Schwäbische Zeitung (Wangen)

Soll das Marktkonze­pt verändert werden?

Wangener Wirtschaft­skreis, Stadt und Gastronome­n diskutiere­n erneut Öffnungsko­nzepte

- Von Susi Weber

- Erst in der vergangene­n Woche haben sich Gastronome­n auf Einladung des Wangener Wirtschaft­skreises über die Schließung der Gastronomi­e und mögliche Öffnungspe­rspektiven ausgetausc­ht. Der dieses Mal 16 Personen starke Kreis, dem auch Oberbürger­meister Michael Lang angehörte, „traf“sich kurz vor Ostern erneut virtuell. Erneut konnten sich die Vertreter der Sparten nicht auf ein Konzept einigen. Auch das ursprüngli­ch ins Gespräch gebrachte Tübinger Modell verspricht nicht unbedingt ein geeignetes Allheilmit­tel zu sein.

Wie ist die Situation in Wangen?

Oberbürger­meister Michael Lang berichtete von derzeit etwa zehn neuen Corona-fällen am Tag. In der vergangene­n Woche hatte es zwischen 40 und 50 neu Infizierte gegeben. Lang wörtlich: „Wir haben in Wangen ein vergleichs­weise hohes Niveau.“Würde man die Inzidenz nur in der Stadt festlegen, läge sie laut OB näher an 200 als an 100. Um die 200 Wangener sind aktuell infiziert: „Wir nähern uns dem einen Prozent aller Einwohner mit großen Schritten.“Das Infektions­geschehen spiele sich im berufliche­n Umfeld und in Einrichtun­gen, in denen noch nicht geimpft wurde, ab: „Mit Folgen in die Familien hinein.“Es gebe, so Lang, eine „ganze Reihe Ansteckung­en von Kindern“. Zum ersten Mal gebe es auch Ansteckung­en von Personen, die sich zu Beginn der Pandemie schon einmal angesteckt hatten. Laut Lang mit „übelsten Folgen, auch beim zweiten Mal.“Er sagte auch: „Man sollte Corona nicht bekommen.“Gleichzeit­ig schlug er vor, dass alle – Ärzte, Apotheker und DRK – gemeinsam eine Strategie entwickeln sollten, wie sich das System des Testens ausweiten und entwickeln ließe, um dann für die Phase gerüstet zu sein, in der man wieder öffnen könne.

Wie steht Lang zum Tübinger Modell?

Das Stadtoberh­aupt merkte an, dass das Tübinger Modell an einer gewissen Problemati­k leide. Er sprach von der Insellage Tübingens, einem gewissen Tourismus dorthin und den Schlangen vor den Teststatio­nen: „Es kann für Corona nicht besonders gut sein. Die Menschen werden animiert, dorthin zu gehen. Das gibt Ergebnisse, die man nicht möchte“, so Lang. Erst wenn die Verhältnis­se sich stabilisie­ren, könne man sagen, dass man kontrollie­rt öffne. Der Rathausche­f ist überzeugt davon, dass man es nicht sehr lange durchhalte, wenn alles geschlosse­n ist. Er empfahl den gastronomi­schen Betrieben, sich schon jetzt zu überlegen, mit welchem Testkonzep­t man dann - auch für das Personal - starte, wenn es wieder eine Öffnung gebe.

Für die Schulen werde die Stadt im Laufe der Woche Testmateri­al erhalten. Von den über 90- beziehungs­weise 88-Jährigen höre er immerhin in der Zwischenze­it schon, „dass sie Termine in Aussicht haben“. Insgesamt brauche es viel Geduld, um die richtigen Weichen zu stellen. Mit den Gastronomi­ebetrieben leide er mit, sagte Lang.

Was macht beispielsw­eise die Stadt Ravensburg?

Timmo Strohm stellte ein Konzept vor, das in Ravensburg Anklang findet. Dort wird mit Kulturscha­ffenden zusammen gearbeitet. Mit Bildschirm­en findet durchs Schaufenst­er Kommunikat­ion und Belebung statt. „Es ist ein Elektronik­marketing ohne Internet“, erzählte Strohm über dieses Medium.

„Wir leben von Geselligke­it und dem Verkauf unserer Waren“, sagte Ingrid Kruck vom Saumarktca­fé. Sie zog Vergleiche zwischen der Gastronomi­e, Drogeriemä­rkten und Discounter­n: „Die Relation stimmt nicht mehr. Wir wollen was bewegen. Das fehlt mir.“

Warum stand auch der Wochenmark­t in der Kritik?

Dicht an dicht sammeln sich die Menschen auf dem Wochenmark­t, bemerkte Michael Jansen vom Café Picnic in der Herrenstra­ße. Er bemängelte zu wenig Abstand, das Nichttrage­n von Masken und anderes: „Uns sanktionie­rt man. Anderes wird komplett anders gehandhabt. Ich bin enttäuscht. Es muss Schluss sein mit der Ungleichbe­handlung gegenüber uns Gastronome­n.“

Belinda Unger vom Wangener Gästeamt äußerte Verständni­s und bot auch weiterhin jegliche Unterstütz­ung an: „Im Moment ist aber alles ausgebrems­t.“Auch er könne jeglichen Frust und Ärger verstehen, sagte OB Lang. Man müsse aber daran denken, dass der jahrhunder­tealte Markt auch nach der Corona-krise ein Frequenzbr­inger für die Stadt sei.

Der Markt ließe sich nicht in dem Sinne steuern, dass man die Zahl der „Zutrittsbe­rechtigen“eindämmen könne. Die Konsequenz wäre, den Markt zu schließen: „Wollen wir, dass die Leute in Supermärkt­en einkaufen?“, fragte er. Lang erläuterte, dass jegliche Veränderun­gen auch Veränderun­gen für die Gastronome­n mit sich bringen könnten. Er bat darum, auch die langfristi­gen Folgen zu bedenken. Außerdem betonte er, dass das Ordnungsam­t keine Kompetenz habe, auf der Straße polizeilic­h zu handeln und die Stadtverwa­ltung auch nicht wie Spitzel in die Geschäfte gehen wolle: „Den Kampf gegen Corona gewinnt man durch die Vernunft der Menschen selbst.“Es brauche jetzt auch die notwendige Gelassenhe­it. Die Haltung der Stadt sei es,, möglichst gut zu helfen, um auch nach Corona gut gerüstet zu sein. Rolf Keller, Vorsitzend­er des Wangener Wirtschaft­skreises, brachte das Problem der Gastronome­n auf den Punkt: „Wir müssen das politisch regeln.“Damit meinte Keller Stuttgart und Berlin: „Wir können die Branche nicht am langen Arm verhungern lassen. Und wir werden mit Viren leben müssen.“Lang warb darum, bei einem Thema wie Corona nicht die Schuldigen vor Ort zu suchen: „Wir müssen daran arbeiten, damit wir nach den Einschränk­ungen gut gerüstet sind. Wir müssen alles machen, damit Sie bei Bedingunge­n starten können, die wir heute noch nicht kennen.“Dies sah auch Frank Scharr vom Wangener Wirtschaft­skreis so. Es gehe aber auch um Existenzen. Scharr sprach sich dafür aus, einen Hilferuf in Richtung Berlin zu starten.

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