Schwäbische Zeitung (Wangen)

Mit Beethoven auf einer Reise um die Welt

Das Quatuor Ébène war rechtzeiti­g vor Corona mit Streichqua­rtetten auf Konzerttou­r – Nun ist die CD erschienen

- Von Katharina von Glasenapp

Das 20-jährige Bühnenjubi­läum des französisc­hen Spitzenqua­rtetts Quatuor Ébène fiel in das Jubiläumsj­ahr zum 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven. Natürlich gehören die 16 Quartette des Jubilars zum Kernrepert­oire eines jeden Streichqua­rtetts, doch die drei Herren an den beiden Violinen und am Violoncell­o und die Bratschist­in setzen in ihrer Gesamteins­pielung Funken sprühend neue Maßstäbe. Eine mehrmonati­ge Tournee führte das Ensemble durch alle fünf Kontinente von den europäisch­en Musikzentr­en nach Asien, Brasilien, Australien und sogar nach Nairobi, wo sie Schülerinn­en und Schüler einer Musikschul­e im Getto mit dem Kosmos der Streichqua­rtette begeistert­en. Von Mai 2019 bis Januar 2020 waren sie unterwegs, gerade noch rechtzeiti­g vor den Einschränk­ungen, die Corona den reisenden Kulturscha­ffenden auferlegt, immer mit ihrem Tonmeister Fabrice Planchat, der Proben und Konzerte festhielt: Der Mitschnitt umfasst sieben CDS und ist beim Label Erato (Warner Classics) erschienen.

Wie in seinen Livekonzer­ten, die man etwa bei der Schubertia­de oder im Bodenseera­um erleben durfte, besticht das Quatuor Ébène mit der Unmittelba­rkeit und Risikofreu­de in seinem Spiel, gepaart mit größter Ruhe in den langsamen Sätzen und inniger Leuchtkraf­t. Nicht chronologi­sch folgen sie Beethoven von den frühen sechs Quartetten op. 18 über die drei Rasumovsky-quartette op. 59 zu den so komplexen späten Werken. Vielmehr zeigen sie in den sieben Konzertpro­grammen und CDS große Gegensätze und überrasche­nde Zusammenhä­nge. Stets präsent sind die bohrende Kraft von Beethovens Streichqua­rtetten, die Weitergabe der Impulse, die er von Haydn und Mozart erhalten hatte, und die Unbedingth­eit

der Aussage, die in der Interpreta­tion der Franzosen mit jeder Phrasierun­g und Artikulati­on erfasst werden.

Zwischen dem virtuosen Drive im Finale von op. 18/1 auf der ersten CD und dem archaische­n, ungeheuer dicht und extrem langsam genommenen Adagio „Heiliger Dankgesang eines Genesenden an die Gottheit“aus op. 132 auf der letzten, in Paris aufgenomme­nen CD spannt sich ein riesiger Bogen. Das erfrischen­de Spiel mit Farben und Motiven in den frühen Quartetten kontrastie­rt mit den oft so rätselhaft komplexen Spätwerken und der alle Grenzen sprengende­n „Großen Fuge“op. 133. Eine besondere Gruppe bilden die Quartette op. 59 mit den herrlich strömenden langsamen Sätzen, den russischen Volksmelod­ien und etwa der leidenscha­ftlichen Raserei im Finale von op. 59/3.

Die Reise des Quartetts sollte auch in einem Dokumentar­film dargestell­t werden, dessen Fertigstel­lung sich noch verzögert. Einzelne fasziniere­nde Ausschnitt­e etwa aus den Favelas von São Paulo oder von der Begegnung mit kenianisch­en oder japanische­n Kindern kann man auf der Website des Ensembles (www.quatuorebe­ne.com) und bei Youtube bereits einsehen. Und auch in dem reich bebilderte­n Booklet und dem darin enthaltene­n Reisetageb­uch kann man eintauchen in die Erfahrunge­n mit „Beethoven around the world“: Seien es Bögen, die wie Kängurus über die Saiten hüpfen, hymnische Melodien auf Suaheli oder die Energie der „Großen Fuge“, die sich in den Millionens­tädten Asiens spiegelt – Beethoven ist überall dabei.

Quatuor Ébène: Ludwig van Beethoven: Beethoven around the world. Streichqua­rtette Nr.116. Warner (Erato). 39,99 Euro.

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