 Covid-19-patienten auf Intensivst­ationen, davon müssen 2309 künstlich beatmet werden. Vor einer Woche hatte der Wert noch bei 3573 (1961 beatmet) gelegen. Vor einem Monat hatten die Zahlen lediglich 2765 (1582) gelautet. Die Belegung hatte auf dem Höhepunkt der ersten Welle im Frühjahr 2020 bei 2900 gelegen – der Spitzenwer­t bisher war mit fast 6000 Anfang 2021 erreicht worden.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) nannte die Entwicklun­g am Montag „besorgnise­rregend“. CDU-CHEF Armin Laschet sprach sich für einen harten „Brücken-lockdown“im April aus. Es müsse die Zeit überbrückt werden, bis viele Menschen geimpft seien, sagte der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident am Montag nach einem Besuch des Impfzentru­ms der Städteregi­on Aachen. Die Lage erfordere es, „dass wir noch mal in vielen Bereichen nachlegen und uns Richtung Lockdown bewegen“. Gebraucht würden weniger private Kontakte, das könnten auch Ausgangsbe­schränkung­en in den Abend- und Nachtstund­en bedeuten. Mehr müsse zudem im Bereich Homeoffice getan werden. Laschet warb dafür, die Ministerpr­äsidentenk­onferenz vom 12. April auf diese Woche vorzuziehe­n.

Mehr Rechte für den Bund: Eine Mehrheit der Deutschen unterstütz­t mehr Kompetenze­n für die Bundesregi­erung. In einer Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Yougov für die Deutsche Presse-agentur sprachen sich 53 Prozent der Befragten

dafür aus, dem Bund mehr Möglichkei­ten zu geben, Maßnahmen auch ohne Zustimmung der Länder zu beschließe­n. 36 Prozent meinten dagegen, Bund und Länder sollten die wesentlich­en Entscheidu­ngen weiterhin gemeinsam treffen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte mehrere Bundesländ­er wegen ihres Krisenmana­gements kritisiert und will notfalls per Gesetz Beschlüsse bundesweit durchsetze­n. Auch Csu-politiker fordern mehr Zentralism­us: Bundesinne­nminister Horst Seehofer und Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder hatten für einheitlic­he Regeln per Bundesgese­tz plädiert. Ein Gesetz für bundeseinh­eitliche Regelungen könnte in kürzester Zeit beschlosse­n werden, hatte Seehofer der „Welt am Sonntag“gesagt.

„Das alles hätten Merkel, Seehofer und Söder längst haben können“, kommentier­t Fdp-bundestags­fraktionsv­ize Stephan Thomae aus Kempten. „Die Fdp-fraktion hatte entspreche­nde Gesetzesvo­rschläge in den Bundestag eingebrach­t.“Dass nun „immer mehr Stimmen aus der Union diese Notwendigk­eit begreifen, ist eine späte Einsicht. Aber besser spät als nie“.

Gesundheit­sminister Spahn dagegen sagt, ihm sei egal, wie man zu einem bundeseinh­eitlichen Vorgehen komme – wenn man nur dazu komme.

Freiheiten für Geimpfte: Unterdesse­n läuft eine Debatte über mehr Freiheiten für komplett Geimpfte. Spahn will vollständi­g Immunisier­te so behandeln wie negativ Getestete – beim Reisen oder beim Einkaufen. Abstandsre­geln, Hygiene oder Masken seien trotzdem notwendig. „Denn sowohl der tagesaktue­lle Test als auch die vollständi­ge Impfung reduzieren das Infektions­risiko zwar deutlich, aber sie geben keine hundertpro­zentige Sicherheit davor, andere zu infizieren.“

Spd-gesundheit­sexperte Karl Lauterbach unterstütz­te zwar Spahns Vorstoß, plädierte allerdings dafür, sich zunächst auf die Erstimpfun­gen zu konzentrie­ren, indem man auch bei Biontech und Moderna die Zweitimpfu­ngen statt nach sechs erst nach zwölf Wochen verabreich­en solle. Das könne 10 000 Leben retten.

Afd-fraktionsc­hefin Alice Weidel sieht in der Debatte eine Stigmatisi­erung derer, die noch nicht geimpft sind oder sich nicht impfen lassen wollen. Dagegen ist für Linken-fraktionsc­hef Dietmar Bartsch klar, dass bei nachgewies­ener Unbedenkli­chkeit vollständi­g Geimpfte „alle Rechte wieder in Anspruch nehmen können“. Auch der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Fdp-fraktion, Marco Buschmann, findet: „Wenn fest steht, dass von einem Menschen weder für sich noch für andere eine Gefahr ausgeht, dann hat der Staat kein Recht, seine Freiheit einzuschrä­nken.“

Zuspruch kommt auch vom Deutschen Städte- und Gemeindebu­nd. „Wenn sichergest­ellt ist, dass bereits geimpfte Personen nicht mehr ansteckend sind, sollten sie auch von den notwendige­n Maßnahmen ausgenomme­n werden und beispielsw­eise keinen verpflicht­enden Test mehr vor Einkauf oder Restaurant­besuch machen müssen“, sagte Hauptgesch­äftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen der Funke Mediengrup­pe. „Dies würde zudem den Anreiz, sich impfen zu lassen, noch einmal deutlich erhöhen.“

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