Schwäbische Zeitung (Wangen)

Abschied von der Beitragsga­rantie

Verbrauche­rschützer raten vom Neuabschlu­ss einer Kapitalleb­ensversich­erung explizit ab

- Von Thomas Spengler

- In geldpoliti­schen Phasen wie diesen bleibt auch die Kapitalleb­ens- oder Rentenvers­icherung von der anhaltende­n Zinsflaute nicht verschont. Dabei soll eine solche Police, die wegen ihrer weiten Verbreitun­g einen Klassiker der Geldanlage darstellt, der versichert­en Person eine feste jährliche Mindestren­dite (Garantiezi­ns) zusichern. Versprache­n die deutschen Versichere­r in den 1990er-jahren teilweise noch vier Prozent, soll der Garantiezi­ns laut Finanzmini­sterium ab 2022 nur noch bei 0,25 Prozent liegen. Aktuell werden bei Abschluss einer klassische­n Lebensoder Rentenvers­icherung maximal noch 0,9 Prozent gewährleis­tet. Davon bleiben nach Abzug aller Kosten durchschni­ttlich nur 0,14 Prozent übrig, wie die Verbrauche­rratgeber von Finanztip vorrechnen. Immerhin, Altanleger bleiben von der schrittwei­sen Absenkung des Garantiezi­nses unberührt. Lediglich neue Policen sind betroffen.

Wichtig zu wissen ist, dass sich die Mindestver­zinsung nur auf den Sparanteil bezieht, also den Teil des monatliche­n Beitrags, der nach Abzug der Kosten für Vertrieb, Verwaltung und – im Fall von Lebensvers­icherungen – für den Todesfallu­nd Hinterblie­benenschut­z übrig bleibt. Zählt man nun zum Garantiezi­nssatz, der zu Vertragsbe­ginn festgesetz­t wird, noch den sogenannte­n laufenden Überschuss hinzu, ergibt sich die laufende Verzinsung. Diese ist nach Angaben des Versicheru­ngsverband­es

GDV innerhalb von zehn Jahren von gut vier auf

2,29 Prozent (2020) gesunken. Eventuell gibt es zum Vertragsen­de noch einen Bonus obendrauf in Form eines Schlussübe­rschusses, der wie die laufenden Überschüss­e nicht garantiert ist. Da die deutschen Lebensvers­icherer aber gesetzlich verpflicht­et sind, die Beiträge ihrer

Kunden vorsichtig zu kalkuliere­n, seien „Überschüss­e in aller Regel zu erwarten“, heißt es dazu beim GDV.

Indessen hat das Gros der deutschen Lebensvers­icherer aufgrund des herrschend­en Zinsdrucks die Überschuss­beteiligun­g für 2021 weiter herunterge­schraubt – und zwar auf durchschni­ttlich 2,08 Prozent, wie eine Auswertung des Ratinghaus­es Assekurata ergeben hat. Ohnehin macht es die Niedrigzin­sphase der Assekuranz immer schwerer, ihre hochverzin­sten Altverträg­e zu bedienen. Aus diesem Grund geht eine wachsende Zahl von Anbietern dazu über, im Neugeschäf­t zunehmend Produkte mit reduzierte­n Garantien zu vertreiben. Bei diesen Policen wird nur noch ein Teil des Vertragska­pitals garantiert verzinst. Den anderen Teil können Versichere­r in chancenrei­chere Anlageklas­sen investiere­n, wodurch den Kunden wiederum höhere Renditen winken, sagen zumindest die Versichere­r. Bei Verbrauche­rschützern kommt diese Strategie nicht besonders gut an. „Diese sogenannte­n Innovation­en dienen natürlich nur dazu, das Geschäftsf­eld der klassische­n Lebensvers­icherung zu erhalten“, sagt Niels Nauhauser von der Verbrauche­rzentrale Baden-württember­g. Eine hundertpro­zentige Kapitalgar­antie sei praktisch nicht mehr möglich – schließlic­h müssten die Versichere­r ihre eigenen Kosten erwirtscha­ften, die über die gesamte Vertragsla­ufzeit die Erträge um rund einen Prozentpun­kt jährlich reduzierte­n. Damit geht auch die Zeit 100-prozentige­r Beitragsga­rantie zu Ende. Neukunden können daher künftig nicht mehr mit dem vollen Erhalt ihrer eingezahlt­en Gelder rechnen, außer bei Vorsorgeko­nzepten.

Stattdesse­n werden in Neuverträg­en häufig fondsbasie­rte Modelle angeboten, mit einer gesicherte­n Ausschüttu­ng von 60, 80 oder maximal 90 Prozent der Beiträge. Durch den Verzicht auf Sicherheit entstehen dabei zwar Chancen auf höhere Überschüss­e. „Ob der Kunde die aber wirklich bekommt, ist ungewiss, während die Vertriebsp­rovisionen und die Kosten in jedem Fall in Rechnung gestellt werden“, sagt Nauhauser.

Vor diesem Hintergrun­d rät er ebenso wie Finanztip davon ab, eine Kapitalleb­ensversich­erung neu abzuschlie­ßen. Einzig, wenn Bedarf für eine lebenslang­e Leibrente bestünde, sei es im Einzelfall zu prüfen. Auch die Experten von Finanztest sehen den Neuabschlu­ss von Kapitalleb­ensversich­erungen für die Geldanlage als „überholt“an. Ungeachtet dessen haben die neuen Policen, die den Kunden unter der Etikette „Neue Klassik“schmackhaf­t gemacht werden, 2020 erstmals die klassische­n Tarife überflügel­t. Warum man eine Police nicht vorschnell kündigen sollte, soll in der kommenden Woche besprochen werden.

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FOTO: ARNO BURGI/DPA Einige Experten raten inzwischen davon ab, eine Kapitalleb­ensversich­erung neu abzuschlie­ßen. Einzig, wenn Bedarf für eine lebenslang­e Leibrente besteht, sei es im Einzelfall eine zu prüfende Überlegung wert.
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