Wirksame Corona-mittel nicht in Sicht
Impfstoffe gibt es, aber keine Medikamente – Dabei wird auf Hochtouren an Arzneimitteln geforscht
Nach Wochenenden – und dies gilt insbesondere für die Osterfeiertage – ist bei der Interpretation der Zahlen zu beachten, dass meist weniger Personen einen Arzt aufgesucht haben. Dadurch wurden insgesamt auch weniger Proben genommen. Zum anderen kann es sein, dass nicht alle Gesundheitsämter an allen Tagen Daten an das Robert-kochinstitut übermittelt haben.
In der Tabelle werden die zu Redaktionsschluss neuesten verfügbaren Zahlen angegeben. Dadurch kann es zu Abweichungen zu nationalen und lokalen Zahlen kommen.
Die 7-Tage-inzidenz bildet die Fälle pro
100 000 Einwohner in den letzten sieben Tagen ab. Quellen: Robert-koch-institut von Montag, 7.30 Uhr.
(dpa) - Die dritte Corona-welle rollt über Deutschland hinweg. Während im Rekordtempo gleich mehrere Impfstoffe zugelassen wurden, fehlt es Ärzten noch immer an wirksamen Medikamenten zur Behandlung ihrer Patienten – trotz weltweit mit Milliardensummen unterstützter Forschung an Arzneimitteln gegen Corona.
Derzeit würden rund 400 verschiedene Substanzen auf Wirksamkeit gegen Sars-cov-2 untersucht, sagt Stefan Kluge, Koordinator der Behandlungsleitlinien der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Bisher aber habe es bei fast allen Studien negative Ergebnisse gegeben. Zuletzt sei bei der Entwicklung von Arzneien „ein bisschen Ernüchterung“eingetreten, sagt auch der Infektiologe Clemens Wendtner von der München Klinik. Hoffnungen ruhen etwa noch auf synthetisch hergestellten Antikörpern, die das Virus im Körper außer Gefecht setzen sollen. Doch die Erwartungen sind inzwischen gedämpft. Auch eine Reihe sogenannter antiviraler Substanzen wird untersucht. Bisher fehlt aber ein Mittel, das das Virus spezifisch bekämpft. Bei Klinikpatienten wird bislang vor allem das entzündungshemmende und lange bekannte Kortikoid Dexamethason eingesetzt. Es soll eine überschießende Immunreaktion bremsen, die bei Covid-19 häufig auftritt, und gehört zu den laut nationaler Leitlinie empfohlenen Medikamenten. Auch andere antientzündliche Wirkstoffe werden untersucht.
In absehbarer Zeit zugelassen werden könnte der bisher gegen rheumatische Arthritis eingesetzte Wirkstoff Tocilizumab. Zudem greifen Ärzte zu erprobten Arzneien, die je nach Verlauf bei bestimmten Komplikationen schützen. Oft bekommen Klinikpatienten Blutverdünner – denn Covid-19 erhöht die Gefahr von Thrombosen, Infarkten und Schlaganfällen.
Wegen der Gefahr einer zusätzlichen bakteriellen Infektion werden häufig auch Antibiotika verabreicht. Doch diese seien gegen das Virus wirkungslos und nur in bestimmten Fällen sinnvoll, mahnt Kluge, der auch Chef der Intensivmedizin am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf ist. Dass überhaupt ein rundum wirksames Heilmittel gegen Covid-19 gefunden wird, gilt als unwahrscheinlich. „Wir werden nichts finden, was die derzeitige Sterblichkeit von 20 bis 30 Prozent auf der Intensivstation auf null Prozent reduziert“, sagt Kluge.
Bei Grippe und anderen Viruskrankheiten fehlen direkte Heilmittel bis heute. „Es gibt auch bei anderen respiratorischen Viren nur bedingt wirksame Therapieoptionen“, sagt Christoph Spinner, Oberarzt Infektiologie und Pandemiebeauftragter des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM).
In mehreren Kliniken in Deutschland werden derzeit synthetisch hergestellte Antikörper erprobt: Bamlanivimab sowie REGN-COV2, das auch Ex-präsident Donald Trump bekam. Trotz bisher schlechter Studienlage und mangelnder Empfehlung dafür hatte sich die Bundesregierung von beiden Medikamenten 200 000 Dosen für rund 400 Millionen Euro gesichert. Sie liegen nun im Schrank, wie Mediziner berichten. Von 100 therapeutischen Bamlanivimab-einheiten sei an der Münchner Klinik bis Anfang März nur eine Einzige verwendet worden, in anderen Kliniken gebe es ähnliche Erfahrungen, sagt Wendtner.
Das Mittel dürfen Ärzte in Deutschland nur in der Klinik ausgewählten Patienten in der Frühphase verabreichen. Werde es zu spät gegeben, könnte der Körper schon eigene Antikörper gebildet haben, sagt Wendtner. „Das Medikament kann dann eine schwere Immunreaktion auslösen bis zum allergischen Schock.“In den USA heißt es mittlerweile von Behördenseite, dass Bamlanivimab als alleiniger Antikörper nicht mehr eingesetzt werden soll, weil er gegen viele Corona-varianten nicht helfe. Experten des RKI schrieben andererseits erst kürzlich mit Verweis auf Laborexperimente, dass Bamlanivimab bei der mittlerweile in Deutschland dominierenden Variante B.1.1.7 wirksam sei.
Auch sogenanntes Rekonvaleszentenplasma – aus dem Blut von Genesenen gewonnene Antikörper – wird in Deutschland weiter erprobt. Der Wirkmechanismus ist vergleichbar mit dem synthetischer Antikörper. Geforscht wird auch an Medikamenten, die eine Zerstörung der Lunge verhindern. Dabei geht es etwa um sogenannte mesenchymale Stammzellen. Sie werden aus Nabelschnurgewebe gewonnen, sind Vorläufer für verschiedene Zelltypen im Körper – und könnten nach ersten Studien schwer erkrankten Coronapatienten helfen.
Vor Monaten wurde die Zulassung des gegen das Ebolavirus entwickelten Remdesivir als Meilenstein gefeiert. Das Mittel kommt nun kaum zum Einsatz, wie Ärzte übereinstimmend berichten. Als nicht wirksam und teils sogar kontraindiziert erwies sich das Malariamedikament Chloroquin. Trump hatte es zu Beginn der Pandemie als Wunderwaffe und „Geschenk Gottes“gepriesen. Die FDA erteilte dem Mittel die Notfallzulassung – die nach kurzer Zeit wieder zurückgezogen wurde.